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Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing April und Mai 2023

von Inga von der Stein
Wahljahr 2023: Präsident Alberto Fernández kandidiert nicht erneut, Verfassungsgericht greift in Provinzwahlen ein | Argentinien soll Mitglied in der „Neuen Entwicklungsbank“ der BRICS werden | Kritik an Treffen von Alberto Fernández mit Nicólas Maduro | Ausblick

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Buenos Aires-Briefing April und Mai 2023

gesprochen von Inga von der Stein

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Superwahljahr-Recap

❯ Sowohl der derzeitige peronistische Präsident Alberto Fernández als auch die einflussreiche Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner schlossen eine erneute Kandidatur aus.

❯ Das Verfassungsgericht sagte die Gouverneurswahlen in den Provinzen Tucumán und San Juan kurzfristig ab, da diese nicht verfassungsgemäß seien.

❯ Bei der Mehrzahl der bisherigen Wahlen in den Provinzen gewannen die Peronisten, die Oppositionsallianz „Juntos por el Cambio“ belegte den zweiten Platz. Die Partei „Libertad Avanza“ des Anti-Establishment-Präsidentschaftskandidaten Javier Milei konnte auf Provinzebene bisher keine Zugkraft entfalten.

 

Wahljahr 2023: Präsident Alberto Fernández kandidiert nicht erneut, Verfassungsgericht greift in Provinzwahlen ein

Präsident Alberto Fernández gab bekannt, dass er nicht erneut kandidieren werde. Umfragen stellten dem Präsidenten konstant ein schlechtes Zeugnis aus, weshalb er nicht wettbewerbsfähig ist. Auch Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner betonte mehrfach, dass sie nicht um politische Ämter bewerben werde und schob die Schuld auf die Justiz, die sie disqualifizieren würde. Die Vize-Präsidentin war in 2022 der Korruption schuldig gesprochen worden. Die Regierungsallianz „Frente de Todos“, die sich aus einer Reihe von peronistischen Parteien zusammensetzt, hat bisher keinen geeinten aussichtsreichen Kandidaten präsentiert. 

Das Verfassungsgericht entschied fünf Tage vor den angesetzten Gouverneurswahlen in den Provinzen Tucumán und San Juan, dass die Wahlen nicht den jeweiligen Verfassungen der Provinzen entsprächen. Grund sei, dass eine erneute Wiederwahl als Vize- oder als Gouverneur nicht mehr als zwei Male möglich sei. Sowohl der Kandidat in San Juan, Sergio Uñac, als auch der Kandidat in Tucumán, Juan Manzur, - beides aussichtsreiche Kandidaten des Peronismus - verstießen gegen die Verfassungen der Provinzen. Juan Manzur trat daraufhin von seiner Kandidatur zurück, während Sergio Uñac das Urteil anfocht. In Tucumán wurden die Wahlen daraufhin verschoben, in San Juan die Wahlen der Bürgermeister und Landräte durchgeführt. Auch in der Provinz Formosa hat die Oppositionsallianz „Juntos por el Cambio“ eine Klage an das Verfassungsgericht eingereicht, um die Kandidatur des derzeitigen Gouverneurs Gildo Insfrán anzufechten. Dieser ist seit 1995 Gouverneur in Formosa. Im Unterschied zu den Verfassungen in Tucumán und San Juan schließt die Verfassung von Formosa eine unbeschränkte Wiederwahl nicht aus, was einen Erfolg der Klage schwierig gestaltet. Am 1. Juni wies das Verfassungsgericht jedoch zum einen den Einspruch von Sergio Uñac zurück und stellte zum anderen ein breites Kriterium für das Verbot von Wiederwahlen auf. Die nationale Verfassung lege eine republikanische Richtlinie fest, die Wiederwahlen verhindert, auch wenn es kein ausdrückliches Verbot in den Provinzverfassungen gibt. Würde dieses Kriterium auf die Kandidatur von Gildo Insfrán in Formosa angewendet, könnte dies das Ende seiner jahrzehntelangen Herrschaft bedeuten. Präsident Alberto Fernández kritisierte die Entscheidung des Verfassungsgerichts mit dem Vorwurf, dieser würde „die Demokratie und den Föderalismus schwächen.“

