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Die Ära Kohl im Gespräch: Innenpolitische Reformimpulse in den 1990er Jahren

od Dr. Christopher Beckmann
Waren die 1990er Jahre eine Phase des Reformstaus oder eine Epoche wichtiger innenpolitischer Weichenstellungen? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Archiv für Christlich-Demokratische Politik in der diesjährigen, außerordentlich gut besuchten Veranstaltung der Reihe „Die Ära Kohl im Gespräch“ am 1. Oktober 2009.

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Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Bernhard Vogel, wies in seiner Begrüßung aus aktuellem Anlass darauf hin, dass einer der von Helmut Kohl ausgegangenen personellen „Reformimpulse“ zweifellos die Berufung von Angela Merkel in das Bundeskabinett gewesen sei, womit deren politischer Weg in der Bundesrepublik begonnen und sie schließlich ins Kanzleramt geführt habe.

Anschließend skizzierte der Leiter der gastgebenden KAS-Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste, Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters, die wichtigsten Herausforderungen der 1990er Jahre: Die Vollendung und Gestaltung der Einheit, der Ausbau der europäischen Zusammenarbeit und die Bewältigung der Globalisierung sowie der Auswirkungen der technologischen Revolution im digitalen Zeitalter. Die damit einhergehenden Veränderungen hätten zu einem verbreiteten Gefühl der Unsicherheit, der sich langsamer als erhofft vollziehende Aufbau Ost zudem zu Enttäuschungen geführt. Heute werde daher die zweite Phase der Ära Kohl häufig als eine Zeit des Reformstaus gedeutet, so Küsters. Diese Interpretation könne man jedoch mit guten Gründen in Zweifel ziehen. Damit gab der Historiker seinen Gästen die Leitfragen des Nachmittags vor: Welche Reformimpulse gab es, wie haben sie gewirkt und an welche Grenzen sind sie gestoßen?

Aus der Perspektive des Zeithistorikers näherte sich Prof. Dr. Hans-Peter Schwarz dem Thema „Reformimpulse der 1990er Jahre“. Er konstatierte, dass in einer Welt des sich ständig beschleunigenden Wandels ein nahezu permanenter Reformbedarf bestehe. Er unterschied drei Typen von Reformen: die komplette Umgestaltung des Gesamtsystems, die fundamentale Neugestaltung von Teilsystemen sowie die periodische Anpassung von Teilsystemen an veränderte Bedingungen. Alle drei Reformtypen ließen sich in der zweiten Hälfte der Ära Kohl beobachten. Neben Anpassungen im Bereich der Gesundheits- und der Sozialversicherungspolitik – etwa der Einführung der Pflegeversicherung und des demografischen Faktors in der Rentenversicherung – habe es mit der Post- und der Bahnreform zwei typische Beispiele von durchgreifenden Teilreformen gegeben. Unzweifelhaft als „Fundamentalreformen“ charakterisiert werden müssten die tiefgreifende Umgestaltung der jungen Länder im Rahmen des „Aufbau Ost“ und die von Helmut Kohl maßgeblich vorangetriebenen Maßnahmen in der Europapolitik, die zur Einfügung der Bundesrepublik in ein festes europäisches Mehrebenensystem und zu einer Europäisierung des wirtschaftlichen und politischen Systems geführt hätten. Beide Prozesse seien in ihrer Bedeutung von der historischen Forschung noch nicht annähernd ausgelotet. Helmut Kohl sei daher zum einen der Kanzler des Übergangs von der alten zur neuen Bundesrepublik, zum anderen der maßgebliche Gestalter des europäischen Prozesses, der ohne ihn so nicht stattgefunden hätte.

Den zweiten Teil der Veranstaltung bildete eine Zeitzeugenrunde, in der unter der Moderation von Prof. Küsters die früheren Bundesminister Friedrich Bohl und Rudolf Scharping (SPD) sowie Prof. Vogel miteinander diskutierten. Bohl, in den 1990er Jahren Chef des Bundeskanzleramtes, nannte als wichtige politische Maßnahmen jener Zeit die Regelung der finanziellen Ausstattung der jungen Länder im Solidarpakt I, das Bonn-Berlin-Gesetz und die Gestaltung der Europapolitik, wobei er besonders die politische Dimension des Prozesses unterstrich. Sein Fazit war, dass es nach der Erlangung der deutschen Einheit zahlreiche innenpolitische Reformen gegeben habe, die aber oftmals nicht ausreichend plausibel gemacht und adäquat kommuniziert worden seien.

Der damalige Oppositionsführer und SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping gab aus seiner Sicht aufschlussreiche Einblicke in die Aushandlungsprozesse bei der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs, bei der Bahn- und Postreform oder der letztlich gescheiterten großen Steuerreform. Er hob die Fähigkeit Helmut Kohls hervor, bei allen Problemen im Detail eine tragfähige Generallinie zu finden. Die feste Verankerung des vereinten Deutschland im transatlantischen Bündnis sei eine „herausragende Leistung“ gewesen.

In seiner Eigenschaft als damaliger Ministerpräsident von Thüringen legte Prof. Bernhard Vogel besonderes Gewicht auf die Frage, warum seinerzeit nicht noch weitere, unzweifelhaft wünschenswerte Reformschritte erfolgt seien. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Rolle des SPD-dominierten Bundesrates als Brems- und Blockadeinstrument. Zudem sei die Reformkraft durch die Schwierigkeiten und Probleme des Einigungsprozesses begrenzt worden und schließlich – oft übersehen – der finanzielle Spielraum auch durch die Leistungen für den Abzug der noch bis Mitte 1994 in Deutschland stehenden sowjetischen Truppen eingeschränkt gewesen.

Ein bemerkenswertes Fazit mit Blick auf das Tagungsthema zog bei der abschließenden Diskussion der SPD-Politiker Rudolf Scharping: „Als Oppositionsführer in Rheinland-Pfalz hätte ich es mir nicht im Traum einfallen lassen, dass ich einmal Helmut Kohl loben würde.“

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