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"Der Ratifizierungsprozess zum Europäischen Verfassungsvertrag "

von Barbara Einhäuser

Sachstand und Stimmungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union

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NEWSLETTER

"Der Ratifizierungsprozess zum Europäischen Verfassungsvertrag - Sachstand und Stimmungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union"

1.Einführung

Am 29. Oktober 2004 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Mitgliedsstaaten die EU–Verfassung, die sie am 18. Juni 2004 einstimmig angenommen hatten. Dieser Verfassungsvertrag, der alle derzeitigen europäischen Verträge durch einen einzigen Rechtsakt ersetzt, kann jedoch erst in Kraft treten, wenn er von den Unterzeichnerstaaten angenommen beziehungsweise ratifiziert wurde. Der Ratifizierungsprozess sollte in allen Mitgliedsstaaten bis November 2006 abgeschlossen sein.

Hinsichtlich des Annahmeverfahrens bestehen aufgrund verschiedenster nationaler Hintergründe Unterschiede in den Staaten der Europäischen Union. Während in neun Mitgliedsstaaten die Ratifizierung in Verbindung mit einem Referendum stattfindet, haben sich fünfzehn Länder, also die Mehrheit der 25, entschlossen, allein die nationalen Parlamente über die Verfassungsratifizierung entscheiden zu lassen. Nur in Tschechien steht die Methode der Abstimmung noch nicht fest. Bisher haben Litauen, Ungarn, Slowenien, Italien, Griechenland, die Slowakei, Österreich (Zustimmung des Bundesrates bis Ende Mai), Deutschland (Zustimmung des Bundesrats am 27.Mai 05) und Spanien den Verfassungsvertrag parlamentarisch ratifiziert. Spanien hatte darüber hinaus im Vorfeld als erstes Land erfolgreich ein nationales Referendum über den Verfassungsvertrag abgehalten. Das Augenmerk liegt nun auf Frankreich und den Niederlanden, wo die EU-Verfassung auf Widerstand und Ablehnung in Gesellschaft und Politik trifft. Besonders in Frankreich engagierten sich neben Ratspräsident Juncker, Kommissionspräsident Barroso und Parlamentspräsident Borrel zahlreiche europäische Politiker für eine Annahme der Verfassung beim anstehenden Referendum.

In regelmäßigen Abständen möchte das vorliegende Newsletter über die neuesten gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Verfassungsdebatte und des Ratifizierungsverfahrens informieren.

2.Zur Ratifizierungsdebatte in den Mitgliedsstaaten

Belgien (parlamentarische Ratifizierung)

In Belgien nahm der Senat am 28.04.05 mit großer Mehrheit die Verfassung an (54 Ja-Stimmen, neun Nein-Stimmen, eine Enthaltung). Auch die zweite Kammer, das Abgeordnetenhaus, sprach sich am 19. Mai 05 deutlich für eine Annahme des Vertrages aus (118 Ja-Stimmen, 18 Nein-Stimmen, eine Enthaltung). Nun müssen noch die drei Regionalparlamente wie auch die Parlamente der Frankophonen, der Flämischen und Deutschsprachigen Gemeinschaft den Vertrag annehmen.

Mit Ausnahme des rechtsextremen Vlaams Belang befürworten alle Parteien den Verfassungsvertrag. Die oppositionellen flämischen Christdemokraten CD&V betonten in der Debatte, die Regierungen Europas hätten es allgemein an Engagement für die Verfassung vermissen lassen. Der Vertrag von Nizza, der weiterhin anwendbar sei, falls die Verfassungsratifizierung scheitere, reiche als Grundlage in einer erweiterten Union nicht aus.

Lange Zeit war unklar gewesen, ob ein fakultatives, nicht-bindendes Referendum abgehalten werden solle. Am 12. März 2005 fand die endgültige Abstimmung im belgischen Parlament statt, die eine Verfassungsänderung zur Ermöglichung eines Referendums durchführbar gemacht hätte. Die einem Referendum positiv gesinnten Parteien, unter ihnen die VLD unter Premierminister Verhofstadt, konnten mit 73 gegen 62 Stimmen nicht die nötige 2/3 Mehrheit hinter sich bringen. Servais Verstraeten (CD&V) warnte vor der spaltenden Kraft einer Volksbefragung in der multiethnischen Bevölkerung Belgiens und erinnerte daran, dass man eine Volksbefragung, wenn überhaupt, besser auf Europäischer Ebene organisiert hätte. Der Koalitionspartner der flämischen Sozialisten (SP.A), Spirit, befürchtete, dass der rechtsextreme Vlaams Belang eine Volksbefragung zur EU Verfassung für ausländerfeindliche Ziele, vor allem gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei, instrumentalisieren wollte.

