Asset-Herausgeber

Einzeltitel

"Das zwölfte Gipfeltreffen der EU und Russlands am 06. November in Rom"

von Helen Förster
Am 06. November fand in Rom das zwölfte Gipfeltreffen der EU und Russlands seit Inkrafttreten des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens (PKA) im Juni 1994 statt. Es war das zweite des Jahres. Im Mai hatte man sich auf dem Gipfel in Sankt Petersburg auf die Schaffung von vier „Gemeinsamen Räumen“ (Wirtschaft/Freiheit, Sicherheit und Recht/Äußere Sicherheit/Forschung und Bildung) geeinigt. Dieser Prozess sollte nun konkretisiert werden, um der mit Russland angestrebten privilegierten Partnerschaft auch Gehalt und Konsistenz zu verleihen.Ein weiteres wichtiges Thema war die Auswirkung der Erweiterung auf die Beziehungen zwischen der EU und Russland.

Asset-Herausgeber

Gipfeltreffen EU/Russland, 06. November 2003, Rom

I.

Am 06. November fand in Rom das zwölfte Gipfeltreffen der EU und Russlands seit Inkrafttreten des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens (PKA) im Juni 1994 statt. Es war das zweite des Jahres. Im Mai hatte man sich auf dem Gipfel in Sankt Petersburg auf die Schaffung von vier „Gemeinsamen Räumen“ (Wirtschaft/Freiheit, Sicherheit und Recht/Äußere Sicherheit/Forschung und Bildung) geeinigt. Dieser Prozess sollte nun konkretisiert werden, um der mit Russland angestrebten privilegierten Partnerschaft auch Gehalt und Konsistenz zu verleihen.

Ein weiteres wichtiges Thema war die Auswirkung der Erweiterung auf die Beziehungen zwischen der EU und Russland.

Zur Vorbereitung des Gipfels hatte der EU-Russland Kooperationsausschuss am 20. Oktober in Moskau getagt.

Am 28. Oktober traf eine Troika der EU, geleitet von den Außenministern Italiens und Irlands, Franko Frattini und Brian Cowen, dem Hohen Vertreter der EU für die GASP, Javier Solana, und dem Kommissar für Erweiterung, Günther Verheugen, in Moskau mit dem russischen Außenminister Igor Ivanov zusammen, um die Vorbereitungen des Gipfels zum Abschluss zu bringen und eine gemeinsame Erklärung vorzubereiten. Anlässlich dieses Besuches unterstrich Präsident Vladimir Putin Kommissar Verheugen gegenüber den Wunsch, als gleichwertiger Partner mit der Kommission zusammenzuarbeiten, was von dieser als wichtige Geste gewertet wurde.

An dem Treffen in Rom nahmen von Seiten der EU Ratspräsident Silvio Berlusconi, Kommissionspräsident Romano Prodi, Franko Frattini, Javier Solana, sowie die Kommissare Chris Patten (Außenbeziehungen) und Pascal Lamy (Handel) teil. Die russische Delegation wurde von Vladimir Putin angeführt, der von Igor Ivanov und Premierminister Victor Khristenko begleitet wurde.

II.

Im Vorfeld des Gipfels konnten einige kontroverse Themen, die in mittelbarem Zusammenhang zu den im PKA definierten Beziehungen zwischen der EU und Russland stehen, nicht geklärt werden.

An vorderster Stellen stehen dabei die Voraussetzungen für eine WTO-Mitgliedschaft Russlands. Kommissar Lamy hielt sich am 16. Oktober ein letztes Mal vor dem Gipfel zu diesbezüglichen Gesprächen in Moskau auf.

