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Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing Juni 2021

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land. Die folgende Ausgabe fasst die wichtigsten Ereignisse des Monats Juni zusammen.

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Erste Lichtblicke beim Pandemiemanagement

Der strenge Lockdown, der Ende Mai in Argentinien ausgerufen worden war, trug erste Früchte: in der letzten Juniwoche verzeichneten die Behörden im 14-Tages-Vergleich einen Rückgang der Covid-19-Infektionen um 34,2 Prozent. Auch die Sterberate sank um 6,8 Prozent. Daher wurden die Ausgangsbeschränkungen in der zweiten Junihälfte gelockert. Die absoluten Todeszahlen erreichten jedoch infolge der fortschreitenden Ausbreitung des Virus einen Negativrekord von mehr als neunzigtausend Opfern.

Die Impfkampagne kam im Juni langsam, aber sicher voran: Mehr als 30 Prozent der argentinischen Bevölkerung ist bereits die erste Impfdosis verabreicht worden, über acht Prozent sind vollimmunisiert. Aufgrund von Produktions- und Lieferengpässen der Komponenten der zweiten Dosis des Vakzins Sputnik V musste die Impfkampagne allerdings teilweise unterbrochen werden. Zwar soll ein Teil der Komponenten für die lokale Produktion im Juli geliefert werden, ein Großteil der einmal geimpften Bevölkerung ist nun aber verunsichert. Experten beraten über die Möglichkeit, verschiedene Vakzine zu kombinieren, um die Vollimmunisierungen schneller voranzutreiben. In der Stadt Buenos Aires können sich inzwischen über 40-Jährige ohne Vorerkrankungen für die kostenlose Verabreichung des Impfstoffs im öffentlichen Impfportal registrieren. In dünner besiedelten Teilen des Landes kommen inzwischen auch schon Jüngere zum Zug. Hausärzte dürfen die Covid-19-Vakzine derzeit noch nicht anwenden. Die in Europa grassierende Delta-Variante des Virus wurde bisher nur in vereinzelten Fällen an Grenzübergängen nachgewiesen. Die identifizierten infizierten Reisenden befinden sich in Quarantäne. Einer Studie des argentinischen Gesundheitsministeriums zufolge werden die Covid-19-Infektionen in Argentinien vor allem durch die Gamma-Variante verursacht (41 Prozent der untersuchten Abstriche), gefolgt von der Lambda-Variante (14 Prozent) und der Alpha-Variante (elf Prozent). Insgesamt werden 90 Prozent der landesweiten Übertragungen inzwischen durch eine Virusvariante verursacht.

Parteipolitische Spannungen

Die innenpolitische Debatte ist derzeit geprägt von internen Machtkämpfen der Regierung und Opposition. Die KAS-Partnerpartei PRO ist im Angesicht der bevorstehenden Wahlen in zwei Lager gespalten: eine harte Linie um den ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri und Parteichefin Patricia Bullrich und einen konsensorientierten Flügel um den Regierungschef der Stadt Buenos Aires, Horacio Rodríguez Larreta. Letzterer möchte vor allem enttäuschte Peronisten der Mitte für sich gewinnen und wirbt für Kandidatur seines Regierungschefs, Diego Santilli, für das Amt des Gouverneurs der Provinz Buenos Aires. Rodríguez Larreta befürwortet ebenso Kandidatur der ehemaligen Gouverneurin der Provinz Buenos Aires María Eugenia Vidal für seine Nachfolge in der Stadt Buenos Aires. Mauricio Macri hingegen würde die Kandidatur von Patricia Bullrich für das Bürgermeisteramt in Buenos Aires sowie die seines Cousins Jorge Macri, Bürgermeister der Gemeinde Vicente López, für das Gouverneursamt in der Provinz Buenos Aires bevorzugen. Die etwaige Kandidatur von Martín Lousteau und Facundo Manes des PRO-Allianzpartners Unión Cívica Radical ​​​​​​​(UCR) spannt Lage weiter an.