Dänemark (obligatorisches, bindendes Referendum)

Am 2. November 2004 einigten sich die fünf stärksten Parteien des Landes auf einen „nationalen Kompromiss“, der die Ratifizierung per Referendum empfahl. Um auch die die Opposition führenden Sozialisten zu überzeugen, versicherten die übrigen Parteien, dass Dänemark trotz der durch die EU-Verfassung vorgesehenen Ausdehnung des Mehrheitsrecht ein Vetorecht hinsichtlich Sozial-, Arbeitsmarkt- und Besteuerungsfragen behält. Verfassungsgegner – im Parlament sind die extrem rechte Dänische Volkspartei und die vormals kommunistische Rot-grüne Einheitsliste dazu zu rechnen – versuchen die Dienstleistungsrichtlinie mit der EU-Verfassung in Verbindung zu bringen, was Premierminister Rasmussen zuletzt Ende März heftig kritisierte. Nach seinem Wahlsieg am 8. Februar 2005 hatte dieser angekündigt die Volksbefragung bald durchzuführen. Das Referendum über die Verfassung soll am 27. September 2005 stattfinden.

Die europapolitischen Referenden in Dänemark über den Vertrag von Maastricht und auch den Beitritt zum Euro wurden bisher jeweils im ersten Anlauf negativ beschieden. Fünf Monate vor dem Referendum zur EU-Verfassung gewinnt nun auch die Front der Ablehner an Boden. Laut einer Umfrage des Greens Institute Mitte April stieg die Zahl der Ablehner seit Februar um 5% auf 28%. Die Befürworter bewegen sich weiterhin konstant bei 38%, während 34% erklärten, sie seien noch unentschieden.

Premier Rasmussen hat bereits signalisiert, dass das Referendum auch im Falle eines französischen „Neins“ durchgeführt werde. Dänische Beobachter befürchten jedoch in diesem Falle einen weiteren Schub für die Gegner der Verfassung auch in Dänemark.

Deutschland (parlamentarische Ratifizierung)

Der deutsche Bundestag nahm am 12. Mai 2005 die EU-Verfassung mit der überwältigenden Mehrheit von über 95% an. 569 Abgeordnete hatten sich für eine Annahme, 23 dagegen ausgesprochen. Zwei enthielten sich der Stimme. 20 Parlamentarier aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion hatten das Vertragswerk abgelehnt, ebenso wie zwei Abgeordnete der PDS und ein unabhängiger Parlamentarier. Das parlamentarische Ratifizierungsverfahren war im Vorfeld politisch verknüpft mit einer Änderung der bisherigen Grundlagen für eine Beteiligung der Länder und des Bundestages an der Europapolitik. Die unionsgeführten Länder hatten einen deutlichen Ausbau ihrer Mitwirkungsrechte an der EU-Politik gefordert und davon ihre Zustimmung im Bundesrat abhängig gemacht. Nach einem Entgegenkommen des Kanzlers und der Zusicherung, die Länder früher über EU-Pläne zu informieren, den Bundesrat an der Wahl von Richtern des EuGH zu beteiligen und auch die Definition der Vorhaben, bei denen sie eingebunden werden, weiter zu fassen, sicherten die Ministerpräsidenten jedoch bei der Abstimmung im Bundesrat am 27.Mai ihre Zustimmung zu.

Schröder lobte im Bundestag die Verfassung als „sehr guten und fairen Kompromiss“, der die EU „entscheidungsfähiger, demokratischer und bürgernäher“ mache. Auch Oppositionsführerin Angela Merkel würdigte das Vertragswerk als „historischen Schritt“, zu dem sie aus vollem Herzen Ja sagen könne, wenn ihr auch nicht alles am Entwurf gefalle. Sie bemängelte das Fehlen eines klaren Gottesbezuges in der Verfassung und warf der Regierung zudem Versäumnisse bei der Aufklärung über das Vertragswerk vor. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber rief dazu auf, für mehr Akzeptanz bei der Bevölkerung zu werben.

Mit einer deutlichen Mehrheit für eine Annahme und der Ratifizierung noch vor dem 29.Mai will die Regierung ein positives Signal nach Frankreich senden. In einem gemeinsamen Appell mit Präsident Chirac hob Bundeskanzler Schröder hervor, die Verfassung bewahre vor den von vielen befürchteten ultraliberalen Entwicklungen und betonte die besondere Verantwortung beider Länder für das europäische Projekt.

