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Marcelo del Pozo, Reuters

Auslandsinformationen

Editorial

„Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun.“ So formulierte es einst der französische Politiker, Diplo­mat und Journalist Alain Peyrefitte. Ganz gleich, ob man sie als „Wachhunde“, „Gatekeeper“ oder „Vierte Gewalt“ bezeichnen möchte: Freie Medien sind als Kontroll­instanz ein unverzichtbarer Bestandteil einer freiheitlichen Demokratie.

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Doch wie steht es rund um den Globus heute um diese Freiheit? Katharina Naumann zeichnet in ihrem Beitrag ein Bild mit etwas Licht und viel Schatten. Denn in vielen Ländern der Welt steht freier Journalismus seit Jahren unter steigendem Druck. Und die aufstrebende Weltmacht China hat sich nicht weniger als den Export ihres eigenen Verständnisses von Journalismus – sprich: Propaganda – auf die Fahnen geschrieben. Andererseits lassen sich auch positive Entwicklungen erkennen, denn nicht zuletzt durch die Coronapandemie sind sich weltweit viele Menschen der Bedeutung von zuverlässigem und unabhängigem Journalismus wieder klarer bewusst geworden.

Zugleich wird immer deutlicher, dass Medien – gerade auch neue, digitale Medien – eines Minimums an Regulierung bedürfen, um zu verhindern, dass durch Desinformation die Meinungsfreiheit mit beträchtlichem Schaden für den öffentlichen Diskurs missbraucht wird. Es ist ein schmaler Grat: Ein Gesetz, das in einem demokratischen Staat zur Bekämpfung von Fake News geeignet ist, kann in den Händen einer autokratischen Regierung schnell in Zensur umschlagen, um unbequeme Stimmen zu unterdrücken. So wie Demokratie ohne freie Medien nicht denkbar ist, so werden auch die Medien nur in einer Demokratie dauerhaft frei sein.

Tobias Schmid entwirft in dieser Ausgabe der Auslandsinformationen einen Ansatz, wie eine freie Gesellschaft einerseits gegen Desinformation vorgehen kann, ohne andererseits die Meinungsfreiheit unzulässig einzuschränken. Er plädiert für ein abgestuftes Regulierungsmodell, das sich der inhaltlichen Bewertung von Aussagen und Meinungen als richtig oder falsch, gut oder schlecht so weit wie möglich enthält.

Einen schwierigen Balanceakt muss auch die Ukraine bewältigen, wie Toni Michel in seinem Beitrag analysiert. Das Land befindet sich seit 2014 in einem hybriden Krieg, in dem prorussische Medien mit ihren Desinformationskampagnen eine prominente Rolle spielen. Dieser Herausforderung müsse das Land entschieden begegnen, so der Autor, allerdings auf der Grundlage transparenter Verfahren und Entscheidungen unabhängiger Gremien.

Mexiko ist als eines der gefährlichsten Länder für Journalisten berüchtigt. Neben der Bedrohung durch das organisierte Verbrechen, so Hans-Hartwig Blomeier und Luis Téllez Live, haben Medienvertreter dort aber zunehmend auch mit der aggressiven und polarisierenden Rhetorik von Präsident Andrés Manuel López Obrador zu kämpfen. Ähnliches beobachten Olaf Jacob und Adriana Amado in Bezug auf Argentinien. Wachsende Spannungen zwischen Präsident Alberto Fernández und den Medien, kombiniert mit einer starken finanziellen Abhängigkeit vieler Zeitungen und Sender von staatlichen Werbebudgets, belasten die Pressefreiheit auf der Südwestseite des Río de la Plata.

Auch der Blick auf das Land, das oft als größte Demokratie der Welt bezeichnet wird, stimmt besorgt. Peter Rimmele zeichnet nach, wie die indische Regierung in den vergangenen Jahren die Grenzen der Meinungsfreiheit für Journalisten, aber auch Kulturschaffende immer enger gezogen hat, auch wenn die Justiz des Landes in vielen Fällen noch dagegen steuert.

Doch es gibt auch Anlässe zur Hoffnung, die oft genug von innovativen Journalisten und Medien ausgehen, die sich mit ihren Konzepten und Produkten auch unter widrigen Umständen behaupten. Christoph Plate und David Mbae zeigen anhand zweier Unternehmen aus Subsahara-Afrika, wie sich Verlässlichkeit, Qualität und das Vertrauen in neue, digitale Formate für Medien auszahlen und diese auch erfolgreich durch die Coronapandemie bringen. Ulf Laessing wiederum wirft einen Blick auf die Medienlandschaft im Nahen Osten und Nordafrika. Auch wenn der „Arabische Frühling“ viele demokratische Versprechen nicht hat halten können: Der Geist der Freiheit ist auch im Medienbereich aus der Flasche und bricht sich nicht zuletzt durch unabhängige, private Onlineformate Bahn.

Nicht auf die Berufsgruppe der Journalisten, sondern die der Richter in Südosteuropa blicken schließlich Ferdinand A. Gehringer, Hartmut Rank, Mahir Muharemović und Stanislav Splavnic. Bis wohin reicht die Meinungsfreiheit von Richtern, wo setzt deren Pflicht zur Unabhängigkeit dieser Freiheit legitime Grenzen und wo nehmen Regierungen diese Pflicht nur zum Vorwand, um unbequeme Richter zum Schweigen zu bringen?

Kritische Stimmen verstummen zu lassen, ist das Ziel autoritärer Machthaber. Die Formel „ohne freie Medien keine Demokratie“ haben sie in der Regel verstanden – und ziehen ihre ganz eigenen Konsequenzen. Dem sollten Deutschland und Europa etwas entgegensetzen, indem sie freien Journalismus als integralen Bestandteil von Demokratie weltweit fördern und nicht zuletzt „zu Hause“ beweisen, dass auch komplexe Probleme wie die Regulierung von Desinformation nach dem Grundsatz gelöst werden können: im Zweifel für die Meinungsfreiheit!

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr

Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Euro­päische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).

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