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Länderberichte

Rassenunruhen und Verhaftung von Oppositionellen

von Johannes D. Rey
Die letzten Wochen in Malaysia waren geprägt von Zusammenstößen zwischen Angehörigen der indischen und der malaiischen Volksgruppe und Verhaftungen prominenter Oppositioneller sowie der besonders von Regierungsseite ausgehenden "Beschwörung" einer malaiischen Einigkeit.

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Anfang März kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Indern und Angehörigen der malaiischen Volksgruppe. Dies waren die ersten Rassenunruhen seit 32 Jahren - seit dem in Malaysia traumatisch verankerten Aufstand vom 13. Mai 1969, wo es nach Zusammenstößen zwischen Chinesen und Malaien mindestens 200 Tote gab.

Am 09. März diesen Jahres kam es in einem von Armen bewohnten Vorort von Kuala Lumpur (Kampung Medan) zu einem Streit, als eine indische Trauergemeinde auf eine malaiische Hochzeitsgesellschaft traf. Dabei habe ein betrunkener indischer Mann einen Stuhl umgeworfen und so eine Konfrontation provoziert, berichteten die Zeitungen. 48 Menschen wurden während der tagelang andauernden Kämpfe verletzt. Offiziellen Angaben zufolge gab es sechs Tote. Fünf Opfer waren indischer Abstammung. Von den Engländern vor 140 Jahren zur Arbeit in den Gummiplantagen und zum Eisenbahnbau ins Land geholt, gehören die Inder bis heute zur unterprivilegierten Klasse in Malaysia. Viele von ihnen leben am Rande des Existenzminimums in den Armenvierteln der Städte oder als Plantagenarbeiter auf dem Land.

Die ausländische Presse und die Opposition berichten von über einem Dutzend Toten. Unter der Hand wird in Malaysia auch von ca. 30 Toten gesprochen. Die Polizei, die laut Zeugenaussagen eher zögerlich durchgriff, verhaftete insgesamt 314 mehrheitlich malaiische Unruhestifter, von denen bis jetzt 77 angeklagt wurden.

Im Zusammenhang mit anderen politischen Nachrichten aus Malaysia stellen diese jüngsten Gewaltausbrüche den bisherigen Höhepunkt zunehmender rassistischer Spannungen dar. Diese liegen nicht zuletzt darin begründet, dass die Regierung Mahathir in den vergangenen Monaten die "Rassenkarte" besonders betont hat, um ihren Einfluss bei den ethnischen Malaiien wieder zu stärken. Die Uneinigkeit der malaiischen Volksgruppe und die damit verbundene Abwendung von der Regierungspartei UMNO (United Malays National Organization) hat seit dem Sturz und dem Verfahren gegen den ehemaligen stellvertretenden Premierminister und Finanzminister Anwar Ibrahim (September 1998) zugenommen.

Dies hat nicht zuletzt das Ergebnis der letzten Allgemeinen Wahlen im November 1999 deutlich gemacht: Die Partei von Premier Mahathir, UMNO, deren Stammwähler vorwiegend ethnische Malaiien sind, musste herbe Verluste einstecken. Viele Wähler wanderten zur islamistischen Oppositionspartei PAS (Parti Islam SeMalaysia) ab. Die PAS regiert seit den letzten Wahlen neben dem nördlichen Bundesstaat Kelantan auch das ölreiche Terengganu.

Mahathir, der angekündigt hat, sich im Jahr 2004 (voraussichtlicher Zeitpunkt der nächsten Allgemeinen Wahlen) zurückziehen zu wollen, versucht derzeit die malaiische Einigkeit zu propagieren. Er betont seit längerem, dass die speziellen Privilegien, die die Malaien genießen ("Bumiputra-Politik"), in Gefahr seien und nur die UMNO-geführte Regierungskoalition diese bewahren könne. Auf diese Weise entfacht Mahathir in einer Gesellschaft - die von einem "latenten Rassismus durchsetzt ist" (so A. Razak Baginda, Leiter der KAS-Partnerorganisation MSRC, in seiner sonntäglichen Zeitungskolumne) - gerade die Brände, die er zu verhindern sucht.