Aus europäischer Sicht sind drei Punkte besonders sensibel. Dabei übertrifft das Thema Gas alle anderen in Bedeutung: Zum einen fordert die EU, dass der russische Großabnehmerpreis für Gas die Kosten in vollem Umfang berücksichtigen - das heißt transparent gebildet werden - muss, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Zum anderen soll Russland das Export- und Transitmonopol für Gas aus Zentralasien aufgeben. Letzter Punkt ist die Langfristigkeit von Lieferverträgen. Nach WTO-Regeln unterliegt Transit dem Wettbewerb, aber Russland bestreitet, dass diese Regel für Energieträger gilt. Auch ist man nicht bereit, über Preisbildung zu reden. Russland ist der Auffassung, die Angelegenheit müsse allein zwischen der EU und Russland, außerhalb von WTO-Verhandlungsmustern, geklärt werden.

Weitere politisch schwierige Themen sind die Überfluggebühren für Sibirien und Russlands Festhalten am Monopol für internationale Verbindungen seiner Telekom. Zum Abschluss des Treffens am 16. Oktober verständigte man sich darauf, bis zum Gipfel den Sachstand gemeinsam aufzubereiten. Die Kommission drängt auf die zügige Öffnung des russischen Energiemarktes, der einen WTO-Beitritt sobald wie möglich im Jahr 2004 ermöglichen würde. Auf russischer Seite ließ man verlauten, dass es weder auf die Geschwindigkeit noch auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Verhandlungen ankäme, sondern lediglich auf das Resultat.

In der Abschlusserklärung des Gipfels heißt es allerdings, dass beide Seiten es als möglich und wünschenswert bezeichneten, dass Russland Ende des kommenden Jahres der WTO beitritt. Dieser Zeitraum soll bei den Verhandlungen im Hinterkopf behalten werden. Auf jeden Fall sei eine verstärkte Zusammenarbeit erforderlich, um die ausstehenden Fragen bezüglich der bilateralen Handelsbeziehungen zu klären.

Bezüglich der von der EU geforderten Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Russland konnten keine Fortschritte erzielt werden. Die EU hat es erneut nicht geschafft, Russland davon zu überzeugen, Verpflichtungen einzugehen.

Der politisch sensibelste Punkt ist der Konflikt in Tschetschenien. Im Vorfeld des Gipfels hatten Parlament, Kommission und Rat in einem gemeinsamen Gedankenaustausch am 23. Oktober in Strassburg ihre kritische Haltung mit unterschiedlichem Nachdruck deutlich gemacht.

Der Präsident des Rates, Franco Frattini, befürchtet die Ausweitung der Krise auf den gesamten Kaukasus. Er lobte aber die von Moskau in letzter Zeit unternommenen Bemühungen, die auf Normalisierung abzielten. Käme es erneut zu Ereignissen wie denen bei den letzten Wahlen, müsse die EU konstruktive Kritik äußern. Generell sei der Rat der Ansicht, dass die EU und Russland sich verstärkt für die Lösung der Probleme im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion einsetzen müssen.

Chris Patten, der für die Kommission sprach, sprach von Bestürzung, die die Organisation der Wahlen in Tschetschenien innerhalb der EU hervorgerufen habe. Zwar verurteile die Kommission jede Form von Terrorismus und erkenne die territoriale Integrität Russlands an. Aber auch im Kampf gegen den Terrorismus müssten die Menschenrechte gewahrt werden. Hinsichtlich der weiteren Konflikte in der Region machte der Kommissar deutlich, dass man eine Initiative Russlands zur Lösung der Probleme, insbesondere in Moldawien und Transnistrien, erwarte.

Aus den Reihen des Parlamentes wurde gefordert, dem Konflikt in Tschetschenien grundsätzlich mehr Bedeutung beizumessen, und vorgeschlagen eine Konferenz für den Frieden in der Republik einzuberufen.

