Hintergrund
Global Gateway ist eine 2021 von der Europäischen Kommission lancierte Initiative zur Förderung globaler Infrastrukturprojekte. Die Ausgabe gezielter Garantien, Kredite und Zuschüsse soll private Investitionen hebeln und somit nachhaltige Infrastrukturvorhaben, die im gemeinsamen Interesse der EU und der Partnerländer sind, ermöglichen. Global Gateway baut dabei auf eine Unterstützung und Teilhabe von Projekten durch EU-Mitgliedstaaten („Team Europe-Ansatz“). Ziel war die Mobilisierung von insgesamt 300 Milliarden Euro an Investition bis 2027.In den ersten Jahren bezeichneten viele Beobachter den Start der Initiative als durchwachsen. Die häufigsten Kritikpunkte: fehlende Sichtbarkeit in den Partnerländern, Unklarheit über Ausrichtung der Initiative selbst bei EU-Vertretern, häufiges Rebranding bereits bestehender Projekte, fehlender Einbezug des Privatsektors und mangelnde Komplementarität mit Prioritäten des Partnerlandes.[1]
Zwei Jahre nach dem ersten Global Gateway Forum[2] wollte die EU beim zweiten Gipfel am 9./10. Oktober abermals – in Anwesenheit hochrangiger Teilnehmer aus allen Kontinenten – öffentlichkeitswirksam für „Global Gateway“ werben und konkrete Abschlüsse von Projekten verkünden. Der Gipfel fand sowohl vor dem Hintergrund der komplexen geopolitischen Weltlage als auch der Wettbewerbsfähigkeitsagenda der im Dezember ins Amt gekommenen Europäischen Kommission statt. Hinzu kommt, dass die Europäische Kommission in diesem Sommer einen ersten Vorschlag für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (2028-2034) der Europäischen Union präsentierte, in dem auch die Finanzierung der Europäischen Außenpolitik neu aufgestellt wird. Dort soll Global Gateway eine zentrale Rolle einnehmen.
Bereits zu Beginn des Gipfels verkündete die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dass das beim Start 2021 ausgegebene Ziel, bis 2027 300 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen zu mobilisieren, bereits um jetzt um 6 Milliarden Euro übertroffen wurde. Gleichzeitig verkündete sie das neue Ziel 400 Milliarden Euro bis 2027 zu mobilisieren.
Hochrangiges Teilnehmerfeld
Insgesamt nahmen 12 Staats- beziehungsweise Regierungschefs, etwa 70 Minister, sechs EU-Kommissare, darunter auch Kommissionspräsidentin von der Leyen sowie etwa 150 Vertretern aus der Privatwirtschaft sowie insgesamt etwa 1000 Teilnehmer aus den Europäischen Institutionen, Partnerländern und internationalen Organisationen am Forum teil. Verglichen mit dem ersten Global Gateway Forum waren insgesamt weniger Staats- und Regierungschefs aber mehr Minister präsent. Von den EU-Staats- und Regierungschefs war lediglich der luxemburgische Premier Luc Frieden vor Ort, viele EU-Staaten (so auch Deutschland) waren auf Staatssekretärs-Ebene vertreten. Viele hochrangige Teilnehmer kamen aus Subsahara-Afrika und Lateinamerika, Asien war hingegen im Vergleich zum ersten Global Gateway Forum eher wenig vertreten. Unter den Teilnehmern waren unter anderem João Manuel Gonçalves Lourenço, Vorsitzender der Afrikanischen Union und Präsident Angolas, Cyril Ramaphosa, Präsident Südafrikas, der aktuell auch den Vorsitz der G20 innehat und Gustavo Francisco Petro Urrego, amtierender Präsident der CELAC-Präsidentschaft und Präsident Kolumbiens. Hochranging waren auch die Vereinten Nationen, die Weltbank, die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vertreten.
Bemerkenswert war die gleichzeitige Teilnahme des kongolesischen Präsidenten Felix Tshisekedi und des wegen der Rolle seines Landes im Konflikt im östlichen Kongo in der Kritik stehenden ruandischen Präsidenten Paul Kagame: Tshisekedi, nutzte einen Teil seiner Rede um einen Friedensapell an Kagame zu richten – eine Initiative, die im Nachgang des Forums bislang nicht erwidert wurde.
Mehreren in Brüssel ansässigen Botschaftern von Partnerländern, die keine Delegation aus ihrer Hauptstadt zum Global Gateway Forum schickten, wurde hingegen die Teilnahme verweigert, was für erhebliche Irritationen sorgte.