Die Regierungsallianz Frente de Todos setzt im Wahljahr 2021 vor allem auf Wiederwahl der Mehrheit ihrer Bürgermeister in der bevölkerungsreichen Provinz Buenos Aires sowie Konsolidierung ihrer Machtbasis mithilfe der linksextremen Cámpora-Bewegung in verschiedenen Bezirken. Gouverneur Axel Kiciloff und Präsident Alberto Fernández werden Expertenanalysen zufolge im Wahlkampf sehr präsent sein, unterstützt vom Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses Sergio Massa und Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner (CFK). Die Kandidatenliste soll dieses Mal von einer Frau angeführt werden. Im Gespräch ist unter anderem Victoria Tolosa Paz, Vorsitzende des Nationalrats für die Koordination der Sozialpolitik. Tolosa ist mit Präsident Fernández befreundet und im gleichen Stadtviertel wie CFK aufgewachsen. Allerdings zogen Tolosas fragwürdige Aussagen über den Stand der Rechtsstaatlichkeit und den Wahlverlauf in Venezuela den entrüsteten Blick der Verfechter republikanischer Werte auf sie. Tolosa ist allerdings nicht die einzige Regierungsvertreterin, die durch unglückliche Äußerungen negativ auffiel. Präsident Alberto Fernández selbst sorgte wiederholt mit taktlosen Bemerkungen über die argentinischen Nachbarländer und die afroamerikanische Minderheit bei öffentlichen Ansprachen für Aufruhr. Seine anschließenden Revidierungsversuche verschlimmbesserten die Lage nur. Es ist nicht das erste Mal, dass Fernández‘ Abweichungen von seinen inzwischen von einem Kommunikationsteam vorbereiteten Reden für einen Glaubwürdigkeitsverlust sorgen. Einer Studie der renommierten Universität Torcuato Di Tella zufolge war seine Popularität in der ersten Junihälfte 39 Prozent geringer als im gleichen Zeitraum 2020. Innerhalb des vorhergehenden Monats sank sie um 11,8 Prozent. Damit liegt sie 13 Prozent unterhalb des Tiefpunkts seines Vorgängers Mauricio Macri (PRO). Weiterhin büßte die Regierungsallianz bereits erste Rückschläge bei den Wahlen der Parlamente der Provinzen Misiones und Jujuy ein, wo sie sich nicht gegen die Kandidaten der regionalen Parteien und Opposition durchsetzen konnte. Auch in der Provinz Corrientes stehen die Karten für die zerstrittene peronistische Partei Partido Justicialista, die das Zentrum der Regierungsallianz Frente de Todos bildet, schlecht. Die Aufschiebung der nationalen Vor- und Midterm-Wahlen um einen Monat auf September und November verschafft dem Parteienbündnis zwar Luft, nichtsdestotrotz ist angesichts der schleppenden Impfkampagne und des ambivalenten Krisenmanagements eine Stimmenabwanderung hin zur Opposition, vor allem bei den Wählern der krisengebeutelten Mittelschicht, zu erwarten. Bei den Zwischenwahlen werden die Hälfte der Abgeordneten und ein Drittel des Senats neubestimmt. Das Ergebnis ist unter anderem für die Regierungsfähigkeit des Präsidenten ausschlaggebend. Momentan verfügt seine Regierung nur über eine knappe Mehrheit in beiden Kammern. Gemäß dem Erfolg oder Misserfolg der Wahlkampagne kann diese konsolidiert oder verringert werden.

Ambivalente Menschenrechtspolitik

Die Haltung der argentinischen Regierung bei der Abstimmung der Organisation Amerikanischer Staaten am 15. Juni und der 47. Versammlung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen sorgten für Unverständnis in Diplomatenkreisen und bei Außenpolitikexperten: Die Vertreter des südamerikanischen Landes hatten sich geweigert, die gemeinsamen Absichtserklärungen der Staatengemeinschaften zu unterzeichnen. Diese hatten zum Ziel, die Menschenrechtsverletzungen bei den Protesten gegen das Regime von Daniel Ortega (Nicaragua), zu verurteilen, und die Freilassung der verhafteten Oppositionellen, die Wahrung der Menschenrechte sowie das Abhalten freier, demokratischer Wahlen einzufordern. Argentiniens unerwartete Enthaltung trübte auch die bilateralen Beziehungen zu den USA, die im Vorfeld um Argentiniens Stimme geworben hatten. Das südamerikanische Land unterzeichnete auch nicht den offenen Brief der kanadischen Vertreterin bei den Vereinten Nationen, Leslie Norton, in Bezug auf die Verletzung der Menschenrechte der muslimischen Uiguren-Minderheit in China sowie die Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Hong Kong. Argentinien befindet sich somit auf der Linie der linkspopulistischen ALBA-Allianz, die die Absichtserklärungen als Einmischung in innere Angelegenheiten diffamiert. Die Argumentation der argentinischen Regierungsvertreter ist auch insofern inkohärent, als dass die uneingeschränkte Verteidigung der Menschenrechte Teil der Regierungserklärung ist und sie beispielsweise die israelische Regierung wegen ihres Konfliktmanagements im Gazastreifen bei der vorhergehenden VN-Versammlung scharf kritisiert hatten.

 

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Olaf Jacob

Olaf Jacob

Leiter des Auslandsbüros Chile

olaf.jacob@kas.de +56 22 234 20 89

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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.

Susanne Käss

Susanne Käss bild

Leiterin des Auslandsbüros Argentinien / Leiterin des Auslandsbüros Brasilien (kommissarisch)

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