Inzwischen hat der CSU-Parlamentarier Peter Gauweiler mit einer angekündigten Klage beim Bundesverfassungsgericht, mit der er ein Referendum zur EU-Verfassung erzwingen will, auch in Deutschland erneut die Referendumsdiskussion aufgegriffen. Sein erster Versuch im Rahmen einer von ihm erhobenen Organklage war zunächst gescheitert. Die von den Freien Demokraten (FDP) und der PDS favorisierte Idee einer Volksabstimmung fand nur zwischenzeitlich positiven Widerhall bei der Rot-Grünen Bundesregierung. Nachdem sich die CDU seit Beginn der Debatte gegen eine Referendum positioniert hatte, stellte sich seit Februar die Christlich Sozialen Union (CSU) klar an die Seite der Schwesterpartei.

Estland (parlamentarische Ratifizierung)

In Estland war lange debattiert worden, ob die Ratifizierung der EU-Verfassung auch mit einem Referendum verbunden werden sollte. Strittig war dabei, inwieweit die EU-Verfassung als Eingriff in die Landesverfassung interpretiert werden kann und die Ratifizierung somit ein Referendum mit einschließen sollte. Äripäev, als einflussreiche Zeitung in Estland, rief zuletzt Ende März dazu auf ein Referendum abzuhalten, damit die öffentliche Debatte über die Verfassung keine „rein akademische Übung“ bleibe. Eine Volksabstimmung über das Vertragswerk war auch im Koalitionsvertrag zwischen den drei Parteien der neuen Regierungskoalition von April 05 aus der konservativen Reformpartei, der linken Zentrumspartei und der Bürgerunion festgelegt worden. Am 05. Mai 05 kündigte Premierminister Andrus Ansip jedoch an, die Verfassung dem Parlament zur Ratifikation zu übergeben und beendete damit die Diskussionen. Es ist nun davon auszugehen, dass das Parlament die Verfassung noch vor der Sommerpause ratifizieren wird. Die estnische Regierung hat jedoch bereits eine Medienkampagne zur Information der Bevölkerung über die Verfassung gestartet und dabei auf finanzielle Unterstützung durch die Kommission offiziell verzichtet.

Mehr als ein Drittel der Esten gab im März 2005 an, noch nie etwas von der europäischen Verfassung gehört zu haben. 42% der Befragten befanden, eine europäische Verfassung sei gut für Estland. Ende 2003 hatten 67% der Esten für den Beitritt ihres Landes zur EU gestimmt.

Finnland (parlamentarische Ratifizierung)

Die finnische Regierung unter Premierminister Vanhanen spricht sich für eine Ratifizierung ohne Volksabstimmung aus. Die konservative Kokoomus wie auch die Opposition aus Grünen, Linken und Nationalen setzen sich für eine Volksabstimmung ein. Eine „EU Informationskampagne“ wurde von der Regierung Mitte Februar eingeleitet. Eine Ratifizierung ist frühestens für Ende 2005 bzw. 2006 anvisiert.

Finnland wird in der zweiten Jahreshälfte 2006 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, in dem Zeitraum also, nach dem die EU-Verfassung in allen Staaten ratifiziert sein muss, damit diese zum 01.01.2007 in Kraft treten kann,

Frankreich (fakultatives, bindendes Referendum)

Frankreich steht seit März 2005 im Zentrum der Beobachtungen des Ratifizierungsprozesses in ganz Europa. Nationalversammlung und Senat hatten im Februar 2005 mit absoluten Mehrheitsverhältnissen Verfassungsänderungen zur Ermöglichung eines nationalen Referendum zum europäischen Verfassungsvertrag verabschiedet. Aufgrund einer sinkenden Zustimmung zum europäischen Verfassungsvertrag in der Bevölkerung legte Präsident Chirac den Termin des Referendums auf den 29. Mai 2005. Letzte Umfragen ergaben einen erneuten leichten Anstieg der Gegner (54%). Der negative Trend konnte offensichtlich also nicht nachhaltig gestoppt werden. Der Ausgang des Referendums erscheint allerdings nach wie vor ungewiss. Die Ablehnung gründet sich hauptsächlich auf eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik. Chirac selbst hatte sich Mitte April zum ersten mal persönlich in einer Fernsehdiskussion in die Debatte eingeschaltet. Der Auftritt wurde jedoch von einem Großteil der Bevölkerung als „nicht überzeugend“ quittiert. Hinzu kommt ein innenpolitischer Schlagabtausch zwischen Innenminister Villepin und Premier Raffarin.

