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KEIN EINFACHER BESUCH
Die deutsch-ukrainischen Beziehungen sind nicht unbelastet. Der Arbeitsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Ukraine am 21. Juli 2008 war die erste Reise eines deutschen Regierungschefs in die Ukraine nach der Orangen Revolution im Jahr 2004. Die ursprünglich jährlich geplanten Regierungskonsultationen fanden seit Jahren nicht mehr statt. Beim NATO-Gipfel in Bukarest führte Deutschland die Gruppe der Länder an, die sich gegen die Aufnahme der Ukraine in den Mitgliedschaftsaktionsplan der NATO aussprachen. Und zuletzt sorgte eine Abschiebung auf der Durchreise befindlicher ukrainischer Saisonarbeiter durch die deutschen Behörden aufgrund von Visaproblemen für einige Unruhe im deutsch-ukrainischen Verhältnis.
Deutschland, das lange als einer der wichtigsten Partner der Ukraine im Westen galt, wird von ukrainischen Eliten, Medien und der Zivilgesellschaft aktuell zunehmend kritischer betrachtet. Hinzu kommt, dass die in der Ukraine einflussreichen russischen Medien immer wieder gezielt den Eindruck erwecken, als stünde die deutsche Regierung direkt unter dem Einfluss Moskaus. Das schwierige Erbe der Regierung Schröder ist in dieser Hinsicht zudem bis heute deutlich spürbar.
Vor diesem Hintergrund war der Arbeitsbesuch der Bundeskanzlerin für beide Seiten nicht ganz einfach. Präsident Juschtschenko hoffte für die Ukraine darauf, Deutschland zum Einlenken in der Frage des NATO-Mitgliedschaftsaktionsplans zu überzeugen. Auch für die von der Ukraine angestrebte Aufteilung des neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit der EU in ein politisches und ein wirtschaftliches Abkommen wollte er deutsche Unterstützung gewinnen. Für die deutsche Seite kam es darauf an, einerseits die bekannten Positionen zu NATO und EU noch einmal klarzustellen und andererseits trotzdem eine positive Botschaft an die Ukraine und für die deutsch-ukrainische Kooperation auszusenden.
ENTTÄUSCHUNG IN DER UKRAINE ÜBER STIEFMÜTTERLICHE BEHANDLUNG
Der Besuch der deutschen Bundeskanzlerin war in der Ukraine lange erwartet worden. Deutschland ist in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht ein wichtiger Bezugspartner. So wurde es dann in der Ukraine auch allgemein sehr positiv bewertet, dass der Besuch nun schon früher als ursprünglich in diesem Jahr erwartet stattfinden konnte und dass die Kanzlerin direkt aus Berlin anreiste und nicht etwa nur für eine Zwischenlandung.
Die sehr sensible ukrainische Öffentlichkeit reagierte allerdings leicht verschnupft auf die Tatsache, dass Bundeskanzlerin Merkel in der letzte Woche noch zwei Tage in Algerien weilte und neben zahlreichen Terminen dort auch öffentliche Auftritte absolvierte, während für die Ukraine nur wenige Stunden zur Verfügung standen. In den ukrainischen Medien wurde außerdem vielfach kritisiert, dass das Besuchsprogramm mit den Treffen mit Juschtschenko und Tymoschenko nur aus den allernötigsten Terminen bestand. Man hält einen Besuch in diesem kleinen Format, insbesondere als ersten Besuch nach langer Zeit auf höchster Ebene, nicht angemessen für Größe und geopolitische Bedeutung der Ukraine.
KLARE WORTE DER BUNDESKANZLERIN
In den Gesprächsinhalten und den Aussagen auf der Pressekonferenz gab es kaum Überraschungen. Ein am Tag vor dem Besuch der Kanzlerin in der Ukraine veröffentlichtes Interview ihres außen- und sicherheitspolitischen Beraters Christoph Heusgen hatte mit klaren Aussagen zu NATO und EU den Rahmen bereits deutlich abgesteckt und keine überzogenen Erwartungen aufkommen lassen.
Die gemeinsame Pressekonferenz von Merkel und Juschtschenko kam dann in einigen Punkten einer kalten Dusche für den ukrainischen Präsidenten gleich. Ohne Umschweife und Phrasen bekräftigte die Kanzlerin die deutsche Position der Ablehnung der Aufnahme der Ukraine in den NATO-Mitgliedschaftsaktionsplan zum jetzigen Zeitpunkt. Auch wenn die Ukraine in ferner Zukunft NATO-Mitglied werden würde, sei dieser Schritt verfrüht. Stattdessen sei gemeinsame Arbeit an einem „Navigationsplan“ nötig, um die in der Ukraine nötigen Reformen voranzubringen.
Auch in Bezug auf die EU betonte die Kanzlerin die bekannte Position. Sie unterstrich, dass das in Verhandlung befindliche erweiterte Abkommen mit der Freihandelszone im Kern für die Ukraine gewissermaßen eine Assoziierung mit der EU darstellen wird. Eine Beitrittsperspektive oder gar einen Automatismus, der zur Vollmitgliedschaft des Landes in der EU führen könnte, werde es aber nicht geben.
In der Wortwahl war das wohl einzige Zugeständnis des Besuches an die ukrainische Seite zu erkennen. Juschtschenko unternimmt schon seit längerer Zeit Anstrengungen, mit dem neuen Abkommen zumindest eine symbolische „Assoziierung“ der Ukraine mit der EU zu erreichen. Auch die ukrainischen Medien kaprizierten sich auf nach dem Besuch vor allem auf die Formulierung der „assoziativen Mitgliedschaft“ in der EU.
Klare Worte fand die Bundeskanzlerin auch für die in der Ukraine sehr strapazierte Frage des russischen Einflusses auf die deutsche Politik. Sie unterstrich, dass die Fragen der NATO-Mitgliedschaft ausschließlich zwischen der Allianz und der Ukraine entschieden werden würden.
POSITIVE SIGNALE FÜR DEUTSCH-UKRAINISCHE BEZIEHUNGEN
Insgesamt sendete der kurze Besuch positive Signale für die deutsch-ukrainischen Beziehungen. Die Bundeskanzlerin konnte durch ihre klare und geradlinige Art beeindrucken. Ihre Kernaussagen wurden unmissverständlich wahrgenommen. Das harte Konstatieren der politischen Positionen und die Botschaft, dass eine Verbesserung der Perspektiven ausschließlich von Reformwillen und Handeln der ukrainischen politischen Führung selbst abhänge, sind letztlich hilfreicher als allgemeine Phrasen der Unterstützung und Befürwortung.
Es bleibt zu hoffen, dass der Besuch einen Anstoß für eine neue Belebung eines intensiven politischen Dialogs zwischen Deutschland und der Ukraine geben konnte. Ein gewisses Missverhältnis zwischen den entwickelten Wirtschafts- und Energiebeziehungen und den Kontakten auf der politischen Ebene ist zwischen Deutschland und der Ukraine deutlich zu spüren.
Premierministerin Julija Tymoschenko unterstrich in ihrem Gespräch mit der Bundeskanzlerin, dass Deutschland aus ihrer Sicht in vielen Bereichen die „Nummer eins“ sei und damit ein sehr wichtiges Vorbild. Das bedeutet auch, dass Deutschland durch echte Partnerschaft und enge Kooperation einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklungen in der Ukraine ausüben könnte. Diese Möglichkeiten sollten genutzt werden.
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