Eine Diskussion, die die EU gerne kurzfristig zu einem Abschluss bringen möchte, ist die über die Auswirkungen der Erweiterung auf das bestehende PKA. In Normalfall muss ein Abkommen über das Protokoll geschlossen werden, durch das dieses auf die zukünftigen Mitgliedsstaaten ausgedehnt werden kann. Für die EU handelt es sich um eine juristische Notwendigkeit, die sie gerne vor dem 1. Mai 2004 erledigt haben würde, um der Entstehung eines rechtlichen Vakuums vorzubeugen. Russland hat sich aber gegen eine automatische Ausweitung des PKA ausgesprochen. Allerdings wurde aus Reihen der Kommission bereits verlautet, dass es Werkzeuge gäbe, das Abkommen provisorisch anzuwenden. Romano Prodi soll außerdem in Gesprächen bereits starken Druck auf den russischen EU-Botschafter Fradkow ausgeübt haben. Russland befürchtet unter anderem, dass die Initiative „Wider Europe“ seinen Status als bevorzugter Partner der EU beeinträchtigen wird.

Die Verhaftung des russischen Industriellen Chordokowskijs wenige Tage vor dem Gipfel wurde nur am Rande des Treffens zur Sprache gebracht. Romano Prodi erklärte, dass dies mehr als eine interne Angelegenheit Russlands sei. Europäische Investoren hätten ein Recht auf Sicherheit ihrer Investitionen. Ein Sprecher der Kommission meinte im Vorfeld des Gipfels, die Reaktion der Märkte zeige, dass die Art, wie der Prozess geführt werde, sich negativ auf das Wirtschaftsklima in dem geplanten gemeinsamen Wirtschaftsraum auswirken werde.

III.

Was die vier Gemeinsame Räume betrifft, so brachte der Gipfel unterschiedliche Ergebnisse.

Für den Gemeinsamen Europäischen Wirtschaftsraum hatte eine Expertengruppe ein Konzept ausgearbeitet, das auf dem Gipfel sehr begrüßt wurde. Dieses Konzept ist gleichzusetzen mit dem Entwurf eines Planes für ökonomische Integration, der auch Maßnahmen zur Umsetzung vorschlägt. In der auf dem Gipfel verabschiedeten Abschlusserklärung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Empfehlungen der Gruppe beim weiteren Vorgehen unbedingt berücksichtigt werden sollen. Darüber hinaus hatten Kommissar Verheugen und der stellvertretende russische Premierminister auf dem den Gipfel vorbereitenden Treffen am 28. Oktober ein Dokument erstellt, in dem Vorschläge bezüglich der Verwirklichung des gemeinsamen Wirtschaftsraumes, insbesondere in den Bereichen Öffnung der Märkte und Harmonisierung der Gesetzgebung, gemacht werden.

Als Grundlage wirtschaftlicher Kooperation wurden die Schlüsselrollen integrierter Netze im Bereich öffentlicher Verkehrsmittel sowie Satelliten-Navigationssysteme hervorgehoben. Des weiteren wurde die Bedeutung des Dialoges von Unternehmen als wichtig bezeichnet. In relevanten Foren soll ein intensiver Dialog, der auf Vorschläge abzielt, wie Handel und Investitionen zu fördern seien, ins Leben gerufen werden.

Vor dem Hintergrund der Pläne bezüglich eines Gemeinsamen Europäischen Wirtschaftsraumes kam das, im Hinblick auf die Erweiterung ausgesprochen wichtige, Thema Kaliningrad zur Sprache. Die bereits auf dem Gipfel im November 2002 getroffenen Absprachen sollten so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden. Die Machbarkeitsstudie über die Einrichtung eines visumfreien Direktzuges soll noch vor Jahresende vorliegen. Das Grenzabkommen zwischen Russland und Litauen sowie der Erfolg der Kooperation zur Erleichterung des Transits russischer Staatsbürger wurden begrüßt. Auch die Kooperation im Bereich Zoll-Bestimmungen verlaufe erfreulich. Hinsichtlich des Transits von Waren beteuerten beide Seiten, dass sie bereit seien, im Rahmen des PKA ihre Verhandlungen zu intensivieren.

Bei der Schaffung eines Gemeinsamen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bleibt noch viel zu tun.

