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Frankreich nach dem Referendum, Teil II

Regierungsumbildung in Frankreich - überraschende politische Doppelspitze

Nicht die Ernennung von Innenminister de Villepin zum neuen Premierminister, sondern die Rückkehr von UMP-Präsident Nicolas Sarkozy als Nummer 2 in die französische Regierung waren die politische Überraschung des gestrigen Tages; die weitere Zusammensetzung des neuen Kabinetts von de Villepin wird bis zum Ende der Woche bekannt gegeben.

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Innenminister Dominique de Villepin, ein enger Vertrauter des französischen Staatspräsidenten, wurde gestern offiziell zum neuen Premierminister ernannt. De Villepin, der als Absolvent der französischen Elite-Verwaltungsschule ENA (Ecole Nationale d’Administration) das Image des intellektuellen Diplomaten trägt, auf eine langjährige diplomatische Karriere zurückblickt und 1995 – 2002 als Generalsekretär im Elysee-Palast enger Berater des Präsidenten war, aber auch bereits zwei Ministerposten innehatte (Aussenminister von 2002-2004 und anschließend Innenminister) ist „l‘homme de confiance“ von Jaques Chirac. Er ist allerdings nie aus Wahlen hervorgegangen und kann sich daher nicht auf den Rückhalt in der Nationalversammlung und der breiten Bevölkerung stützen. In der französischen Bevölkerung ist er vor allem während der Irakkrise populär geworden, als er die Stimme Frankreichs gegen die USA repräsentierte.

De Villepin hatte bereits vor Wochen seine Ambitionen auf das Premierministeramt kundgetan; in einem innenpolitischen Schlagabtausch zwischen de Villepin und Raffarin im Vorfeld des Referendums hatte ersterer zum wiederholten Male die Regierungspolitik Raffarins öffentlich kritisiert und sich für eine „viel aktivere, kühnere und solidarischere Politik“ ausgesprochen, um „besser auf die Erwartungen und Frustrationen“ der Franzosen eingehen zu können. Genau das wird jetzt seine Hauptaufgabe sein.

Das „Nein“ der Franzosen zum Verfassungsvertrag ist in erster Linie eine große Niederlage für den französischen Staatspräsidenten Jaques Chirac, der mit der Ernennung eines neuen Premierministers Jean-Pierre Raffarin zum Sündenbock des gescheiterten Referendums macht. Wahre Größe hätte er durch einen sofortigen Rücktritt bewiesen – ähnlich General de Gaulle, der unmittelbar nach dem gescheiterten Referendum in 1969 sein Amt niedergelegt hat. Das gescheiterte Referendum ist bereits die dritte Niederlage in Folge für Chirac nach den schlechten Ergebnissen der Regionalwahlen und Europawahlen in 2004.

Allerdings ist ihm mit der Nominierung von Nicolas Sarkozy zum „ministre d’etat“ (eine herausgehobene Form des Minsterpostens voraussichtlich mit dem Ressort Inneres, was aber offiziell erst bei der vollständigen Präsentation des neuen Kabinetts bekannt gegeben wird) und damit faktisch der Nummer 2 in der Regierung ein politischer Überraschungscoup gelungen, den kaum einer so erwartet hätte – oder war es womöglich die einzige Möglichkeit, seine Glaubwürdigkeit nach dem Dilemma vom vergangenen Sonntag zu bewahren? Chirac hatte in seinen Fernsehansprachen unmittelbar vor und nach dem Referendum „neue Impulse“ in der Regierungspolitik angekündigt – das neue Tandem de Villepin/Sarkozy soll diese nun ausführen. Die Kombination von de Villepin als Premier und Sarkozy als Staats- und Innenminister demonstriert nach außen eine cohabitation zwischen Gouvernement und UMP, da Sarkozy es zur Bedingung gemacht hat, parallel zu seinem neuen herausgehobenen Ministerposten den Vorsitz der UMP beizubehalten. Sarkozy war bereits von Mai 2002- März 2004 erfolgreicher Innenminister und von März – November 2004 „Superminister“ für Wirtschaft, Finanzen und Industrie und gilt als einer populärsten Politiker Frankreichs. Auf Geheiß von Chirac mußte er im vergangenen November sein Ministeramt aufgrund seiner Wahl zum UMP-Parteichef aufgeben. Eine weitere Phase der erfolgreichen Profilierung als Innenminister unter Beibehaltung des UMP-Vorsitz als Plattform wäre die notwendige Voraussetzung und Stütze zur Erreichung seines eigentlichen Ziels in 2007.

Die Frage, die sich stellt, ist, wie sich die Zusammenarbeit dieses ungewöhnlichen Duos de Villepin/Sarkozy in der Zukunft gestaltet. Beide hatten sich in der Vergangenheit oft genug verbal attackiert, Sarkozy hatte wiederholt den Legitimitätsanspruch de Villepins in Frage gestellt. Die französische Innenpolitik würde sich mit einem politisch geschwächten Staatspräsidenten und einer konkurrierenden politischen Doppelspitze selbst paralysieren.

