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Veranstaltungsberichte

Podiumsdiskussion über Brasilien nach der Wahl

Am 1. November, zwei Tage nach der Stichwahl in Brasilien, veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) eine hybride Podiumsdiskussion über das Ergebnis der Wahlen und die Rahmenbedingungen und Herausforderungen der neuen Regierung in Rio de Janeiro.

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Brasilien hat gewählt

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Anja Czymmeck, Leiterin des Auslandsbüros der KAS in Brasilien, betonte in ihrer Eröffnungsrede die gute Funktionsweise der demokratischen Institutionen des Landes, die einen geordneten und friedlichen Ablauf der elektronischen Wahlen gewährleisteten. Ferner unterstrich sie die Bedeutung der strategischen Partnerschaft zwischen Europa und Brasilien sowie die Bedeutung der multilateralen Tradition des Landes in internationalen Organisationen und Friedensmissionen. Anschließend stellte der Moderator José Mario Brasiliense des KAS-Kooperationspartners Oficina Muncipal (OM) die Referenten der Podiumsdiskussion vor.

Die erste Sprecherin, Grazielle Testa (Getulio Vargas-Stiftung – FGV), ging zunächst auf die angespannte Stimmung und Angst im Vorfeld der Wahlen ein. Zudem erläuterte sie, dass es sich um die erste Stichwahl handelte, bei der der amtierende Präsident nicht wiedergewählt wurde und der Abstand zwischen den beiden Kontrahenten der geringste seit Beginn der Redemokratisierung sei. Des Weiteren erklärte Testa, dass die Einführung der Sperrklausel zu einer Reduktion der Anzahl der Parteien geführt habe. Dies habe positive Auswirkungen auf die Regierungsfähigkeit, da die Parteienlandschaft nun weniger fragmentiert sei und Interessengruppen zusammengefasst wurden. Hinsichtlich der Bildung der Parteiverbände (federacoes) sei die Auswirkung auf die parlamentarische Arbeit abzuwarten. Mit Blick auf den Ausgang der Wahlen führte die Analystin an, dass das Wachstum der liberalen Partei (PL) die Frage aufwerfe, wer angesichts Präsident Bolsonaros Niederlage innerhalb des Rechtsextremismus eine Führungsrolle übernehmen werde. Der gesellschaftlich tief verankerte Konservatismus, dem es nicht gelungen war, einen Kandidaten mit Gewinnchancen zu positionieren, habe nun bis zur nächsten Wahl die Chance, sich zu ordnen und eine glaubwürdige Alternative anzubieten.

Die Ökonomin Juliana Damasceno (Tendências Consultoria) ging in ihrem Vortrag auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der neuen Regierung ein. Zwar habe sich die wirtschaftliche Lage Dank des Wachstums des Dienstleistungssektors von den Folgen der Pandemie erholt, angesichts der vertagten Anpassungen beispielsweise im Renten- und Verwaltungsbereich, der hohen Inflation und gestiegenen Haushaltsverschuldung gestalte sich die Finanzierung der Wahlversprechen im sozialpolitischen Bereich als schwierig. Es bleibe abzuwarten, ob die künftige Regierung den politischen Mut habe, die Ungleichgewichte im Haushalt anzugehen oder ob sie durch Steuer- und Abgabenerhöhungen, das Kippen der Haushaltsdeckelung und die Abschaffung der ungebundenen Mittel für die Vorhaben von Parlamentariern (emendas de relator) die Finanzierung der Wahlversprechen priorisieren wird. Dies hätte mangelnde Investition im öffentlichen Sektor, einen Glaubwürdigkeitsverlust im Ausland sowie die vertane Chance, die Prioritäten des Haushalts neu zu bestimmen, zur Folge.

Abschließend referierte Guilherme Casaroes (FGV) über die Bedeutung der Wahlergebnisse für Brasiliens Außenpolitik und internationale Wahrnehmung. Seiner Ansicht nach repräsentiert der Sieg von Luiz Inácio „Lula“ da Silva (Partidos dos Trabalhadores – PT) den Triumph der liberalen und pluralen Demokratie gegenüber einer Demokratie mit autoritären Zügen. Gleichzeitig stehe die neue Regierung vor der Herausforderung 58 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die teils aus Überzeugung, aber auch aufgrund der Korruptionsvorwürfe und Ablehnung der Linken Bolsonaro gewählt haben, von sich zu überzeugen und wieder für die Demokratie zu begeistern. Gleichzeitig sei festzustellen, dass die Bestätigung Lulas von mehr als 90 Staats- und Regierungschefs angesichts des langen Schweigens des scheidenden Präsidenten Bolsonaro den Weg für eine geordnete und friedliche Amtsübergabe geebnet zu haben scheint. Die neue Regierung stehe nun vor der Herausforderung Brasiliens Vormachtstellung in der internationalen Politik auszubauen. Insbesondere in den Bereichen Nichtlieferung von Nuklearwaffen, Gesundheit, Menschenrechte und Umwelt könne das Land viel zur internationalen Diskussion beitragen. Weiterhin sei durch den Antritt Lulas eine stärkere Integration Lateinamerikas zu erwarten. Zum Ausbau der Führungsrolle sei nicht zuletzt der Umgang mit der humanitären und politischen Krise in Venezuela relevant.

An der Veranstaltung nahmen 30 Personen persönlich und mehr als 300 Onlinegäste aus Brasilien und Lateinamerika teil. Weiterführende Informationen zum Ausgang der Wahlen und der Einordnung der Ergebnisse finden Sie auch in unserem Länderbericht und Themendossier.

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