Der von Russland gewünschte Dialog über die Einführung visumfreien Reisens, soll fortgesetzt werden. Die EU hatte ein visumfreies System vorsichtig als „langfristiges Ziel“ bezeichnet und verlauten lassen, dass Russland noch viel zu tun hätte, um die erforderlichen Kriterien für die von ihm gewünschte Planung mit einem präzisen Zeitplan zu erfüllen. Im Dezember soll eine Fachsitzung zu diesem Thema stattfinden. Kurzfristig soll nach Möglichkeiten gesucht werden, das Schengener Abkommen flexibel zu gestalten, und die Bestimmungen zu vereinfachen.

Bei der Verbrechensbekämpfung verständigte man sich darauf, die Verhandlungen bezüglich eines Wiederzulassungsabkommen zwischen der EU und Russland wenn möglich bald zum Abschluss zu bringen. (Dieses ermöglicht es beiden Parteien, auf reziproker Basis, die schnelle und effektive Identifikation und Rückkehr von Personen sicherzustellen, die ihr Hoheitsgebiet auf illegale Weise betreten oder sich illegal in diesem aufhalten..) Ziel ist ein effektives gemeinsames Vorgehen gegen organisiertes Verbrechen und die Verbesserung der Kooperation an den Grenzen. Aus demselben Grund wurde Russland aufgefordert, vergleichbare Abkommen wie die, die mit Lettland geschlossen worden sind, auch mit Estland und Litauen zu vereinbaren. Die Experten beider Seiten werden aufgefordert werden, den Aktionsplan zum Organisierten Verbrechen umzusetzen.

Am Rande des Gipfels wurde im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Grenzverwaltung ein Abkommen zwischen dem russischen Innenministerium und Europol unterzeichnet.

Im Bereich des Gemeinsamen Raumes der Äußeren Sicherheit wurde festgehalten, dass man bezüglich einer Reihe internationaler Fragen (Iran, Irak, Naher Osten, Balkan, Nordkorea) und bezüglich der Rolle der UNO in der Welt, gemeinsame Ansichten teilt.

Vor allem wurde die Bedeutung der Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Terrorismus hervorgehoben. Generell soll die Kooperation im Bereich der Bekämpfung neuer Bedrohungen und Herausforderungen der inneren Sicherheit intensiviert werden. In Krisen-Situationen soll in Zukunft stärker zusammengearbeitet werden, sowie zur Lösung sogenannter „frozen conflicts“, in Europa und anderswo.

Bezüglich des Gemeinsamen Raumes der Forschung, der Bildung und der Kultur wurde die Erneuerung des Abkommens über Kooperation in den Bereichen Wissenschaft und Technologie begrüßt.

Weiter soll untersucht werden, inwieweit europäische Forschungsprogramme in diesen Bereichen für russische Forscher, beziehungsweise russische Programme für Forscher aus den EU-Mitgliedsstaaten geöffnet werden können.

Im Bereich Erziehung wollen die europäischen Regierungen enger mit der russischen Regierung zusammenarbeiten. Russland wurde in den Bologna-Prozess aufgenommen, der die gegenseitige Anerkennung von Diplomen ermöglichen soll. Des weiteren soll Russland ab 2004 am Programm Erasmus Mundus teilnehmen.

Der italienische Ratsvorsitz in Person von Franco Frattini, hatte im Vorfeld des Gipfels moniert, dass die Arbeiten bezüglich dieses Raumes insbesondere auf europäischer Seite intensiviert werden müssten.

In der Abschlusserklärung werden die geführten Diskussionen als intensiv und produktiv bezeichnet. Übergeordnetes Ziel der künftigen Zusammenarbeit soll die Wiederbelebung der strategischen Partnerschaft, basierend auf gemeinsamen Werten, sein. So soll die Stabilität, die Sicherheit und die Prosperität auf dem Kontinent gefördert werden. Die Gemeinsamen Räume sollen es ermöglichen, eine schrittweise Integration der sozialen und ökonomischen Strukturen umzusetzen.

