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Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing marzo, abril y mayo 2025

Protest der Rentner vor dem Nationalkongress

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Sinkende Zustimmungswerte

 

Die politische Stimmung in Argentinien hat sich in den vergangenen drei Monaten spürbar verändert. Präsident Javier Milei, der bei seinem Amtsantritt noch von einem breiten Vertrauensvorschuss profitierte, sieht sich zunehmend mit Kritik und wachsender Ablehnung konfrontiert. Laut aktuellen Umfragen liegt seine Zustimmung derzeit bei etwa 47 %, während knapp 49 % seine Amtsführung ablehnen.

Ein Auslöser für die wachsende Unzufriedenheit war u.a. Mileis verspätete Reaktion auf die Überschwemmungskatastrophe in Bahía Blanca Anfang März. Mindestens 16 Menschen kamen ums Leben. Während Rettungskräfte und lokale Organisationen rasch reagierten, ließ ein offizielles Statement des Präsidenten mehrere Tage auf sich warten. Ihm wurde mangelndes Mitgefühl und fehlende Präsenz in Krisenzeiten vorgeworfen.

 

Sozialer Widerstand gegen Sparpolitik: Streiks, Demonstrationen und Kritik am Staatsumbau

 

Die Folgen der radikalen Sparpolitik der Regierung haben in den vergangenen Monaten zu einer Welle sozialer Mobilisierungen geführt. Besonders drastisch war die Eskalation einer Rentnerdemonstration am 12. März vor dem Kongress in Buenos Aires. Die Protestierenden kritisierten unzureichende Renten, fehlende Medikamente und Kürzungen im Gesundheitswesen. Der Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen durch Sicherheitskräfte sorgte für nationale Empörung. Es gab zahlreiche Verletzte und Festnahmen.

Am 10. April organisierte außerdem der Allgemeine Gewerkschaftsbund (Confederación General del Trabajo) einen landesweiten Generalstreik, an dem sich Beschäftigte aus nahezu allen Sektoren beteiligten. Der öffentliche Verkehr kam zum Erliegen. Schulen, Banken und Flughäfen blieben geschlossen.

 

Kontroverse um IWF-Führung und Haushaltsdisziplin

 

Für zusätzliche innen- und außenpolitische Spannungen sorgte im April ein Streit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Nachdem der IWF öffentlich die argentinische Regierung für ihre Haushaltsdisziplin lobte, warf Axel Kicillof, Gouverneur der Provinz Buenos Aires, der IWF-Chefin Kristalina Georgieva vor, sie habe ihre politische Neutralität verletzt. In einem offenen Brief forderte er eine Untersuchung und sprach von einer „Einmischung in die nationale Souveränität“ inmitten eines Wahljahres.[5] Die Regierung wies die Vorwürfe entschieden zurück und bezeichnete die Kritik als gezielte politische Inszenierung.

 

Vorbereitungen auf die Zwischenwahlen im Oktober: Neupositionierung der Parteien

 

Mit Blick auf die nationalen parlamentarischen Zwischenwahlen im Oktober zeichnet sich eine zunehmende Fragmentierung und Neupositionierung der politischen Landschaft ab. Erneuert werden über die Hälfte der Sitze im Abgeordnetenhaus sowie ein Drittel des Senats – eine entscheidende Etappe für die Regierung, um ihre derzeit fragile parlamentarische Mehrheit zu festigen.

 

Symbolträchtig war der offizielle Beitritt von Sicherheitsministerin Patricia Bullrich zur Regierungspartei. Die ehemalige PRO-Kandidatin und einstige Gegenspielerin Mileis bringt nicht nur politische Erfahrung, sondern auch Einfluss im konservativen Lager mit.

 

Ein umstrittener Schritt der Provinzregierung von Buenos Aires war der Beschluss, die obligatorischen Vorwahlen (PASO) auszusetzen – laut offizieller Begründung aus Kostengründen.[6] Die Opposition wertete dies als Angriff auf die innerparteiliche Demokratie.

 

Im nationalen Parlament scheiterte Anfang Mai ein Gesetzesvorhaben zur Einführung eines sogenannten „Ficha Limpia“-Mechanismus, das Kandidaturen für öffentliche Ämter bei rechtskräftigen Korruptionsurteilen ausgeschlossen hätte. Die Initiative verfehlte mit 36 zu 35 Stimmen knapp die notwendige Mehrheit.

 

Ein weiterer Hinweis auf die politische Neuordnung war die parlamentarische Zwischenwahl in der Stadt Buenos Aires am 18. Mai. La Libertad Avanza gewann mit etwa 30 % der Stimmen und setzte sich damit erstmals in der Hauptstadt als stärkste Kraft durch. Die bisher dominierende PRO kam nur auf 15,8 %. Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 53 %, trotz bestehender Wahlpflicht.


Insgesamt traten 17 Listen an, was die zersplitterte Parteienlandschaft widerspiegelt, insbesondere im bürgerlich-konservativen Lager.


Bemerkenswert war zudem die Kandidatur des Regierungssprechers Manuel Adorni für das Stadtparlament, die die strategische Bedeutung dieser Wahl unterstrich.

 

Pressefreiheit und institutionelle Kontroversen

 

Argentiniens Platz im weltweiten Ranking von „Reporter ohne Grenzen“ verschlechterte sich im Mai um 21 Positionen – das Land belegt nun Rang 87. Kritisiert wird u.a. die aggressive Rhetorik der Regierung gegenüber kritischen Medien, die Stigmatisierung unabhängiger Berichterstattung sowie der politische Druck durch die Einschränkung staatlicher Werbemittel.

Auch die Justizpolitik der Regierung sorgte für Kontroversen: Präsident Milei ernannte im Februar per Dekret zwei Richter für den Obersten Gerichtshof, ohne Zustimmung des Senats. Die Umgehung des parlamentarischen Verfahrens rief Kritik von Opposition und Medien hervor.

Zusätzlichen innenpolitischen Druck verursachte der sogenannte „Cryptogate“-Skandal: Medien berichteten über mutmaßliche Verbindungen Mileis zu einer betrügerischen Kryptowährung namens „$LIBRA“. Die Regierung sprach von Identitätsdiebstahl. Als Reaktion führte die Finanzaufsicht CNV erstmals verbindliche Regeln für Kryptodienstleister ein.

 

Internationale Symbolpolitik

Der Tod von Papst Franziskus am 21. April war ein innen- und außenpolitisch bedeutendes Ereignis. Präsident Milei, der das Kirchenoberhaupt in der Vergangenheit wiederholt scharf kritisiert hatte, reiste zwar zur offiziellen Beerdigung nach Rom, traf jedoch verspätet ein und verpasste damit die öffentliche Totenwache im Petersdom. In argentinischen und internationalen Medien wurde dies als diplomatisches Versäumnis gewertet. Kritiker warfen ihm mangelnde Sensibilität und symbolisches Desinteresse vor. Auf entsprechende Berichterstattung reagierte Milei scharf und beschimpfte kritische Journalistinnen und Journalisten öffentlich als „Journalistenschweine“.

Zudem besuchte im Mai Admiral Alvin Holsey, seit November 2024 Leiter des U.S. Southern Command, erstmals Argentinien. Gespräche mit der Regierung betrafen u.a. die militärische Zusammenarbeit. Für Februar 2026 ist ein gemeinsames Marine-Manöver im Südatlantik geplant.

 

Historische Aufarbeitung

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Das argentinische Außenministerium veröffentlichte gemeinsam mit dem Justizministerium und der Universität Buenos Aires über 6.000 bislang geheim gehaltene Dokumente. Sie betreffen sowohl die Einwanderung von NS-Verbrechern nach dem Zweiten Weltkrieg als auch staatliche Repressionsmechanismen während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983. Die Freigabe wurde von Historikerinnen und Historikern als wichtiger Schritt für eine institutionalisierte Aufarbeitung gewertet.

 

Fast zeitgleich entdeckten Mitarbeiter des Obersten Gerichtshofs bei Aufräumarbeiten 83 Kisten mit NS-Propaganda, Fotos, Postkarten und offiziellen Dokumenten, die während des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmt worden waren. Ursprünglich stammten sie aus einer Sendung der deutschen Botschaft in Tokio an die Vertretung in Buenos Aires. Das Holocaustmuseum wurde mit der Konservierung beauftragt.
Der Fund erinnert an die ambivalente Rolle Argentiniens in der NS-Zeit – ein Land, das nach 1945 sowohl NS-Tätern als auch jüdischen Geflüchteten Zuflucht bot.

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Kontakt Susanne Käss
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Leiterin des Auslandsbüros Argentinien
susanne.kaess@kas.de +54 11 4326-2552

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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.

Susanne Käss
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Leiterin des Auslandsbüros Argentinien
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