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Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing Juli 2021

von Inga von der Stein, Carmen Leimann-López
Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land. Die folgende Ausgabe fasst die wichtigsten Ereignisse des Monats Juli zusammen.

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Impfstoff-Lieferengpässe erschweren den Zeitkampf gegen die Delta-Variante

Die Covid-19-Infektionen sanken in Argentinien im Juli trotz des Wintereinbruchs und einiger Lockerungen der gültigen Corona-Bestimmungen weiter. Die 7-Tage-Inzidenz ist im internationalen Vergleich dennoch nach wie vor hoch. Aktuell liegt sie bei 194,4. Argentinien weist damit nach offiziellen Zahlen den zweithöchsten Inzidenzwert des gesamten amerikanischen Kontinents auf, abgehängt nur von Kuba (Inzidenz 551,5; Stand: 03.08.2021). Die Bettenbelegung auf den Intensivstationen pendelte sich nach der angespannten Lage im Mai bei 54,2 Prozent im landesweiten Durchschnitt ein. Seit Beginn der Pandemie infizierten sich 4,9 Millionen Anwohner (10 Prozent der Bevölkerung) mit der Krankheit (Stand: 01.08.2021).

Die in Europa vorherrschende Delta-Variante ist in Argentinien bisher nur vereinzelt festgestellt worden. Eine größere Verbreitung weist die Lambda-Variante auf, welche zuerst in Peru entdeckt worden war und etwa für ein Drittel der Corona-Fälle in Argentinien verantwortlich ist. Doch vor allem die hochansteckende Delta-Variante schätzt die argentinische Regierung als besonders gefährlich ein, da die dichte Besiedlung der argentinischen Großstädte eine schnelle Verbreitung begünstigt. Im Wettlauf gegen die Virus-Varianten wird ein möglichst großer Anteil von doppelt Geimpften angestrebt, doch gerade bei der Zweitimpfung liegt Argentinien zurück. Während 21 Millionen Argentinier (40 Prozent der Bevölkerung) eine Impfdosis erhielten, genießen nur 6,1 Millionen (16 Prozent der Bevölkerung) einen vollen Impfschutz (Stand: 03.08.2021).

Angehörigen der Risikogruppen, welche die erste Impfung mit dem russischen Vakzin Sputnik V erhalten haben, warten seit Monaten auf die zweite Dosis. Aufgrund von Lieferengpässen war deren Anwendung jedoch bisher nicht möglich. Die Regierungsberaterin Cecilia Nicolini forderte daher schriftlich die Erfüllung des Lieferplans beim russischen staatlichen Investmentfond ein. Gemäß dem unterzeichneten Kaufvertrags steht der Versand von 18,7 Millionen Vakzinen aus. In ihrer öffentlichen E-Mail geht Nicolini auch auf die politische Bedeutung einer erfolgreichen Impfkampagne für die bilateralen Beziehungen mit Russland und die Regierungsfähigkeit von Präsident Alberto Fernández ein.

Angesichts der Engpässe verkündete Gesundheitsministerin Carla Vizzotti Ende des Monats, dass die Kombination der derzeitig verfügbaren Impfstoffe nun Gegenstand einer föderalen Untersuchung sei. Im Vorfeld hatte die Gesundheitsministerin außerdem den Erlass eines präsidentiellen Dekrets bekannt gegeben, das den Import der Vakzine der Labore Moderna, Pfizer und Janssen ermöglicht. Somit konnte unter anderem die Spende von drei Millionen Impfdosen des Vakzins Moderna von der US-amerikanischen Regierung empfangen werden, was aus Haftungsgründen bisher nicht möglich war. Nach monatelanger öffentlicher Debatte über die versäumte Möglichkeit, Impfstoffe von Pfizer-BioNTech zu erwerben, gab Ministerin Vizzotti Ende Juli schließlich die Unterzeichnung eines Kaufvertrags mit diesem Hersteller bekannt. Weiterhin wurde ein Kaufvertrag des chinesischen Vakzins CanSino ausgehandelt. Die Bemühungen der argentinischen Provinzen durch regionale Abkommen vorzeitig Impfstoffe für ihre Bevölkerung zu sichern, scheiterten bisher unter anderem an logistischen Hürden.

Um Zeit im Kampf gegen die Delta-Variante zu gewinnen, behält die argentinische Regierung sowohl das Einreiseverbot für Touristen bei, als auch die Reduktion der Flugverbindungen auf ein Minimum. Zahlreiche Argentinier und Anwohner stecken aufgrund der häufigen Flugstreichungen im Ausland fest. Eine kurzfristige Normalisierung des Reiseverkehrs ist nicht absehbar.

Auftakt des Wahlkampfes: Opposition bisher ungeeint

Am 14. November 2021 finden Parlamentswahlen statt, bei der 127 der 257 Sitze in der Abgeordnetenkammer sowie 24 der 72 Sitze im Nationalen Senat zur Wahl stehen. Wegen der Abgabefrist der Kandidatenlisten für die Vorwahlen im September war der Juli geprägt von bündnis- und parteiinternen Verhandlungen über deren Zusammensetzung. Während die Regierungsallianz Frente de Todos in den meisten Provinzen mit einer einzigen Kandidatenliste antritt, konnte sich die Oppositionsallianz Juntos por el Cambio, nicht auf einen einzigen Spitzenkandidaten einigen. Derzeit konkurrieren innerhalb der Allianz Juntos por el Cambio etwa die beliebte ehemalige Gouverneurin der Provinz Buenos Aires, María Eugenia Vidal (Juntos Somos Más), der ehemalige Gesundheitsminister Adolfo Rubinstein (Adelante Ciudad) und der ehemaligen Wirtschaftsminister Ricardo López Murphy (Republicanos Unidos). Alle drei streben den Spitzenplatz auf der Liste der Oppositionsallianz Juntos por el Cambio bei der Wahl der Abgeordneten der Stadt Buenos Aires im nationalen Kongress an. Die Regierungsallianz Frente de Todos verliert durch den Wahlkampf Sozialminister Daniel Arroyo, der Präsident Alberto Fernández nahesteht, und Verteidigungsminister Agustín Rossi, der dem linkextremen Flügel der Regierungsallianz zuzuordnen ist. Durch die jeweiligen Wechsel erhoffen sich die Kandidaten mehr Gestaltungsspielraum auf legislativer Ebene sowie die Sicherung eines mindestens vierjährigen Mandats, das über die Amtszeit von Präsident Alberto Fernández hinausgeht. Ferner ist die Ernennung bekannter Gesichter wichtig für den Wahlerfolg. Dieser wird entscheidend für die Machtverteilung im Parlament sein. Aktuellen Umfragen zufolge hat der Peronismus in der Provinz Buenos Aires, in dem die Mehrheit der Wähler lebt, etwa acht Prozentpunkte Vorsprung. Sollte die Frente de Todos im November ihre 51 Sitze im Kongress erneuern und um weitere zehn erweitern, würde sich die Regierung die Mehrheit der Stimmen in beiden Kammern sichern. Mit oder ohne Mehrheit im Parlament muss sich Präsident Fernández mehreren Herausforderungen im Laufe der zweiten Hälfte seiner ersten Amtszeit stellen. Hierzu gehören die Wiederbelebung der krisengebeutelten Wirtschaft, die Senkung der Armuts- und Arbeitslosenraten, die Anpassung des Bildungsplans aufgrund der langen Schulschließungen während des Lockdowns, die Einigung mit den Gläubigern der argentinischen Auslandsschulden sowie die Wechselkurs- und Preisstabilisierung.

Abgabe des Mercosur- und Übernahme des CELAC-Vorsitzes 2022

Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs des südamerikanischen Wirtschaftsbundes Mercosur am 8. Juli wurden erneut die unterschiedlichen Ansichten der Mitgliedsländer über die Zukunft desselben deutlich (wir berichteten). Während Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou erneut die Starre des Blocks kritisierte und den Alleingang seines Landes bei der Verhandlung bilateraler Freihandelsabkommen ankündigte, spannten die Forderungen der paraguayischen und brasilianischen Staatsoberhäupter nach mehr Flexibilisierung und Schwung die Lage erneut an. Argentiniens Präsident beharrte weiterhin auf den gegenwärtigen Statuten des Mercosur, insbesondere auf dem Konsensmechanismus. Dieser blockiert derzeit die Unterzeichnung diverser Wirtschaftsabkommen mit potenziellen Kooperationspartnern. Im Rahmen der Sitzung gab Argentinien den Vorsitz des Bündnisses an Brasilien ab. Eine baldige Lösung des Grundsatzproblems angesichts der ideologischen Differenzen der Allianzpartner ist unwahrscheinlich.

Anders sah es beim Gipfeltreffen der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) am 24. Juli aus. Dabei wurden Themen wie die internationale Kooperation, vor allem im technologischen Bereich, Ernährungssicherheit und Katastrophenschutz behandelt. Weiterhin empfahl der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador dabei die Nachfolge Argentiniens für den Vorsitz des Dialogforums 2022. Die CELAC gewann nach dem Staatsstreich 2009 in Honduras an Aufschwung, die die Organisation Amerikanischer Staaten, der auch die USA und Kanada angehören, in eine Sinnkrise stürzte.

Weiterhin spaltete die Unterdrückung der Demonstrationen in Kuba im Juli die Geister in Argentinien. Während Menschenrechtsaktivisten und Anhänger der Opposition die Ausschreitungen, ebenso wie auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der US-Präsident Joe Biden, scharf kritisierten, zeigte sich die argentinische Regierung zurückhaltend. Stattdessen kritisierte sie, ähnlich wie bei der Venezuela-Krise, die in ihren Augen unrechtmäßigen und sinnlosen Sanktionen der USA gegen den Inselstaat.

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Olaf Jacob

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Leiter des Auslandsbüros Chile

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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.

Susanne Käss

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Leiterin des Auslandsbüros Argentinien / Leiterin des Auslandsbüros Brasilien (kommissarisch)

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