Aber auch der politische Dialog soll verbessert werden und, damit die Zusammenarbeit transparenter wird, unterstützt, dass der Permanente Partnerschaftsrat seine Arbeit aufnimmt.

Bezüglich der Ausweitung des PKA auf die neuen Mitgliedsstaaten wurde kein konkreter Zeitpunkt genannt. Man will die ausführlichen Diskussionen über die Auswirkungen der Erweiterung fortführen, sich bemühen, Fortschritte zu erzielen und das PKA zu einem angemessenen Zeitpunkt auf die neuen Mitgliedsstaaten ausweiten. Es muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass aus europäischer Sicht der Ausbau der „Gemeinsamen Räume“ im Rahmen eines ausgeweiteten PKA erfolgen soll.

Kommissar Verheugen bezeichnete den Gipfel konkreter als die bisherigen.

IV.

Bereits im Vorfeld des Gipfels debattierten die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes die Beziehungen zwischen der EU und Russland auf einer Plenartagung am 23. Oktober. Dabei stand die Wirtschaft im Vordergrund.

Mit Verweis auf die sich erschöpfenden Energiequellen der Nordsee und die derzeitige Abhängigkeit von denen des Nahen und Mittleren Ostens, geht man davon aus, dass Öl und Gas in zunehmendem Maße aus Russland importiert werden muss. Gute Wirtschaftsbeziehungen seien deshalb von großer Bedeutung.

Zum anderen trage die Ankurbelung der russischen Wirtschaft dazu bei, dass das Land nicht zu einem Sicherheitsrisiko werde, was nicht zuletzt mit Hinblick auf dessen Atomwaffenbesitz unbedingt zu vermeiden sei.

In der Plenartagung, die dem Gipfel folgte, stand allerdings ein anderes Thema, der Tschetschenien-Konflikt, im Mittelpunkt: Im Anschluss an den Gipfel hatte der Präsident des Europäischen Rates, Silvio Berlusconi, die russische Tschetschenien-Politik verteidigt, indem er die Menschenrechtsversetzungen als „nichts als Legenden“ bezeichnete und dazu aufforderte, die Fakte n realistisch zu betrachten. Damit trat der Vertreter der EU in der Öffentlichkeit für eine Position ein, die weder der zwischen den fünfzehn Mitgliedsstaaten abgesprochenen noch der der Kommission und des Parlamentes entspricht. Pat Cox, Präsident des Parlamentes, kritisierte, dass es nicht gelungen war, die Tschetschenien-Frage in die gemeinsame Abschlusserklärung aufzunehmen. Das Parlament ist der Ansicht , dass die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Russland von dem Finden einer politischen Friedensperspektive in Tschetschenien abhängen. MEP Elmar Brok, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, bezeichnete Berlusconis Äußerungen als inakzeptabel, auch wenn jeder wisse, dass dieser sehr pro-russisch eingestellt sei und sogar eine EU-Mitgliedschaft Russlands begrüßen würde. Die Mitvorsitzende der Grünen/EFA, Monica Frassoni, erinnerte daran, dass das Parlament den Rat aufgefordert hatte, die Tschetschenien-Frage auf dem Gipfel zur Sprache zu bringen, basierend auf einer vom Parlament angenommenen Entschließung, in der das Verhalten der russischen Behörden in der Teilrepublik als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eingestuft wurde. Des weiteren wurde darauf hingewiesen, dass das Parlament sich in der letzten Erklärung besorgt über die Bedingungen der Präsidentschaftswahlen in Tschetschenien gezeigt habe und Moskau dazu ermahnt, auf einen authentischen politischen Dialog hinzuarbeiten und die Situation der Menschenrechte signifikant zu verbessern.

Zieht man dies in Betracht, müssen die Äußerungen Berlusconis der Glaubwürdigkeit der europäischen Institutionen Schaden zufügen.