So hat er beispielsweise im Rahmen der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag im letzten August wieder einmal vor "chinesischen Extremisten" gewarnt, die die Harmonie zwischen den Rassen zerstören wollten. (Die sich aus diversen chinesischen Gruppierungen zusammengesetzte Interessenvertretung "Suqiu" hatte zum wiederholten Mal vorgeschlagen, die malaiischen Privilegien zurückzuführen und aufzuheben.) Mitglieder der Opposition klagten Premier Mahathir daraufhin der bewussten Übertreibung an mit der Intention, den ethnischen Minderheiten (30% Chinesen, 8% Inder) noch einmal vor Augen zu führen, dass die "Bumiputra-Politik" der Preis für ein Leben in Frieden sei.

Aber selbst innerhalb der UMNO hat der Parteivorsitzende Mahathir Gegenstimmen: Im Februar erlaubte er Mitgliedern seiner Partei, eine Versammlung in Kuala Lumpur zu veranstalten. Eine Bewegung mit dem Namen "Malay Action Front (MAF)", die einer angeblichen "chinesischen Bedrohung" entgegentreten sollte, wurde gegründet. Allerdings lief die Veranstaltung dann anders als von der Parteiführung geplant ab. Viele Sprecher nutzten die Gelegenheit, ihre Unzufriedenheit mit der UMNO-Führung auszudrücken. Sie klagten die Regierung an, Korruption und Vetternwirtschaft nicht ausreichend zu bekämpfen. Dies wirft auch die Opposition - nicht zuletzt über die mittlerweile zahlreichen Anti-Regierungswebsites - den Herrschenden vor. Die Regierung reagierte mit Verhaftungen von Oppositionellen und der Anwendung des von den Briten übernommenen "Internal Security Act (ISA)", der eine Verhaftung ohne Gerichtsverfahren bis zu zwei Jahren ermöglicht.

Anfang März wurde u. a. Mohamad Ezam Noor, Jugendführer der von der Ehefrau Anwar Ibrahims gegründeten Keadilan (Gerechtigkeits-) Partei, verhaftet. Er wurde der Aufwiegelung zum Sturz des Premierministers angeklagt. Ezam, der die Vorwürfe bestreitet, ist nach Hinterlegung einer Kaution von RM 5.000 wieder auf freiem Fuß, die Voranhörung wird vermutlich Mitte April erfolgen. Auch diese Verhaftung wird sich für UMNO alles andere als hilfreich erweisen, da Ezam in den Augen der Öffentlichkeit einem jungen Anwar Ibrahim gleicht und viele Sympathien genießt.

UMNO verliert anscheinend zunehmend den Rückhalt in der Bevölkerung. Während die malaiische Landbevölkerung mehr und mehr die islamistische PAS vorzieht, favorisieren viele Malaien aus der Stadt die Keadilan Partei von Frau Wan Azizah Wan Ismail, die eine pluralistischere Form von Demokratie propagiert.

Andererseits gibt es innerhalb des Oppositionsbündnisses zunehmend Zerwürfnisse. So kam es Ende Februar zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen der chinesisch geprägten "Democratic Action Party (DAP)" und der Keadilan-Partei, als ehemalige, nach einem Streit mit ihrem Vorsitzenden Lim Kit Siang aus der Partei ausgeschlossene DAP-Mitglieder in die Keadilan-Partei eintraten. Dort wurden sie unter starkem Beifall von der Vorsitzenden Wan Azizah Wan Ismail persönlich begrüßt und aufgenommen.

Dies, so Lim Kit Siang, verstoße gegen die von den Oppositionsparteien getroffene Abmachung, keine "Abtrünnigen" eines Bündnispartners aufzunehmen. Nach einem Bruch im Koalitionsbündnis der Opposition sah es auch im November des vergangenen Jahres aus, als bei einer Nachwahl zum Parlamentssitz für den Wahlkreis Lunas im nordwestlichen Bundesstaat Kedah sowohl DAP als auch die Keadilan-Partei den Sitz für sich beanspruchten.

Hinzu kommen die sogenannten "Unity-Talks" zwischen der UMNO und der PAS, in denen laut UMNO ein Grundkonsens mit der PAS hinsichtlich der zukünftigen Bumiputra-Politik gesucht werden soll. Absicht der UMNO ist es, einen Keil zwischen der PAS und den anderen Oppositionsparteien zu treiben. Einige politische Beobachter sehen sogar die Möglichkeit einer Vereinigung zwischen der PAS und UMNO. Dies scheint nach heutigem Stand jedoch eher unwahrscheinlich.