Zurück zu den Fakten des gescheiterten Referendums:

Das amtliche Endergebnis des Referendums lautet 54, 85 % NEIN zu 45 % JA , die Wahlbeteilung lag bei genau 69, 74 % (nur knapp höher als beim Referendum zum Maastricht-Vertrag mit 69,70%). Das NEIN überwiegt in 18 Regionen, nur vier Regionen (Alsace, Bretagne, Ile de France und Pays de la Loire) stimmten mehrheitlich für das JA (ähnlich der Abstimmung zu Maastricht). Nur 16 Departments haben mehrheitlich mit JA gestimmt (bei Maastricht waren es 47). Das Ja überwiegt in den größeren Städten, vornehmlich in Paris mit einem massiven JA von 66, 45 %. Hinsichtlich der Altersstruktur der Wähler waren es die über 60-Jährigen, die mehrheitlich mit JA gestimmt haben, während die Jüngeren, vor allem die Gruppe der 18-24 Jährigen und insgesamt die unter 60-Jährigen überwiegend mit NEIN votierten. Die Berufsgruppen der Bauern in den ländlichen Gebieten und die der Arbeiter in den Vorstadtzonen waren deutlich gegen die Verfassung, während die höheren Angestellten und die Freiberuflichen in den Städten vornehmlich in den Städten pro-europäisch votierten – eine gesellschaftliche Spaltung des Landes ähnlich wie bei dem Maastricht-Referendum. Neu indes und einer der ausschlaggebenden Faktoren für das Negativvotum ist, dass auch erhebliche Teile der Mittelschicht ein Votum gegen Europa abgaben – hauptsächlich motiviert durch die Angst um den Arbeitsplatz.

Hinsichtlich der Parteizugehörigkeit waren es einerseits die Wählerschaft der Konservativen Parteien UMP und UDF, die mit überwältigender Mehrheit pro-europäisch votierten; insbesondere die geeinte Wahleinstellung pro-Europa der UMP-Anhänger ist auf die Motivierung und neue Parteiführung von Sarkozy zurückzuführen, beim Referendum zu Maastricht waren es noch die Gaullisten gewesen, die mehrheitlich mit „nein“ gestimmt haben. Die UDF kann als klassisch und traditionell pro-europäisch eingestuft werden, ihre Wählerschaft ist der Parteiführung mit ebenfalls großer Mehrheit gefolgt.

Im NEIN-Lager standen vor allem die Kommunisten und die Rechtsextremisten geschlossen hinter ihren Parteiführungen. Uneinigkeit gab es indes in der sozialistischen Wählerschaft und bei den Grünen. Entgegen der pro-europäischen Urabstimmungen bei beiden Parteien votierten 59 % der sozialistischen Wähler gegen den Verfassungsvertrag, bei den Grünen waren es fast zwei Drittel.

Das JA-Lager der Sozialisten gehört zu den eigentlichen Verlierern des Referendums, Hollande hat es trotz der innerparteilichen Urabstimmung für die Verfassung Ende letzten Jahres nicht geschafft, die Partie Socialiste in der Europa-Frage zu einen.

Die Konservativen Parteien UMP und UDF konnten in ihrer Referendumskampagne zwar die Mehrheit der eigenen Wählerschaft mobilisieren, jedoch nicht von dem eigentlichen innenpolitischen Dilemma ablenken. Zu den Verlierern gehört ebenfalls der ehemalige Staatspräsident Giscard d‘Estaing, der sich in seiner Funktion als Konventspräsident verstärkt in die Kampagne eingeschaltet hatte.

Die eigentlichen Gewinner des Referendum sind die extrem rechten und linken Parteien, die Kommunisten und das NEIN-Lager der Sozialisten unter Fabius, die die Kampagne als Plattform zur Verbreitung ihrer populistischen Agenda benutzt haben – alle im Hinblick auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in 2007. Auch die Gewerkschaften fühlen sich durch den Ausgang des Referendums bestätigt, allerdings genügt ihnen nicht nur ein Wechsel des Premierministers, sie forden einen radikalen Kurswechsel in der Sozialpolitik.

Das Referendum hat die sozialistische Linke gespalten und die Konservativen geschwächt, in den nächsten 22 Monaten bis zu den Präsidentschaftswahlen bedarf es der Neuorientierung auf beiden Seiten – weniger der Profilierung von politischen Persönlichkeiten als vielmehr der sachlichen Orientierung auf sozio-ökonomische Kernthemen. Dies wird die Aufgabe des neuen Premiers sein, eine reformorientierte Wirtschafts- und Sozialpolitik angepasst an die Bedürfnisse der Bevölkerung und die Wahrung der Interessen Frankreichs in der EU – keine leichte Aufgabe!

Aussenminister Barnier hat die Niederlage des gescheiterten Referendums als „Prüfung“ für Frankreich und „wahre Enttäuschung“ bezeichnet , doch ist es nicht vielmehr eine veritable Krise– erstmals geht das Tandem Deutschland /Frankreich in einer wichtigen europäischen Frage getrennte Wege. Sicherlich wird das Scheitern des Referendums in Frankreich die traditionellen Pfeiler der deutsch-französischen Freundschaft nicht erschüttern, aber die Rolle Frankreichs in Europa marginalisieren und damit auch die Bedeutung des deutsch-französischen Motors in der europäischen Einigung schwächen bzw. als obsolet erscheinen lassen. In einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten wird es der grundlegenden Neudefinierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit in Kernbereichen bedürfen.

Die Franzosen haben am 29. Mai nicht wirklich dem Projekt Europa als solches die Absage erteilt, das „Nein“ war vielmehr die Abrechnung mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung Chirac/Raffarin und eine verspätete Antwort auf die EU-Osterweiterung.

Präsident Chirac hat in seiner gestrigen Fernseh-Ansprache an die Bevölkerung das Thema Arbeitsmarkt und Beschäftigung zur ersten Priorität des neuen Premierministers erklärt.

Es bleibt zu hoffen, dass es der neuen politischen Doppelspitze in Frankreich in Zukunft gelingt, die persönlichen Animositäten zu begraben und eine sachorientierte Politik in den Vordergrund zu stellen.

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