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Israelorientierung und jüdische Identität in Deutschland

od Dr. Hanna Rheinz

Identitätsbrüche vs. Idealisierung oder (Über)lebensvision?

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Ausgangspunkt

Warum ich weder hier noch dort am sicheren Ort, auf der sicheren Seite bin.

40 Jahre die Frage: soll ich oder soll ich nicht?

Mit der Möglichkeit jederzeit ganz woanders leben zu können - frei zu sein, Aliya zu machen - oder als Alternative - im Land der Mörder bleiben - sich jedoch immer wieder zu fragen, warum eigentlich nicht endlich Aliya?

Eine Zerreißprobe, vor allem angesichts des Anstiegs antisemitischer Angriffe, angesichts fehlender jüdischer Infrastruktur, die es schwer machen als Jüdin in diesem Land zu leben.

In den 70ziger Jahren, damals machte ich gerade mein Abitur in Frankfurt, traten zwei Autoren an die Öffentlichkeit, die die Lebensbefindlichkeit meiner Generation in Worte fassten:

Dies ist nicht mein Land – zu dieser Auffassung kamen unisono die Lehrerin Lea Fleischmann und der Journalist Henryk Broder. Beide wollten mit diesem „J` accuse“ auf den Lippen, dem Land ein für allemal den Rücken zukehren. Doch obwohl die Tür dramatisch zugeschlagen wurden, erwies sich dieses `ein für allemal` - als zeitlich nur sehr begrenzte Aktion.

Damals fragte ich mich, wie seither unzählige Male - ob die Aliya nicht auch für mich eine gute, eine bessere Lebensperspektive wäre.

Dumm nur, dass ausgerechnet in dieser Zeit bereits einige meiner damaligen Freunde und Bekannte wieder aus Israel zurückkehrten - und zwar in höchstem Maße enttäuscht und mit der Erkenntnis, als deutscher Jude nicht in diesem mehr und mehr sich orientalisierenden Land leben zu können. Seit dieser Zeit habe ich unzählige Male beobachtet wie jüdische Menschen, ganze Familien, ihre Koffer packten, um Aliya zu machen - Menschen, die alle Brücken, oft in Verbitterung, hinter sich abbrachen, um doch nach einigen Jahren mitsamt der Familie wieder zurück zu kehren, um sich wieder irgendwie mit diesem Land zu arrangieren - und den reduzierten Lebensmöglichkeiten, die man als Jude und Jüdin hier hat.

Was von all diesen Exkursionen jedoch blieb - und dies spiegelt sich auch im öffentlichen jüdischen Leben dieses Landes wieder - ist der sehr engagierte Blick nach Israel als Garant der eigenen jüdischen Identität in Deutschland.

Just diese Denk -und Lebensstrategie ist freilich Anfang der 90 ziger Jahre durch die Zulassung von jüdisch stämmigen Kontingentflüchtlingen nach Deutschland hinterfragt worden; erstmals ist hier das Undenkbare zum Programm erhoben worden - jüdisches Leben mittels jüdischer Neueinwanderer (oft salopp als „frisches Blut“ bezeichnet) in Deutschland wiederbeleben zu wollen!

In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der jüdischen Menschen in diesem Land zwar verdoppelt, doch die jüdische Identität ist brüchiger denn je. Zahlreiche Fliehkräfte scheinen die jüdische Lebensbefindlichkeit in alle möglichen Richtungen auseinander zu treiben.

Jüdische Selbstbestimmungen

Aus dem reichen Fundus jüdischer Selbstbeschreibungen möchte ich Ihnen einige vorstellen:

Wie selbstverständlich jüdische Identität in Deutschland einst erfahren worden war, so selbstverständlich, dass sie sich als regionale Identität präsentierte, bringt Nahum Goldmann zum Ausdruck:

„Es will merr net in mein Kopp enei:

wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!“

Starke jüdische Bindungen gingen hier noch Hand in Hand mit regionaler Identifizierung, und Heimatgefühl als Frankfurter Judd.

Judentum als Teil der deutschen Kultur verstanden, mag zwar ein nie erreichtes Ideal gewesen sein, gleichwohl hat diese Verbindung den Zeitgeist des 18. und 19. Jahrhunderts wiedergespiegelt.

Der Kulturhistoriker Peter Gay schreibt dazu:

„Das Deutschtum der gebildeten Juden in jenen Dekaden war kein Versuch der Tarnung, keine ängstliche Selbstverleugnung, sondern ein Gefühl der Teilhabe an einer Kultur, die Humanisten und Kosmopoliten wie Kant, Schiller und Goethe hervorgebracht hatte. Um 1880 konnten die deutschen Juden auf ein Jahrhundert der Emanzipation zurückblicken;“

Die Verbindung von jüdischer Selbstfindung und Antisemitismus ist oft beschrieben worden, und zwar lange bevor eine ursächliche Verbindung zwischen dem Naziregime und der Gründung des Staates Israel hergestellt worden ist.

Der getaufte Jude Emil Ludwig Cohen beispielsweise trat aus Protest wegen der Ermordung Walther Rathenaus im Jahre 1922 wieder aus der Kirche aus:

Sein Kommentar: „Meiner Rasse fühle ich mich stärker verbunden, seit sie in meinem Vaterlande aufs neue verfolgt wird.“

Dabei war Walther Rathenau nicht nur ein Beispiel für jüdische Teilnahme am deutschen Kulturleben, sondern er stellte, hier zitiere ich Georg Mosse „ein aktives Judentum dar, wie es sich durch ein von Gelehrsamkeit, Bildung und Freundschaft erfülltes Leben ausdrückte.“

In der von Martin Buber herausgegeben Zeitschrift „Der Jude“ beschrieb Martin Buber 1925 die Rolle der Juden für die Einheit Europas nicht nur mit dem Vergleich sie seien „das Salz der Erde“ sondern er fügt hinzu, sie seien der „Pfeffer Europas“.

Temperament, Streitlust, Kritikfreude und Engagement - so beschrieb Buber jüdischen Beitrag zum Ideal des Humanismus.

Dessen ungeachtet stand hier – im Zeichen der Aufklärung – die ethnische und religiöse Identität im Hintergrund. Der Anspruch jedoch wollte sich an den Idealen des Humanismus messen und forderte, die vorgestellte und idealisierte Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen, ganz im Sinne des Diktums: „Das Jüdische verstärkte das Menschliche.“

Hannah Arendt hingegen weist darauf hin, dass die hier anklingende Integration eines jüdischen und deutschen Selbstverständnisses immer nur auf eine Elite der Prominenten und Reichen beschränkt gewesen sei (ein Argument, daß auch bezogen auf die heutige Gesellschaft Zeit diskutiert werden kann):

„Die internationale Gesellschaft der Erfolgreichen war die einzige, in denen Juden gleichberechtigt waren.“

Der Antisemitismus hat - nach dieser kulturkritischen Einschätzung - eine „jüdische Kultur“ erst erfunden.

Anders hingegen Sigmund Freud: Er identifiziert sein Judentum mit der Fähigkeit in die Opposition gehen zu können:

„Weil ich Jude war, fand ich mich frei von vielen Vorurteilen, die andere im Gebrauch des Intellekts beschränken, als Jude war ich dafür vorbereitet, in die Opposition zu gehen und auf das Einvernehmen mit der „kompakten Majorität“ zu verzichten.“

Jüdische Teilhabe – ein Zukunftsprojekt

Der Versuch, sich den Respekt der Deutschen zu erkaufen, durch Anpassung, Taufe, Assimilation ist wie wir heute wissen gescheitert.

Doch weiterhin gilt: Die Teilnahme am deutschen Leben kann auch heute als Gradmesser der gelungenen oder gescheiterten Integration jüdischer Menschen in Deutschland gelten. Sie ist Kennzeichen einer deutsch jüdischen Identität oder jüdischen Identität in Deutschland.

Doch wie ist es damit heute bestellt?

Kann eine Teilnahme jüdischer Menschen am deutschen Kultur- und Alltagsleben festgestellt werden?

Wohl kaum.

Es gab in den letzten Jahren zwar eine Vielzahl von Veröffentlichungen aus jüdischer Feder, es gab Filme und Kulturpreise, doch wer Inhalte und Zielgruppen analysiert, erkennt rasch, dass der Radius dieser Produktionen sich kaum aus dem Bereich der sozialen Gefälligkeiten heraus bewegt.

Es ist ein artifizielles Judentum der Bühnen und Podiumsveranstaltungen entstanden, dessen Authentizität im Übermaß der Weichzeichner kaum mehr zu erkennen ist.

Eine Ephraim Kishonisierung sozusagen.

Charmant und amüsant, doch ohne auch nur im entferntesten den Alltag der realen jüdischen Menschen zu berühren.

Selbststilisierungen, ein betuliches „Wir sind auch nur Menschen“, ein Übermaß an pädagogischem Kalkül – aus der Teilhabe wird eine forcierte Inszenierung.

Außer einer Handvoll Prominenter, die sich als professionelle jüdische Sprecher bei offiziellen Anlässen in relativ vorhersehbarer Weise mit relativ berechenbaren Inhalten zu Wort melden, kann eine jüdische Teilnahme kaum beobachtet werden.

Gibt es etwa jüdische Stimmen im Nationalen Ethikrat, jüdische VertreterInnen in Beiräten und Gremien oder im offiziellen deutschen Natur- und Tierschutz? Nein, und wenn, dann allenfalls als politische Höflichkeitsgeste und im Sinne einer Ausnahmeregelung für einen bereits ausgewiesenen professionellen jüdischen Sprecher.

Dies liegt nicht nur an der geringen Zahl einschlägig qualifizierter jüdischer Menschen. Es gibt sie, doch sie fallen durch das Raster der Rekrutierung. Von nichtjüdischer Seite her bestehen massive Berührungsängste, die allenfalls durch offizielle Absegnungen zu lindern wären; dies jedoch ist eine Sackgasse, denn von Seiten jüdischer Verbände und den hier wirkenden EntscheidungsträgerInnen her ist kaum Interesse erkennbar, eine in die Breite gehende Förderung und Präsenz jüdischen Wissens in der deutschen Öffentlichkeit möglich zu machen.

Der Hintergrund?

Die latente jüdische Angst vor der deutschen Abwehrhaltung, vor einer Provokation des antisemitischen Potentials, vor einem peinlichen Auftritt eines Glaubensgenossen ist zu groß.

Die Teilnahme ist allerdings auch begrenzt durch die Konzentration der Ressourcen, die - von der Neugründung jüdischer Gemeinden einmal abgesehen – vorwiegend dem Aufbau diverser Projekte in Israel gewidmet sind.

Die Israelorientierung bietet hier eine elegante Lösung, um sich mit den im Hier und Jetzt angetroffenen Probleme der realen jüdischen Menschen nicht auseinander zu setzen.

Die Aktivitäten der jüdischen Repräsentanz lassen diesen Spagat zwischen deutscher Realität und vorgestellter Teilhabe am Leben in Israel erkennen. Dessen ungeachtet bemühen sich die jüdischen Repräsentantinnen den Blick auf Deutschland - zumindest auf die mediale Öffentlichkeit - nicht ganz zu verlieren.

Anders die zionistischen Organisationen. Eine Förderung jüdischer Aktivitäten in Deutschland ist nicht vorgesehen, bzw. sie werden als Unterstützung israelischer Projekte definiert.

(K) eine Heimstatt der Juden und Jüdinnen?

Was macht eigentlich das spezifisch Jüdische, Deutsch-Jüdische an dieser Identität aus? Wie wirken sich die hier beschriebenen Fliehkräfte auf die Befindlichkeit jüdischer Menschen in Deutschland aus? Beispielsweise der Einfluß der Kultur- und Sprachenvielfalt, der durch die Zuwanderer aus Osteuropa nochmals erhöht wurde? Oder die Kluft zwischen der säkulären Definition der jüdischen Identität als jüdische K u l t u r - und der nationalen und religiösen Bestimmung der jüdischen Identität?

Kann heute - in den Zeiten der großen Migrationen, in den Zeiten einer sich auf eine Weltkultur hin bündelnden Kraft wie sie in der sogenannten Globalisierung beschrieben wird - überhaupt eine auf ethnischen und religiösen Grundlagen errichtete Identität eine Zukunft haben?

Ist es heute überhaupt noch möglich sich als ethnische und religiöse, ja als Schicksalsgemeinschaft zu definieren? Oder sollte davon Abstand genommen werden? Ist es nicht wesentlich unverfänglicher sich als Weltbürger, als Weltbürgerin zu begreifen? Oder als jüdischer Europäer? Und da es ja noch nicht einmal eine europäische Identität gibt, - die gescheiterte Verfassung hat dies gezeigt -, ist es da nicht überaus vermessen, gerade von der jüdischen Gemeinschaft hier eine Vorreiterrolle zu erwarten?

All diese Fragen berühren nicht nur die historische, sondern auch die sozialpsychologischen Dimensionen der Identität.

Als Grundlage des Lebensalltags beantwortet sie die Frage, woher wir kommen, wohin wir gehen wollen, wie wir leben, feiern, trauern, Geselligkeit erfahren, welchen Dialekt wir sprechen, bei welchen Witzen wir lachen, welche Witze wir überhaupt verstehen.

In mancher Hinsicht erscheint der jüdische Esprit außerhalb Israels in einer miserablen Verfassung.

Nicht nur, daß er noch keine wirkliche neue Sprache gefunden hat, überdies ist er auch belastet vom Zwang gefallen zu müssen.

Hier wird der Spagat deutlich zwischen der Leidensgeschichte des jüdischen Volkes, der Gleichgültigkeit und Abwehr der Mehrheitsgesellschaft, der aus der eigenen Opferposition erwachsenden Wächter- und Mahnerfunktion in diesem historischen Minengebiet und dem von jedem jüdischen Menschen persönlich zu leistenden Versuch, die negative Prägung jüdischen Lebens in Deutschland wenigstens partiell aufzuheben.

Welche Spannungen und Unvereinbarkeiten sich hier ergeben, kann am Begriff „Heimat“ gezeigt werden:

Seit dem Holocaust ist Heimat - nicht nur unter den in Deutschland lebenden jüdischen Menschen - ein eher verpönter Begriff. Als der Politikwissenschaftler Michael Wolffsohn sich als deutsch-jüdischer Patriot bezeichnete und somit aktiv Bezug nahm auf die patriotischen jüdischen Veteranen des 1. Weltkrieges - erntete er Unverständnis und Kritik.

Doch „Heimat“ - ein Begriff, der in einer Welt der globalisierten Massenkultur exotisch, ja auch befremdlich wirken mag, war vor der Schoa unter jüdischen Deutschen selbstverständlich.

Dass jüdische Deutsche sich ganz selbstverständlich der jeweiligen Region heimatlich verbunden fühlten, hat nicht nur Nahum Goldmann betont - hier für die Zeit vor dem Holocaust, sondern der Heimatbegriff wurde auch in jüngster Zeit des öfteren bemüht, um jüdische Befindlichkeiten zu beschreiben.

Unvergessen Ignatz Bubis s.A.. Er erklärte sich gegenüber innerhalb seines Wohnorts, der Stadt Frankfurt, als beheimatet.

Charlotte Knobloch äußerte sich kürzlich ähnlich. Als sie zur Ehrenbürgerin der Stadt München ernannt wurde, betonte sie, nun sei sie endlich wieder in der Heimat angekommen.

Mißverstehen Sie mich nicht.

Ich plädiere hier nicht dafür, dass Juden und Jüdinnen generell als Ehrenbürger ausgezeichnet werden.

Doch ein Wiederaufnahmeritual scheint mir nicht nur symbolisch überfällig. Und wenn nicht ein Ritual, so doch eine Geste, die mehr ist als eine Formalität.

Der verstoßene Familienangehörige will wiederaufgenommen werden.

Diese ausgestreckten Hände fehlen weitgehend.

Heimat erscheint nur noch als ferne Möglichkeit.

Als Heimat wird überdies nur der Ort möglich, an dem man als jüdischer Mensch mit der eigenen Verfolgungsgeschichte und wegen der Verfolgungsgeschichte willkommen geheißen wird, Heimat ist, wo einem nicht nur symbolisch, sondern auch explizit ein Existenz- und Lebensrecht zugestanden wird. Heimat ist gerade nicht jener Ort, wo einem, kaum hat man sich gesetzt, schon wieder der Stuhl unter dem Allerwertesten weggezogen wird.

Es ist bezeichnend, dass es keine offizielle Wiederaufnahme der Überlebenden deutsch en Juden gegeben hat, keine offizielle Wiedereinsetzung und Wiederbestätigung jüdischen Lebens in Deutschland. Und vor diesem Hintergrund ist auch die Option Israel die einzige Heimat-Option, die jüdische Menschen überhaupt noch haben.

Dennoch bleibt zu hoffen, dass eine solche symbolische Geste auch in Deutschland eines Tages möglich wird, das nationale Holocaust-Mahnmal hat den Weg dorthin vielleicht begonnen.

Es bleibt zu hoffen, dass es in diesem Land nicht so lange dauern wird wie in Spanien, als erst 500 Jahre nach der Vertreibung der Juden aus Spanien, der Bürgermeister von Toledo die Schlüssel der Stadt den Nachfahren der ehemals vertriebenen Toledanos überreichen konnte.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Copyright und Kontaktadresse:

Dr. Hanna Rheinz

Wörthstr. 29

D-81667 München

Tel. 089-4483994

Email: HannaRheinz@aol.com

www.tierimjudentum.de


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