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Selbstmordattentate – Gesellschaftliche Rahmenbedingungen, politische Ziele, religiöse Deutungen

8. Mülheimer Nahost-Gespräch

Es war ein blutiges Wochenende: In Afghanistan, im Irak und an anderen Orten sprengten sich wieder Selbstmordattentäter in die Luft. Auf einer Veranstaltung zum Thema „Selbstmordattentate“, die gemeinsam von Konrad-Adenauer-Stiftung, Katholischer Akademie Die Wolfsburg und dem Institut für Theologie und Frieden in Mülheim veranstaltet wurde, diskutierten Experten aus Deutschland, Israel und Afghanistan über die Motive und Ziele der Attentäter und über mögliche Gegenmaßnahmen.

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Dr. Babak Khalatbari berichtete über die Lage in Afghanistan und die Unterstützung der KAS für gesellschaftliche Initiativen gegen Selbstmordattentate (©Dr. Oliver Ernst)

Dr. Babak Khalatbari, der die Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Afghanistan und Pakistan leitet, berichtete über einen dramatischen Anstieg dieser Anschlagsform in den letzten zwei Jahren. Waren 2004 erst drei Anschläge zu verzeichnen, stieg die Zahl 2005 sprunghaft auf 17, im Jahr 2006 gar auf 123 Anschläge. Die traurige Zwischenbilanz für 2007: rund 140 Anschläge. Besonders schlimm: Die einzelnen Anschläge fordern immer mehr Opfer und sind mit durchschnittlich sechs Toten pro Anschlag weitaus tödlicher als Autobombenanschläge, die vier Todesopfer pro Anschlag fordern. Am 6. November 2007 kamen bei einem der bisher schlimmsten Anschläge 60 Schulkinder und fünf afghanische Abgeordnete ums Leben. Dieser Anschlag war auch für afghanische Verhältnisse so schrecklich, dass sich bis heute noch keine Terrororganisation hierzu bekannt hat.

Hauptanschlagsziele

Jeder dritte Anschlag gilt heute nicht mehr internationalen Zielen, wie den Besatzungstruppen, sondern afghanischen Zielen, wie der afghanischen Polizei und Armee. Die Verunsicherung in der Bevölkerung nimmt laut Dr. Khalatbari dementsprechend zu. Laut Khalatbari haben sich manche Regionen in Afghanistan zu „No-go-areas für Entwicklungshilfe“ entwickelt. So gab es allein in Kandahar 25 Anschläge.

Männlich, zwischen 14 und 25 Jahre alt, aus ärmlichen Verhältnissen stammend und schlecht ausgebildet, beschrieb Khalatbari das Profil der Attentäter. Für ihre Anschläge werden sie zu 80% von Terrororganisationen rekrutiert. Als Anreize werden ihnen religiöse und materielle Versprechen gemacht. Islamistische, nationalistische und Rachemotive treiben die Täter, die meist einen afghanischen, pakistanischen, arabischen, usbekischen oder tschetschenischen Hintergrund haben.

Attentate erschweren Aufbau

Die Selbstmordanschläge erschweren in Afghanistan den Aufbau des Landes: Radikale Kräfte liquidieren durch diese Attentate ihnen unliebsame Vertreter der Staatsgewalt, Provinzgouverneure, Polizeichefs und moderate Religionsvertreter. Sie verhindern die für die Demokratisierung notwendige Volksnähe der afghanischen Mandatsträger, was Dr. Khalatbari als großes Problem für die im Jahr 2009 anstehenden Wahlen sieht. Die Bewegungsfreiheit wird insgesamt eingeschränkt und auch die wirtschaftliche Entwicklung leidet zunehmend darunter, dass es keine Sicherheit gibt. Zugleich versuchten die Radikalen sich durch ihre Terrorstrategie an den Verhandlungstisch zu bomben.

Dr. Khalatbari berichtete über die konkrete Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung Afghanistan zur Stärkung gesellschaftlicher Kräfte gegen den Selbstmord-Terrorismus.

Allein im Jahr 2007 wurden in Afghanistan 30 moderate Mullahs getötet. Auch aus diesem Grund haben sich im Mai 2007 zahlreiche religiöse Führer einer Initiative der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kabul angeschlossen: Der Kabuler Resolution zur Ächtung des Selbstmordattentates als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen den Islam.

Eindrucksvolle Plakatkampagne gegen Selbstmordattentate

Daneben wurde von der KAS eine eindrucksvolle Plakatkampagne initiiert, durch die auf die schrecklichen Folgen der Attentate für die afghanische Gesellschaft hingewiesen wird. (mehr Informationen zur Kabuler Resolution und zur Plakataktionen finden Sie hier).