Um die Wogen zu glätten erklärte Staatssekretär Roberto Antonione dem Parlament gegenüber, dass die EU-Delegation das Thema Tschetschenien auf dem Gipfel ausdrücklich zur Sprache gebracht habe. Dass es in der Abschlusserklärung nicht erwähnt würde, sei Ergebnis einer Vermittlung. Bezogen auf die ablehnende Haltung Russlands zur Ausweitung des PKA fügte er recht vage hinzu, dass Putin die von ihm befürchteten negativen Auswirkungen der Erweiterung auf Russland in einer taktischen Perspektive angeführt habe. Dies wiederum zog die Kritik Kommissar Verheugens und des Vorsitzenden der stärksten Fraktion im Parlament, Hans-Gert Pötterings (EVP/ED), nach sich. Verheugen betonte, dass in einer strategischen Partnerschaft alle Themen, auch die kontroversen, behandelt werden müssten. Pöttering legte Wert darauf, dass in den offiziellen Abschlussdokumenten auch tatsächlich alle diskutierten Themen auftauchen. Dies sei unter anderem deshalb wichtig, um zu vermeiden, dass die Europäische Union widersprüchliche Aussagen tätigt, so wie es in diesem Fall bereits geschehen ist.

Auch in einer Entschließung, die das Parlament am 20. November annahm, stehen die bereits erwähnten Kritikpunkte im Vordergrund, es wird aber trotz allem positiv hervorgehoben, dass auf dem Gipfel einige konkrete Ergebnisse erzielt werden konnten. Der Ausbau der strategischen Partnerschaft sei ein guter Ansatz, allerdings müsse an Definition und Verständnis der erwähnten gemeinsamen Werte noch gearbeitet werden.

Der Rat zeigte sich unzufrieden mit den Ergebnissen des Gipfels zeigten. Vor allem Deutschland, Belgien, die Niederlande, die skandinavischen Länder und die Beitrittstaaten kritisierten, dass kontroverse Themen, insbesondere der Tschetschenien-Konflikt, in der Abschlusserklärung nicht genannt werden. Die Position der EU müsse in Zukunft eindeutiger festgelegt werden. Kein Repräsentant dürfe mehr von ihr abweichen. In diesem Zusammenhang kam erneut die Frage nach der Repräsentativität der EU auf dieser Art von Gipfeltreffen auf. Nach den jüngsten Erfahrungen sei es möglicherweise doch angebracht, das System des rotierenden Rates zu überdenken.

V.

Während von deutlichen Fortschritten und ersten Erfolgen im Bereich der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Wirtschaftsraumes gesprochen werden kann, gilt das für die anderen Räume nicht uneingeschränkt. Obwohl man im Bereich „Äußere Sicherheit“ weitestgehend dieselben Ansichten teilt, liegen zum Beispiel kaum konkrete Vorschläge zur Verwirklichung eines Gemeinsamen Raumes der Äußeren Sicherheit vor. Die Zusammenarbeit im Bereich der Forschung, der Bildung und der Kultur stehen noch ganz am Anfang. Auch auf diesem Gipfel wurde ihr keineswegs eine Priorität eingeräumt. Die Diskussionen in Hinsicht auf den vierten Raum, den der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, verlaufen in wichtigen Punkten nach wie vor kontrovers.

Der Umgang mit dem Tschetschenienkonflikt, die möglichen Auswirkungen der Verhaftung Chordokowskijs auf die russische Wirtschaft, die schwierigen Verhandlungen bezüglich Russlands WTO-Beitritt und die bisher erfolglosen Versuche, Russland zu einer Ratifizierung des Kyoto-Protokolls zu bewegen, belasten die europäisch-russischen Beziehungen weiter.

Fortschritte werden wie immer nur nach zähen Verhandlungen mit Moskau möglich sein. Es gibt erste positive Ansätze. Vor dem Auslaufen der Russland Strategie von 1999 im nächsten Frühjahr, sollte man in allen Bereich eine gründliche Bestandsaufnahme vornehmen.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber