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John MacDougall. Reuters

Auslandsinformationen

Editorial

Sonderausgabe 2020

Die erste Amtszeit von US-Präsident Donald Trump neigt sich dem Ende entgegen. Es ist wohl keine Übertreibung, festzustellen, dass es um das transatlantische Verhältnis schon einmal besser bestellt war. Das Vertrauen der Europäer in die USA ist gesunken, die transatlantische Partnerschaft belastet. Vier Jahre Trump haben ihre Spuren hinterlassen. Die Schnittmengen zwischen den transatlantischen Partnern haben sich in den vergangenen Jahren zweifelsohne verringert. Dies wird in zahlreichen Beiträgen der vorliegenden Sonderausgabe der Auslandsinformationen deutlich, die in Kooperation mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entstanden ist. Die enthaltenen Texte zeichnen gleichwohl ein vielschichtiges Bild von Zustand und Perspektiven der transatlantischen Partnerschaft.

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Wandel und Kontinuität in der US-Außenpolitik

Strafzölle, US-Truppenabzug aus Deutschland, Austritt aus dem Atomabkommen mit Iran: An Kontroversen hat es in den vergangenen vier Jahren nicht gemangelt. Nicht alle Spannungen in den europäisch-amerikanischen Beziehungen sind indes auf grundlegend neue Weichenstellungen in der US-Außenpolitik zurückzuführen. Trumps Kritik an der aus seiner Sicht unfairen Lastenverteilung innerhalb der NATO etwa ist inhaltlich nicht neu – wird von ihm nur schärfer formuliert als von seinen Amtsvorgängern. Und auch der Rückzug der USA aus internationalen Verpflichtungen und multilateralen Zusammenhängen hat seine Vorläufer. Die „unilaterale Wende“ der amerikanischen Außenpolitik ist historisch betrachtet kein vollständiger Bruch, sondern folgt in Teilen der traditionellen amerikanischen Logik, die das multilaterale System realpolitisch als Mittel zum Zweck – der Durchsetzung amerikanischer Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen – betrachtet.

Gleichwohl hat sich die Trump-Administration in Teilbereichen deutlich von politischen Traditionslinien abgesetzt – auch von jenen der Republikanischen Partei. Als klarer Bruch lässt sich etwa der Protektionismus in der Handelspolitik identifizieren, dem eine stärker auf Freihandel ausgerichtete europäische Haltung gegenübersteht. In der Handels- und Wirtschaftspolitik gehen die Positionen der transatlantischen Partner teilweise weit auseinander.

 

Europäische Verunsicherung

Fraglos haben sich mit Donald Trump auch Stil und Rhetorik im Weißen Haus geändert, der Umgangston im transatlantischen Bündnis ist ein anderer. Durch den transaktionistischen, teils erratischen Stil Trumps hat eine neue Logik Einzug in die US-Außenpolitik gehalten. Getreu dem Motto „America first“ wird die amerikanische Außenpolitik stärker an innenpolitischen Wählergruppen ausgerichtet. Die Politik Trumps ist Symptom eines tiefergreifenden innenpolitischen Wandels in den USA. Sie trägt der zunehmenden Spaltung der amerikanischen Gesellschaft Rechnung, die sich bereits seit mehreren Jahren abzeichnet und Resultat eines wirtschaftlichen und soziopolitischen Strukturwandels ist. Auch im Umgang mit der Coronapandemie hat sich diese stark auf die Innenpolitik ausgerichtete Orientierung wieder einmal gezeigt.

Für die Europäer stellt dies vor allem mit Blick auf die Sicherheitspolitik eine große Herausforderung dar. In diesem Bereich ist die Abhängigkeit Europas vom amerikanischen Verbündeten besonders groß – und damit auch die Verunsicherung, wenn der vormalige Sicherheitsgarant alte Gewissheiten zur Disposition stellt.

 

Die transatlantischen Beziehungen bleiben alternativlos

In vielen Bereichen überschneiden sich die Interessen der transatlantischen Partner dagegen weiterhin. Das gilt beispielsweise im Bereich der Digitalisierung, wo die USA im Konkurrenzkampf mit China auf verlässliche Partner angewiesen sind. Dabei geht es auch darum, die liberale Ordnung zu verteidigen und für das digitale Zeitalter weiterzuentwickeln. Gegenüber China und Iran verfolgen die USA und Deutschland durchaus kongruente Ziele, wenngleich man über die Mittel nicht immer einig ist.

In den kommenden Jahren wird es darauf ankommen, mit den USA im Dialog zu bleiben und die Beziehungen pragmatisch auszugestalten. Deutschland kann die für seine Interessen unerlässliche regelbasierte Weltordnung nicht ohne die USA und erst recht nicht gegen die USA verteidigen. Transatlantische Freundschaft heißt dabei nicht, durchgängig einer Meinung zu sein. Deutschland und die EU müssen Mut zur klaren Positionierung beweisen. Sachliche Kritik wird in den USA – wenn nicht von allen, so doch von vielen – auch als Stärke und Zeichen des Respekts verstanden.

Im Hinblick auf die multilaterale Ordnung müssen Deutschland und die Europäische Union aktiv in die Bereiche vordringen, aus denen sich die USA zurückziehen. Klar ist allerdings auch: Mit dem Bemühen um multilaterale Partner können die transatlantischen Beziehungen komplementiert, nicht aber ersetzt werden. Maßgeblich entscheidend wird sein, die Europäische Union nach innen und außen handlungsfähiger zu machen und mehr Verantwortungen in der internationalen Politik zu übernehmen.

Das transatlantische Bündnis mag sich derzeit in schwierigem Fahrwasser befinden. Es bleibt jedoch unverzichtbar – und das unabhängig davon, wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr

Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Euro­päische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).

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