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Tschechien führt die Direktwahl des Präsidenten ein

od Dr. Hubert Gehring, Alena Reslová

Rolle des Präsidenten zwar nicht gestärkt, aber unabhängige Kandidaten haben größere Chancen

Die tschechischen Bürger werden den Nachfolger von Václav Klaus im Januar 2013 direkt wählen. Am 8. Februar 2012 hat der tschechische Senat eine Verfassungsnovelle angenommen, die die Direktwahl des tschechischen Präsidenten in die tschechische Verfassung einführt. Bis jetzt wurde der Präsident durch das Parlament gewählt.

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Die Direktwahl des Präsidenten gehörte zu den Hauptzielen, die sich die Mitte-Rechts Regierungskoalition, bestehend aus der Bürgerpartei (ODS), TOP09 und der Partei Öffentliche Angelegenheiten VV, in ihrer Regierungserklärung gesetzt hatte. Die Verfassungsnovelle wurde jedoch auch von der Oppositionspartei, den Sozialdemokraten (ČSSD), unterstützt. Keine der Parteien wollte den schwarzen Peter in der Hand halten. Selbst Premierminister Nečas hat für eine Direktwahl gestimmt und geworben, obwohl er öffentlich deklarierte, er persönlich sei gegen eine Direktwahl der Präsidenten. Doch die Regierung, die mit vielen Korruptionsverdachtsfällen verbunden ist und zahlreiche schmerzhafte Reformen im Rahmen des Sparprogramms einführen musste, wollte in diesem Punkt der tschechischen Bevölkerung nachgehen. Laut einer aktuellen Umfrage von Médea Research wird der Vorschlag von fast 80 Prozent der Tschechen unterstützt. Als ein Grund dafür ist unter anderem die letzte Präsidentenwahl 2008 zu verstehen, die mit dubiosen Hinterkulissengesprächen und sogar dem Verdacht auf Stimmenkauf verbunden wurde.

Keine bedeutende Stärkung der Rolle des Präsidenten

Historisch betrachtet war die Tschechische Republik immer ein parlamentarisches System mit einer führenden Rolle des Premierministers. Der Präsident hat, ähnlich wie in Deutschland, eine repräsentative Funktion. Eine Direktwahl des Präsidenten ist ein neues Element, jedoch ist nicht zu erwarten, dass die Rolle des Präsidenten dadurch gestärkt wird. Paradoxerweise werden die Kompetenzen eines direkt gewählten Präsidenten sogar geschwächt.

Obwohl die Regierungsparteien keine Änderungen in den Kompetenzen des Präsidenten einführen wollten, waren diese eine klare Bedingung der Oppositionspartei ČSSD, deren Stimmen für eine Verfassungsmehrheit im Parlament nötig waren. Die von der ČSSD geforderten Änderungen der Kompetenzen sind als eine Reaktion auf die bisherige Ausübung des Amtes des Präsidenten vor allem von Präsident Klaus zu verstehen.

Konkret werden die Kompetenzen des Präsidenten im Strafrecht begrenzt. Begnadigungen werden in der Zukunft auch vom Premierminister gegengezeichnet werden müssen. Zusätzlich wird der direkt gewählte Präsident nur noch eine eingeschränkte rechtliche Immunität besitzen, nämlich nur noch während der Ausübung seines Amtes und nicht mehr lebenslang. Weiterhin werden die Möglichkeiten für eine Verfassungsklage gegen den Präsidenten erweitert. Der Senat kann mit der Zustimmung des Parlaments gegen den Präsidenten eine Verfassungsklage wegen Hochverrat, einer groben Verletzung der Verfassung oder anderer Bestandteile der Verfassungsordnung einreichen. Als Hochverrat wird sowohl eine Diskreditierung der Hoheit und der Gesamtheit der Republik als auch ein schwerwiegender Verstoß gegen die demokratischen Prinzipien verstanden.

Die ČSSD wollte auch die Kompetenzen des Präsidenten bei der Auswahl der Mitglieder des Rates der Tschechischen Nationalbank verringern. Aufgrund des Widerstandes der Regierungskoalition konnten sie diesen Vorschlag aber nicht durchsetzen.

Der Präsident wird in zwei Wahlgängen gewählt

Um als Kandidat für die Wahl aufgestellt zu werden, müssen mindestens 20 Abgeordnete oder mindestens 10 Senatoren den Vorschlag einbringen. Die Bürger können ebenfalls einen geeigneten Kandidaten vorschlagen. Hierzu wird eine Petition mit über 50 000 Unterschriften wahlberechtigter Bürger der Tschechischen Republik benötigt. Wenn im ersten Wahlgang kein Kandidat über die Hälfte der Stimmen erhält, wird ein zweiter Wahlgang abgehalten. Zur zweiten Runde werden die zwei Kandidaten zugelassen, die die Mehrheit der Stimmen bekommen haben. In dieser zweiten und letzten Runde reicht es aus die meisten Stimmen zu erhalten.

Eine Chance für parteilose Kandidaten?

Der amtierende Präsident Václav Klaus kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Die stärkste Regierungspartei ODS hat sich bislang noch nicht auf einen Präsidentenkandidaten geeinigt. Im Gespräch stehen Miroslava Němcová, die Vorsitzende des Tschechischen Abgeordnetenhauses und Přemysl Sobotka, der Vizevorsitzende des Senats. Als Kandidat der TOP09 wird der amtierende Außenminister Karel Schwarzenberg antreten. Die ČSSD hat noch keinen Kandidaten genannt. In Frage kommt zum Beispiel der Volkswirt Jan Švejnar, der bereits bei der letzen Präsidentenwahl kandidierte.

Einen ernstzunehmenden Konkurrenten hätten sie in Jan Fischer. Der parteilose ehemalige Ministerpräsident und Regierungschef liegt den Umfragen nach vorne. Ein weiterer Kandidat, der keiner Partei zugehörig ist und eine breite Unterstützung in der Bevölkerung genießt, ist der tschechisch/japanische Geschäftsmann und ehemalige Vorsitzende des Tschechischen Tourismus Rates Tomio Okamura. Betrachtet man die Wahlforschung scheinen die drei aussichtsreichsten Kandidaten Fischer, Okamura und Schwarzenberg zu sein.

Kritik zur Einführung der Direktwahl

Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen zu einer Direktwahl. Zu ihnen zählt der amtierende Präsident Vaclav Klaus, welcher zu Bedenken gibt, dass dies einem Casting à la „Tschechien sucht den Superstar“ nahe käme und, dass der so gewählte Präsident nicht mit der tschechischen Politik verbunden sein müsse und somit populistisch gegen die Regierung angehen könne. Diesen Kritikpunkten gegenüber stehen die Erfahrung der letzten Wahl und auch die Erfahrungen mit Vaclav Klaus als Präsident. Der Politologe Jiří Pehe fasst die Situation so zusammen: Nach dem „menschlichen und politischen Versagen“ des Parlaments, ginge man davon aus, dass die Wähler „vernünftiger und zivilisierter“ sein werden. Ob dem so sein wird, wird sich zeigen.

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