Auch der erste Sekretär der Parti Socialiste, Francois Hollande, bemühte sich lange vergeblich seine Klientel zu einer positiven Haltung zu bewegen. Erst die Intervention des ehemaligen Premiers Lionel Jospin und sein Plädoyer für die Verfassung schien eine leichte Trendwende bei der Linken ausgelöst zu haben.

Zu den Gegnern der Verfassung zählt die radikale Linke, von Trotzkisten über die kommunistische PCF, die größte Gewerkschaft CGT und Teile der PS bis zur globalisierungskritischen Organisation Attac, sowie der „souveränistischen“ Rechten der rechtsextremen FN und Teilen der Regierungspartei.

Um die Verbindung die Türkei-Frage von der Verfassungsfrage zu lösen verabschiedeten die beiden französischen Kammern eine Bestimmung, gemäss der in Zukunft jede neue Erweiterung der Europäischen Union automatisch dem französischen Stimmvolk in einem Referendum zur Zustimmung unterbreitet werden muss. Dennoch verbinden Verfassungsgegner bisher auf polemische Weise die Dienstleistungsrichtlinie und die „türkische Gefahr“ mit ihrer Rhetorik gegen die Verfassung. Inzwischen haben es auch andere europäische Politiker (unter anderem Ratspräsident Juncker, Kommissionspräsident Barroso, Parlamentspräsident Borrel wie auch der deutsche Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer) nicht an Versuchen mangeln lassen, die Franzosen entweder durch die Verdeutlichung möglicher Konsequenzen einer Ablehnung oder die ausführliche Darstellung der Vorteile der Verfassung zu überzeugen.

Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung organisierte gemeinsam mit der EVP am 8./9. Mai in Paris eine Veranstaltung mit dem Titel „The Constitution – our joint project“, an der unter anderem Valéry Giscard d’Estaing, Jean-Pierre Raffarin, Michel Barnier, Hans-Gert Pöttering und Elmar Brok teilnahmen.

Griechenland (parlamentarische Ratifizierung)

Am 19.April 2005 ratifizierte Griechenland mit überwältigender Mehrheit als fünfter EU-Staat die Verfassung. Dabei sprachen sich im Parlament 268 der 300 Abgeordneten für das Vertragswerk aus, 17 stimmten dagegen, 15 weitere enthielten sich. Das positive Votum war erwartet worden, nachdem sowohl die regierende konservative Nea Dimokratia (ND) als auch die sozialistische Oppositionspartei PASOK eine Annahme befürwortet hatten. Ablehnung bestand bei der Koalition der progressiven Linken Synaspismos (SYN) und der Kommunistischen Einheitspartei (KKE).

Vor der parlamentarischen Abstimmung hatten alle drei linken Oppositionsparteien einen Vorschlag für ein Referendum eingereicht, dessen Annahme jedoch nicht zustande kam, da die Regierung unter Ministerpräsident Kostas Karamanlis es ablehnte. Die Regierung, seit 2004 im Amt, hat im vergangenen J ahr eine Reihe von Maßnahmen zur Konsolidierung der griechischen Staatsfinanzen verabschiedet und fürchtete wohl eine innenpolitische Instrumentalisierung des Referendums.

Eine öffentliche Debatte zur EU-Verfassung, über die sich 90% der Griechen laut Umfrage nicht ausreichend informiert fühlen, blieb vorerst aus.

Irland (obligatorisches, bindendes Referendum)

Da die Verhandlungen zum Verfassungsvertrag unter irischer Präsidentschaft zum Erfolg geführt wurden, ist eine Ratifizierung wahrscheinlich. Die Regierungsparteien Fianna Fail und Progressive Democrats befürworten die Verfassung ebenso wie die oppositionelle Labour Partei und die Grünen. Zu den Ablehnern gehören lediglich die Sinn Fein Partei, sowie einige unabhängige Abgeordnete.

Die Ratifizierung schließt neben der Annahme durch das Parlament auch ein obligatorisches bindendes Referendum mit ein, das für Ende 2005 geplant ist. Eine öffentliche Debatte über die Verfassung steht bisher allerdings noch aus. Die irische Presse zeigte sich geschockt über den niedrigen Wissensstand der Bevölkerung über die Verfassung. Obwohl über 45% der Bevölkerung nichts über die Verfassung wissen, ist die Stimmung positiv gegenüber stärkerer EU-Integration.

Noel Treacy, Staatsminister für europäische Angelegenheiten, hat die Notwendigkeit einer Aufklärungskampagne bereits öffentlich anerkannt und Aktionen der Regierung angekündigt.