In neun Provinzen[1] fanden im April und Mai Wahlen statt. Die Provinzregierungen sind autonom in der Bestimmung des Wahltermins für die Wahlen der Gouverneure, Landräte und Bürgermeister. Die Mehrzahl der Provinzen wird von Peronisten regiert, welche die Wahlen bewusst auf die erste Jahreshälfte 2023 gelegt haben, um den Wahlkampf in den Provinzen von den Präsidentschaftswahlen zu entkoppeln und nicht von der Unbeliebtheit der Regierung beeinträchtigt zu werden. In der Mehrzahl der Provinzen gewannen die Kandidaten der Peronisten, auf Platz zwei folgten die Kandidaten aus dem Spektrum der Oppositionsallianz „Juntos por el Cambio“. Die Partei von Javier Milei, Anti-Establishment-Präsidentschaftskandidat, landeten auf dem dritten Platz, wenn überhaupt. Dies verdeutlicht, dass es sowohl „Juntos por el Cambio“ an Macht in den Provinzen fehlt, als auch, dass Milei’s Partei auf Provinzebene bisher keine Strahlkraft entfalten kann. In nationalen Umfragen landet seine Partei „Libertad Avanza“ mittlerweile jedoch auf dem zweiten Platz nach der Oppositionsallianz „Juntos por el Cambio“, mit steigender Tendenz und sollte daher nicht unterschätzt werden. Ein weiterer Trend, der beobachtet wurde, ist der Rückgang der Wahlbeteiligung. In allen Provinzen, in denen bisher gewählt wurde, ist ein Rückgang von unter einem bis zu über 10 Prozent der Wahlbeteiligung verzeichnet. Die Wahlbeteiligung lag zwischen 68 Prozent bis 77 Prozent der Wählerschaft und das, obwohl Wählen in Argentinien verpflichtend ist.

 

Argentinien soll Mitglied in der „Neuen Entwicklungsbank“ der BRICS werden

Argentinien steckt in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, die Reserven der Zentralbank sind niedrig. Wirtschaftsminister Sergio Massa versucht dem Problem durch China Abhilfe zu schaffen. Im April gab das Wirtschaftsministerium bekannt, chinesische Importe künftig in Yuan statt in US-Dollar zu bezahlen. Dies soll verhindern, dass die Unternehmen US-Dollar kaufen müssen, die dann wiederum in Yuan umgewandelt würden, was die Kosten importierter Waren erhöht. Ende Mai reiste Sergio Massa zudem mit einer Wirtschaftsdelegation nach China. Ziel war einerseits, die Devisentauschgeschäfte mit China auszuweiten. Andererseits setzte sich Argentinien für eine Mitgliedschaft in der „Neuen Entwicklungsbank“ der BRICS ein. Dies ist eine multilaterale Entwicklungsbank, welche 2014 von den BRICS-Staaten eingerichtet wurde. Die Präsidentin der neuen BRICS-Entwicklungsbank, die ehemalige brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, stimmte der Mitgliedschaft Argentiniens zu. Diese soll in der zweiten Jahreshälfte offiziell gemacht werden, gemeinsam mit der Aufnahme von Saudi-Arabien, Ägypten und Simbabwe. Die argentinische Regierung erhofft sich durch die BRICS-Entwicklungsbank generell finanzielle Unterstützung und konkret, dass ein Teil der Exporte von Brasilien nach Argentinien in der brasilianischen Währung Real abgedeckt werden könnte. Argentinien ist bisher kein Mitglied der BRICS, die argentinische Regierung stellte 2022 jedoch einen formellen Antrag.

 

Kritik an Treffen von Alberto Fernández mit Nicólas Maduro

Präsident Alberto Fernández nahm Ende Mai am UNASUR-Gipfel in Brasilien teil. Die UNASUR ist ein links geprägtes Bündnis, welches 2008 gegründet wurde. Nach seiner Wahl als brasilianischer Präsident versucht Lula da Silva den UNASUR wiederzubeleben und als Plattform zu nutzen, um Südamerika zu einen und unabhängiger zu machen. Argentinien trat zusammen mit Brasilien erst im April wieder der UNASUR bei. Die Themen traten in den Hintergrund, für Gesprächsstoff sorgte, dass der venezolanische Machthaber Nicolás Maduro eingeladen war. Mit diesem traf sich Alberto Fernández, um die Beziehungen zwischen Argentinien und Venezuela wieder auf Kurs zu bringen. Die Menschenrechtsverletzungen in Venezuela sprach Alberto Fernández nicht an, auch wenn sich die argentinische Regierung den Einsatz für Menschenrechte auf die Fahnen schreibt. Die Opposition kritisierte das Treffen scharf. Regierungschef der Stadt Buenos Aires und Präsidentschaftskandidat Horacio Rodríguez Larreta schrieb auf Twitter: „Das Treffen […] beschämt mich vor den Tausenden und Abertausenden von Venezolanern, die sich entschieden haben, in unserem Land zu leben, um der venezolanischen Diktatur zu entkommen“.

 

Ausblick für Juni und Juli 2023

National:

Bis zum 14. Juni können sich Wahlallianzen für die Vorwahlen registrieren. In Argentinien ist es üblich, dass sich mehrere Parteien zu Allianzen zusammenschließen, um mehrheitsfähig zu sein. Das Einreichen von konkreten Wahllisten mit den Namen der Kandidaten ist bis zum 24. Juni möglich.

Im „Superwahlmonat“ Juni finden generelle Wahlen in den Provinzen Córdoba, Formosa, Tucumán, San Luis, Corrientes sowie Vorwahlen (PASO) in Mendoza und Chaco statt, im Juli sind Vorwahlen in Santa Fe angesetzt als auch generelle Wahlen in Chubut.

Regional: Am 3. Juli findet das erste Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter als auch assoziierter Staaten des Mercosurs in 2023 statt. Austragungsort ist das argentinische Iguazú. Argentinien hat in der ersten Jahreshälfte 2023 die Präsidentschaft pro tempore des Mercosur inne.

International: Das Treffen des Mercosurs am 3. Juli gilt auch als Vorbereitung für das lang erwartete Gipfeltreffen zwischen den Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) und der Europäischen Union (EU) vom 17. bis zum 18. Juli 2023 in Brüssel. Es wird die Teilnahme von sechzig Staaten erwartet, 33 aus der CELAC und die 27 Mitgliedsstaaten der EU. Diese machen zusammen fast ein Drittel der Mitglieder der Vereinten Nationen aus. Der Gipfel steht unter dem Motto "Erneuerung der bi-regionalen Partnerschaft zur Stärkung des Friedens und der nachhaltigen Entwicklung".

Trivia: Fast eine halbe Million Argentinier (450.000) sind wahlberechtigt bei den Präsidentschaftswahlen. Die Länder mit den meisten registrierten Wählern: Spanien, die Vereinigten Staaten und Italien. Die im Ausland lebenden Argentinier sind somit die "19. Provinz" nach der Anzahl der Wähler, so schreibt die Zeitung „infobae“. Anders als in Argentinien besteht im Ausland jedoch keine Wahlpflicht. Dies ist einer der Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung der im Ausland lebenden Argentinier: Bei den Parlamentswahlen in 2021 haben weniger als 5 Prozent der im Ausland registrierten Argentinier gewählt. In der Gunst der „Auslandsargentinier“ lag die Oppositionsallianz „Juntos por el Cambio“. Diese erhielten 68 Prozent der Stimmen, weit dahinter lag die Regierungsallianz „Frente de Todos“ mit 12 Prozent und an dritter Stelle Javier Milei mit 11 Prozent.

 

 

[1] Neuquén, Rio Negro, Jujuy, Misiones, La Rioja, Pampa, Salta, Tierra del Fuego, San Juan (Bürgermeister und Landratswahlen, aber keine Gouverneurswahlen)

 

© Foto: Casa Rosada

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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.

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