Kernbotschaften der EU
In ihrer stark auf Geoökonomie und Wettbewerbsfähigkeit ausgerichteten Eröffnungsrede, hob Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die enormen Veränderungen der weltpolitischen Lage seit dem Start der Global Gateway Initiative hervor. Exportkontrollen und gegenseitige Zölle seien Werkzeuge „transaktionaler Weltpolitik“, Abhängigkeiten würden als Waffe eingesetzt. In diesem Zusammenhang betonte sie die Notwendigkeit für die EU, Partnerschaften zu stärken, Lieferketten zu diversifizieren, Europas Autonomie in strategischen Bereichen zu erhöhen und die Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor zu stärken. Beim Forum gehe es vor allem darum, den internationalen Partnern und dem Privatsektor zuzuhören. Zum stärkeren Einbezug des Privatsektors kündigte sie den Start des „Global Gateway Investment Hubs“ an.[3]
Während von der Leyen vor allem den inklusiven Charakter der Initiative betonte, setzte die Hohe Beauftragte der Union für Außen und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas in ihrer Rede einen stärker geopolitischen Akzent: Global Gateway könne die Resilienz der EU und ihrer Partnerländer verbessern. Sie betonte den Wertebezug der Initiative und sprach sich auch für eine Konzentration der Projekte auf die Staaten, die “an unsere Werte glauben und die Ideale teilen” aus. Global Gateway sei zudem “kein Instrument, um die Unternehmen und Geschäftsinteressen unserer Wettbewerber zu fördern”[4] – ein Hinweis darauf, dass Global Gateway- Projekte sich auf Bereiche fokussieren sollten, in denen europäische Unternehmen auch wettbewerbsfähig sind.
In seinem Schlusswort betonte der Kommissar für Internationale Partnerschaften, Jozef Síkela, dass die EU nicht einseitig vorteilhafte Deals schließen, sondern sich vielmehr langfristige Partnerschaften, die allen Parteien nachhaltig nutzen, fokussieren wolle. Síkela setzt sich seit seinem Amtsantritt für eine verstärkte Einbindung des Privatsektors in die Initiative ein: Beim Gipfel betonte er aber auch die Verantwortung der Unternehmen: Diese könnten nicht Gewinne einstreichen, dann aber Kosten durch staatliche Unterstützung auffangen lassen wollen. Vielmehr bedürfe es einer gerechten Verteilung des Risikos. Weiterhin verwies er auf die Bedeutung von Transparenz: zwar führe diese teilweise zu mehr Bürokratie, die EU als demokratischer Akteur, müsse seinen Bürgern allerdings auch Rechenschaft ablegen.
Erwartungen von Partnerländern und Privatsektor
Der südafrikanische Präsident Ramaphosa fasst die Erwartungen auf höhere europäische Investitionen prägnant zusammen: er könne beim Betreten des Saals „das Geld riechen“. In ihren Redebeiträgen verwiesen mehrere Staats- und Regierungschefs darauf, dass ihre Länder sich nicht als Lieferanten von Grund- oder Rohstoffen, sondern als echte Partner der EU auf Augenhöhe mit eigenen Prioritäten, politischen Zielen und Vorstellungen verstanden werden wollen. Auf die Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit und insbesondere der Produktion von Impfstoffen in Afrika wurde mehrfach als Positivbeispiel verwiesen. Auch betonten sie, dass sie keine neuen Abhängigkeiten aufbauen möchten, sondern vielmehr beabsichtigen, durch digitale Vernetzung und klassische Infrastruktur die lokale Wirtschaft und allen voran Industrie zu stärken. Ramaphosa verwies zudem auf die nicht nachhaltige Schuldenlast, die einige Staaten an stärkerem Wachstum hindern. Andere internationale Vertreter verwiesen auf das Fehlen europäischer Einigkeit in außenpolitischen Fragen (gerade zu Israel und den Palästinensischen Gebieten). Paul Kagame kritisierte, dass Partnerschaften nicht bedeuten könnten, dass eine Seite die Regeln vorgebe und die andere diesen folge.
Insgesamt wurde die enorme Vielfalt der Erwartungen an die Initiative deutlich. Einige betonten vor allem digitale Konnektivität, für andere sind Investitionen in klassische physische Infrastruktur wie Häfen und Straßen nach wie vor bedeutend, um ihre eigene industrielle Basis zu stärken. Der Fokus lag i auf der Stärkung grenzüberschreitender Handelskorridore, die die regionale Integration stärken und den Zugang zum Weltmarkt vereinfachen sollen. Mehrere Beiträge forderten zudem einen stärkeren Technologietransfer.