Anders als in Afghanistan sind die Selbstmordanschläge in Israel massiv zurückgegangen: So gab es im Jahr 2007 nur noch einen einzigen Anschlag, wie Dr. Shlomo Shpiro, Politikwissenschaftler aus Israel, berichtete. Begründet ist dies in der Mauer, die Israelis und Palästinenser voneinander trennt. Daneben ist die Prävention durch Aufklärung in Israel besonders erfolgreich: Laut Dr. Shpiro werden 80 Prozent der Selbstmordattentäter vor der Ausführung ihrer Tat verhaftet.

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Dr. Shlomo Shpiro berichtete über die erfolgreiche Abwehr von Selbstmordattentaten in Israel (©Dr. Oliver Ernst)

Insgesamt beurteilte Shpiro die Selbstmordattentate im israelischen Kontext als nicht effektiv. Aber nicht immer stehen politische oder militärische Motive hinter den Attentaten. Shpiro stellte einige Beispiele vor, in denen persönliche und familiäre Gründe vorlagen. So wurde in einem Fall durch den Selbstmordanschlag einer untreuen Ehefrau die „Familienehre“ wieder hergestellt.

Motive der Attentäterinnen

Auf das Phänomen der etwa zehn palästinensischen Selbstmordattentäterinnen ging die Kulturwissenschaftlerin Liza Franke M.A. ein, die in Ramallah hierzu geforscht hat. Auch sie sieht persönliche Probleme wie Kinder- und Ehelosigkeit als Motive der Attentäterinnen, stellt aber die Besatzung und ihre Folgen als Hauptmotiv in den Vordergrund. Auch bei den weiblichen Attentäterinnen gibt es kein klares Profil: Von der 19jährigen, die sich zuvor wegen ihrer Jugend vergeblich bei den militanten Organisationen um die Rekrutierung bemüht hatte, bis zur mehrfachen Großmutter, ist ein breites Spektrum von Täterinnen zu verzeichnen.

Hierbei wird die gesellschaftliche Rolle der Frau durchaus kontrovers diskutiert: Während einerseits problematisiert wird, dass eine Mutter von kleinen Kindern als Selbstmordattentäterin rekrutiert wurde, wird andererseits diese Rekrutierung von Frauen mit dem „emanzipatorischen Element“ begründet.

Schwerpunktmäßig mit den schiitischen Attentätern im Libanon befasste sich der Berliner Islamwissenschaftler Dr. Stephan Rosiny. Anfang der 80er Jahre hatte die Hisbollah im Libanon diese Anschlagsform eingeführt. Die teilweise sehr erfolgreichen Anschläge gegen US-Einrichtungen wurden viel später noch von Osama bin Laden als vorbildlich gerühmt. Dennoch ist das Selbstmordattentat seit 1999 von der Hisbollah nicht mehr genutzt worden, auch nicht im Libanonkrieg 2006.

Bereitschaft zum Martyrium ist religiös begründetes Motiv

Für die Analyse der Kontexte der von Hisbollah durchgeführten Selbstmordattentate ist der Umstand wichtig, dass Hisbollah sich schon 1985 aus dem „nationalen Widerstand“ herauslöste und den „religiösen Widerstand“ begründete. In diesem Zusammenhang wurde die Bereitschaft zum Martyrium (nīyat aš-šahāda) ein zentrales, religiös begründetes Motiv. Der „Selbsttötungsattentäter“ wurde klar vom „Selbstmordattentäter“ getrennt, da letzterer aus falscher Motivation und Intention (niya) heraus handelte.

Sasha Dehghani M.A., ebenfalls Islamwissenschaftler aus Berlin, widmete sich in seinem Vortrag dem schiitischen Gründungsereignis: dem Märtyrertum Husseins und dessen Folgen. Er zeigte dabei eine deutliche Nähe des schiitischen zum christlichen Märtyrerverständnis auf. So sei die gesuchte Niederlage im Kampf als Buße für den Gläubigen besser als Selbstmord.

Prof. Dr. Werner Wolbert, Moraltheologe an der Universität Salzburg, befasste sich in seinem Vortrag mit den Einschränkungen des Tötungsverbotes in den monotheistischen Religionen aus moraltheologischer Sicht und analysierte koranische und biblische Aussagen über Selbstmord und die Tötung Anderer.

Prof. Dr. Hans Gerd Kippenberg, Religionswissenschaftler am Erfurter Max-Weber-Kolleg konzentrierte sich in seinem Vortrag „Richtige und falsche Auffassungen von der Beziehung zwischen Religion und Gewalt – der Fall des 11. September 2001 mit der geistlichen Anleitung zu den Anschlägen auf das World Trade Center, dem Kampf der USA gegen den Terror und dem Verhältnis der HAMAS zu Israel.

Die Diskussion der rund 80 Teilnehmer, darunter viele Experten aus dem Bereich Sicherheit und Religion, verlief sehr engagiert. Die Diskussionsbeiträge sollen im Jahr 2008 in einer Publikation veröffentlicht werden.

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