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Länderberichte

Im Abseits

von Dr. Kristin Wesemann, Roberto Luppi, Anna Raith

Im argentinischen Fußball mischt die Politik mit

Fußball, Gewalt, Kriminalität und Politik sind Wörter, die am Rio de La Plata in einem Atemzug ausgesprochen werden. Die Verstrickungen zeigen sich besonders im Umfeld von Großereignissen wie der Fußballweltmeisterschaft im Nachbarland Brasilien. Die Wurzeln des Problems liegen tief – denn oft ziehen bekannte Personen aus dem politischen Leben die Fäden im Hintergrund.

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„Du weißt, wer uns schickt.“ Am 29. November 2013, um 11 Uhr hatte ein Mann in der Uniform eines Postboten an seiner Tür geklingelt. Als der 63-jährige Claudio Ciancio, einer der Chefs des Fußballclubs Independiente, öffnete, stürmten zwei bewaffnete Männer in die Wohnung. Sie schlugen ihn mit ihren Gewehrkolben und fesselten den Funktionär der „Roten Teufel“, einem der großen fünf Vereine im argentinischen Fußball, an seinem Esstisch. Mehr als 100.000 Mitglieder hat der Verein vor den Toren von Buenos Aires in der ganzen Welt.

Die Einbrecher nahmen 5.000 US-Dollar mit, wollten aber auch warnen: Schon elf Tage vorher hatte ein Anführer der Independiente-Anhänger zu Ciancio gesagt: „Die Jungs sind richtig genervt, weil du sie zu viel überwachst und kontrollierst. Ich kann sie nicht länger in Griff halten.“ Was geschieht, wenn “die Jungs” außer Kontrolle geraten, erfuhr Ciancio an diesem Morgen auf schmerzhafte Weise.

Ein Einzelfall ist das nicht. Die Beziehungen zwischen Managern der argentinischen Fußballklubs und den militanten Anhängern sind vielerorts gespannt. Im April 2014 wurde Matías Lammens, dem Präsidenten von San Lorenzo, gedroht: „Te voy a pegar un tiro!“, sagte ihm Gonzalito, einer der Fans mit Macht innerhalb des Klubs. „Ich erschieße dich!“ Der Grund? Lammens hatte sich geweigert, den Fans die Reise zur WM zu spendieren. Doch genau das hatten sie von ihm, dem Präsidenten ihres Vereins, erwartet.

Dabei sind diese offenen Drohungen und Angriffe lediglich vereinzelte Episoden der tief sitzenden Gewaltbereitschaft im argentinischen Fußball. Zwischen den Barras Bravas, den „Wilden Horden”, und der Vereinsleitung besteht traditionell ein kompliziertes System der Abhängigkeit. In der Regel funktioniert es nach dem Muster: Ich gebe dir etwas, damit du mir etwas zurückgibst.

Diese Art von Patronage und Klientelismus wird immer dann wirkungsmächtig, wenn große politische Ereignisse anstehen, so wie die Provinz-, Kongress- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Die Wilden Horden werden gern als lateinamerikanische Mischung aus Hooligans und Ultras charakterisiert, zwei Fankulturen, die auch in Europa wirtschaftlichen und politischen Einfluss haben.

„Die kriegen uns nie“

„Wir werden alle Informationen, die wir haben, mit unseren brasilianischen Kollegen teilen, und uns um die argentinischen Grenzen und Routen kümmern, um Barras-Auseinandersetzungen zu vermeiden“, hatte schon Monate vor der Weltmeisterschaft ein Beamter des argentinischen Sicherheitsministeriums verkündet. Beruhigt hatte das niemanden in Brasilien. Vielmehr forderte die Regierung die Namen jener Barra-Mitglieder, die der Polizei bekannt sind, die Stadionverbot haben oder denen Prozesse drohen. Das Ziel dieser Anfrage war die Vermeidung von gewaltsamen Zusammenstößen wie bei der WM in Südafrika, als die Hinchadas Unidas Argentinas (HUA-Argentinische Fanvereinigung) ein trauriges Bild boten: Einer von ihnen starb, und 29 Personen wurden inhaftiert. Die Bilder gingen um die Welt. Diese Vereinigung hat sich inzwischen aufgelöst.

Trotzdem sollen neben tausenden friedlichen Fans bis zu 1.200 Hooligans nach Brasilien gereist sein. Selbst wenn einige Politiker es gewollt hätten – ihre Abfahrt konnte aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen nicht verhindert werden. Von brasilianischer Seite wollte man die Barras bereits an den Grenzen aufhalten. Der Sportminister hatte vor der WM verkündet: „Wir werden verhindern, dass die Barras mit Vorstrafen nach Brasilien kommen, und wenn sie es doch schaffen, werden wir sie identifizieren und nach Hause schicken.“ Die Barras nahmen diese Drohung nicht ernst: „Diejenigen, die ein laufendes Verfahren haben, reisen über Bolivien oder Paraguay“ – und entgehen den Kontrollen. „No nos agarran más“, lautete die Parole. „Ihr kriegt uns nie im Leben.“

Nur: Es ist fraglich, ob es in Argentinien wirklich den Willen gab, die Barras im Land zu halten. Die Tageszeitung Clarín schrieb, dass der nationale Fußballverband (Asociación del Futbol Argentino - AFA) den Barras 900 Eintrittskarten für die drei Gruppenspiele weitergegeben hatte. Aber das genügte ihnen offenbar nicht. Sie sollen weitere 500 Tickets für den Schwarzmarkt verlangt haben – um mit den Erlösen ihre Urlaubskasse zu füllen. Offiziell wird dies jedoch dementiert.

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