Im Zusammenhang mit Global Gateway wurde mehrfach darauf verwiesen, dass die Prozesse oftmals langwierig und die Abstimmung und der Dialog mit der EU und im Speziellen der Kommission schwerfällig seien. Auch wurde die Benennung sogenannter „Leuchtturmprojekte“ sowie die generelle Kommunikation von Global Gateway als undurchsichtig und wenig koordiniert kritisiert.
Unternehmensvertreter forderten insbesondere eine größere Einbindung und vereinfachte Prozesse. Bislang existierte unter anderem keine strukturelle Möglichkeit für die privatwirtschaftlichen Akteure eigeninitiativ Projekte vorzustellen, weshalb mit einiger Spannung auf die Vorstellung des „Global Gateway Investment Hubs“ geblickt wurde. Zudem wurde eine Entschlackung der oftmals langfristigen Prozesse und ein größerer strategischer Fokus auf Projekte gefordert, die den Stärken europäischer Unternehmen entsprechen. Ein weiteres geäußertes Anliegen ist neben der Erschließung neuer Märkte auch der Zugang zu seltenen Erden und anderen Rohstoffen.
Konkrete Abschlüsse neuer Projekte und Ankündigungen
Der bereits genannte „Global Gateway Investment Hub“ soll für privatwirtschaftlichen Akteure einen zentralen Anlaufpunkt für Investitionsvorschläge bieten, an dem diese sich dann um Unterstützung durch die Europäische Union, von Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen, Exportkreditagenturen und nationalen Regierungen bewerben können. Die geförderten Projekte sollten mindestens 10 Millionen Euro umfassen und mit einem „bedeutenden Eigenbeitrag“ untermauert sein. Hinzu kommt: die Investitionsvorschläge müssen an sogenannte „Team Nationals“ und nicht direkt die Europäische Kommission gerichtet werden, um zu garantieren, dass die Projekte mit den nationalen und den EU-Prioritäten übereinstimmen und eine bestmögliche Förderung und Unterstützung des Projekts zu ermöglichen. Kommissar Síkela merkte selbstkritisch an, dass ihm bewusst sei, dass der Hub nicht perfekt sei, für ihn stelle die Implementierung allerdings einen ersten wichtigen Schritt dar. [5]
Das größte am Rande des Gipfels vorgestellte Investitionspaket in Höhe von 12 Milliarden Euro wurde mit Südafrika vereinbart. Es umfasst mehrere Projekte, die unter dem Oberbegriff „integrativen Wohlstand“ gelistet werden und in den Bereichen grüner Wasserstoff, kritische Rohstoffe, erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Konnektivität, Impfstoffproduktion sowie die Aus- und Weiterbildung entsprechender Fachkräfte zu verorten sind. Auch wurden mehrere zusätzliche Investitionen in den Lobito-Korridor, eine Transportroute, die Angola, Sambia und die DR Kongo verbindet, angekündigt. Neben Investitionsgarantien wurden auch knapp über 100 Millionen Euro an direkten Förderungen für die drei Staaten bekanntgegeben. Hinzu kommt die Ankündigung, diverse Energiewende-Projekte in Afrika (Togo, Mauretanien, DR Kongo, Uganda, Kenia, Kap Verde, Sambia, Tansania und Nigeria) mit Investitionen von insgesamt 618 Millionen EUR zu fördern. Zudem wird die EU die lokale Produktion von Impfstoffen, Medikamenten und Gesundheitstechnologie in Afrika mit neuen Mitteln in Höhe von über 50 Millionen Euro stärken.
Die EU kündigte weiterhin an, die Strommarktintegration zwischen lateinamerikanischen und karibischen Staaten (LAC) zu unterstützen. Hierfür wird die EU neben technischer Hilfe auch die insgesamt 24 Projekte in der Region fördern. Mit dem gleichen Staatenverbund ist auch ein bi-regionales Supercomputer-Netzwerk geplant.
Vorgesehen ist auch die Unterstützung für den Ausbau eines ASEAN-Stromverbundes und die digitale Transformation im Rahmen des Korridors Indien-Mittlerer Osten-Europa (IMEC).