Die Entwicklungen der letzten Wochen, insbesondere die immer noch nicht ganz abgeklungenen Zusammenstöße von Indern und Malaien in der Nähe Kuala Lumpurs könnten dazu führen, dass der Premierminister eine noch härtere Gangart anschlagen wird. In der Folge könnte dem Rassenkonflikt und den damit verbundenen zunehmenden staatlichen Repressionen Vorschub geleistet werden. Es zeigt sich deutlich, dass die seit 30 Jahren praktizierte "Bumiputra-Politik", die den ethnischen Malaien zahlreiche Vorteile verschafft hat und die in boomenden Wirtschaftszeiten ihren Rückhalt in der Bevölkerung fand, in dieser Form von großen Teilen der malaysischen Gesellschaft nicht mehr so akzeptiert wird.

Die von E. Haubold (FAZ vom 13. März 2001) und der Regierung vertretene These, die Unruhen seien hauptsächlich durch soziale Aspekte verursacht worden, ist nur zum Teil richtig. Die gesellschaftlichen und politischen Brüche sind tief gehender.

Neues Rotations-System in Sabah

In dem auf Borneo/Ostmalaysia gelegenem Bundesstaat Sabah ist eine Änderung im Rotationssystem bei der Wahl zum Ministerpräsidenten eingeführt worden.

In Sabah wird alle zwei Jahre ein neuer Ministerpräsident ernannt. Sabah wird von der Regierungskoalition "Barisan Nasional (BN)" regiert, die sich unter Führung der UMNO aus vielen kleinen Parteien zusammensetzt. Dazu gehören chinesisch geprägte Parteien, wie die "Liberal Democratic Party" (deren Parteivorsitzender Chong Kah Kiat wird am 27. März als neuer Chief Minister vereidigt und eröffnet am 24. April zum ersten Mal ein KAS/IDS Seminar) und die "Sabah Progressive Party". Die Volksgruppe der Kadazandusun wird im Bündnis durch die "United Pasok Momogon Kadazandusun Murut Organization" vertreten. 15% der Bevölkerung in Sabah sind Chinesen (Buddhisten oder Christen), 28 % entstammen der Volksgruppe der Kadazandusun (Animisten oder Christen), 20 % sind muslimische Bumiputras.

Bisher war es so, dass ein muslimischer Bumiputra-Chief Minister, der aus der Partei von Premier Mahathir, UMNO, stammte, von einem Vertreter der chinesischen Volksgruppe abgelöst wurde. Darauf folgte ein Repräsentant der ethnischen Gruppe der Kadazandusun. Bereits seit längerem hatte Premier Mahathir das Rotationssystem und die kurzen Amtszeiten der Chief Minister in Sabah kritisiert. Nachdem nun die Amtszeit seines Schützlings Osu Sukam (UMNO) am 18. März auslief, verkündete der Premierminister, dass das Rotationsprinzip zwar bestehen bleiben solle, aber da UMNO die größte Partei in Sabah sei, solle sie in Zukunft im Vergleich zu den anderen Gruppierungen zweimal den Chief Minister stellen. Es wird sich also um ein 2:1:1 Verhältnis handeln. Alle zwei Jahre, wenn die Amtszeit eines Chinesen oder Kadazandusun-Repräsentanten endet, wird nun in Sabah ein muslimischer Vertreter Chief Minister. Das bedeutet, dass UMNO als größte Partei in der Regierungskoalition stärkeren Einfluss in Sabah ausüben kann als bisher.

Kadazandusun-Politiker sowie chinesische Vertreter äußerten sich - zumindest in der Öffentlichkeit - verhalten. Man hätte nichts zu befürchten und sei sehr froh, dass das Prinzip der Machtteilung unter dem Rotationsprinzip bestehen bliebe, so der Tenor. Aber unter der Oberfläche bei den Parteiversammlungen ist es sicher zu heftigeren Reaktionen gekommen. Bedeutet diese Änderung doch einen großen Macht- und Einflussverlust der anderen ethnischen Gruppen zugunsten der muslimischen Bumiputras, die politisch mehrheitlich in der UMNO zuhause sind. Ebenso wird auch in diesem von Kuala Lumpur weit entfernten Bundesstaat der islamische Einfluss größer werden.

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Wolfgang Hruschka †

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