Weitere Projekte umfassen die Unterstützung der EU und anderer europäischer Akteure für Wasserkraftprojekte in Vietnam und Zentralasien, des Grünen Korridors Kivu–Kinshasa und diverse andere Projekte im DR Kongo, für die Flüchtlingsversorgung- und -arbeit in Ruanda und für nachhaltigen Kakaoanbau in West-Afrika.
Die Kommissarin für den Mittelmeerraum, Dubravka Šuica, sprach sich für eine strategische Erweiterung des Medusa-Unterwasserkabelsystems[6] in den Mittleren Osten aus. Die EU und europäische Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen schlossen zudem drei neue Garantievereinbarungen in Höhe von 742 Millionen Euro ab, um die nachhaltige Entwicklung in Partnerstaaten zu fördern[7]. Mit der Weltbankgruppe wurde eine Vertiefung der strategischen Partnerschaft, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur und Jobs bekanntgegeben.
Analyse & Kommentar
Die Europäische Kommission war sichtlich bemüht, die aus vielfachen Gründen bislang etwas holprig anlaufende Global Gateway-Initiative bereits jetzt als Erfolg zu präsentieren. Das vorzeitige Erreichen der 300-Milliarden-Marke ist in der Tat bemerkenswert, allerdings sind mehrere Projekte gerade zu Beginn durch «Umetikettierung» zu Global Gateway-Vorhaben geworden. Die Diskussionsbeiträge sowohl der EU-Vertreter wie der Partnerländer lassen durchblicken, dass man sich der bisherigen Schwächen und Defizite durchaus bewusst ist: Es bedarf eines stärkeren Fokus auf die Prioritäten von Partnerländern aber auch eine bessere Einbindung des europäischen Privatsektors. Entscheidend wird nun sein, dass sich das auch in der Praxis verstetigt und europäische Unternehmen auch bei Ihren Tätigkeiten in den Partnerländern auf entsprechende Flankierung durch ihre Mitgliedstaaten und die EU zählen können. Die bereits vor dem Global Gateway Forum bekundete Absicht, künftig bei der Ausschreibung von Projekten besser die Stärken und Schwächen des europäischen Privatsektors zu berücksichtigen, ist löblich. Die Idee des Global Gateway Investment Hubs ist grundsätzlich ein positiver Schritt, wobei dessen Umsetzung noch abzuwarten ist: Da Investitionsvorschläge erst einmal durch die nationale Ebene vorgefiltert werden sollen, wird es einer guten Abstimmung zwischen nationaler und EU-Ebene bedürfen. Die gesamte Initiative muss auch für kleine und mittlere Unternehmen zugänglicher werden. Verbesserungspotential gibt es auch in der Koordination mit den Partnerländern bei der Auswahl der Projekte – und der Sicherstellung, dass diese auch den angekündigten hohen Schutz- und Nachhaltigkeitsstandards entsprechen. Die erste Bilanz über die (angekündigten) Verbesserungen werden Teilnehmer beim dritten Global Gateway Forum 2026 ziehen können.
Die Initiative bleibt eine Priorität der Kommissionspräsidentin für die EU-Außenpolitik, die EU-Spitze war entsprechend hochranging vertreten. Das Teilnehmerfeld der EU-Mitgliedstaaten war mit lediglich einem Staats- und Regierungschef hingegen ausbaufähig. Verbesserungsfähig bleibt auch die Sichtbarkeit des Forums wie auch der Initiative an sich nach außen. Trotz der zufriedenstellenden Präsenz von Regierungschefs und Ministern aus Drittstaaten war die Wahrnehmung außerhalb Brüssels vergleichsweise begrenzt. Die Entscheidung, Botschaftern von Drittländern, aus denen keine eigene Delegation angereist war, die Teilnahme am Forum zu verwehren, ist unverständlich und widerspricht dem inklusiven Narrativ von Global Gateway.
[1] Siehe auch: Zsuzsa Anna Ferenczy: Less paperwork, greater presence. Why Global Gateway disappoints on the ground, KAS (2025): https://www.kas.de/en/web/mned-bruessel/single-title/-/content/less-paperwork-greater-presence-why-global-gateway-disappoints-on-the-ground
[2] Eine Analyse des letzten Global Gateway Forums ist hier abrufbar.
[3] Keynote speech by the President at the Global Gateway Forum
[4] Global Gateway Forum: Speech by High Representative / Vice-President Kaja Kallas | EEAS
[6] Mehr Informationen zum Projekt sind hier zu finden.
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