Italien (parlamentarische Ratifizierung)

Als erstes Gründungsmitglied der Europäischen Union hat Italien am 6. April 2005 den europäischen Verfassungsvertrag ratifiziert. Am 25. Januar stimmte das Unterhaus mit einer großen Mehrheit von 436 Stimmen dem Verfassungsvertrag zu, während allein 28 Parlamentarier ihre Ablehnung aussprachen. Die Gegner kamen vor allem aus den Reihen der oppositionellen Kommunisten und der Regierungspartei Lega Nord. Die Zustimmung des Senats, erfolgte dann am 6. April 2005, mit 217 gegen 16 Stimmen.

Lettland (parlamentarische Ratifizierung)

Das Stimmungsbild in Lettland zum Verfassungsvertrag ist unklar. Aufgrund des überwältigenden Ausgangs des Referendums zum EU-Beitritt geht man von einer positiven Grundstimmung aus. Das Parlament hat den Vorschlag der grünen PCTVL für eine Volksbefragung zurückgewiesen und am 14. Dezember mit der Ratifizierungsdebatte begonnen. Bereits im Januar war der Vertrag dem Parlament zur Ratifikation übergeben, aufgrund zahlreicher Übersetzungsfehler jedoch wieder zurückgezogen worden. Obwohl mittlerweile nur sehr wenige dieser Fehler korrigiert sind, hat die Regierung am 10.Mai 05 die Verfassung erneut dem Parlament zukommen lassen. Aus dem Außenministerium war dazu zu hören, diese technischen Fehler veränderten nicht den Inhalt des Vertrages und seien daher zu vernachlässigen.

Mit einer Ratifizierung bis Ende Mai will man in Lettland ebenfalls ein positives Signal nach Frankreich und in die Niederlande schicken.

Litauen (parlamentarische Ratifizierung)

Litauen hat als erstes Land den Verfassungsvertrag am 11. November 2004 ratifiziert. Bei vierundachtzig Ja-Stimmen sprachen sich nur vier Parlamentarier dagegen aus, drei enthielten sich. Auf ein Referendum hatte man angesichts der überwältigenden Zustimmung im Parlament verzichtet. Nachdem Staatspräsident Valdas Adamkus mit seiner Unterschrift am 19. November 2004 das Votum gebilligt hatte, wurde die Ratifikationsurkunde am 17. Dezember 2004 hinterlegt.

Luxemburg (fakultatives, bindendes Referendum)

In Luxemburg ist der Verfassungsvertrag nicht umstritten. Er wird von allen im Parlament vertretenen Parteien unterstützt. Nach den zuständigen Ministern Jean Asselborn und Nicolas Schmit soll jeder Haushalt des Staates eine Zusammenfassung des Verfassungsvertrages zugestellt bekommen. Das Referendum mit der Frage „Stimmen Sie für den Vertrag über eine Verfassung für Europa, unterzeichnet in Rom, am 29. Oktober 2004“ soll am 10. Juli 2005 stattfinden. Der Berichterstatter des Gesetzprojekts, CSV-Politiker Paul-Henri Meyers rechnet mit einer Zustimmung von über 60 Prozent der Bevölkerung.

Eine erste Lesung zur Verfassung fand im Parlament am 22.04.05 statt. Premierminister Jean-Claude Juncker, derzeitiger Ratspräsident der EU setzte sich zuletzt vor allem in Frankreich für die EU-Verfassung und deren erfolgreiche Ratifizierung ein.

Malta (parlamentarische Ratifizierung)

Der kritische Faktor in Malta ist die Haltung der oppositionellen Labour-Partei (PL), die sich noch nicht zu einem abschließenden Urteil durchgerungen hat. Die Regierung lehnt mit Hinweis auf das im März 2003 durchgeführte Referendum zum EU-Beitritt eine Volksbefragung ab, sodass einer Ratifizierung im Parlament nichts im Wege steht. Sie soll im Juli 2005 stattfinden. Da für die Annahme eine einfache Mehrheit genügt, wird die regierende christdemokratische PN jedoch nicht auf die Opposition angewiesen sein.

Niederlande (fakultatives, nicht-bindendes Referendum)

Das erste nationale Referendum in der Geschichte der Niederlande wird am 01.Juni 2005 stattfinden. Trotz des konsultativen Charakters, sprach sich die Mehrheit des Parlaments und auch die Regierung dafür aus, das Ergebnis zu respektieren, sollte die Beteiligung über 30% liegen. Sowohl die Regierungsparteien (der christdemokratische CDA und die beiden liberalen Koalitionsparteien VVD und D66) als auch die sozialdemokratische Oppositionspartei PvdA machen sich für eine Annahme der Verfassung stark. Derzeit gelingt es jedoch den Gegnern der Verfassung, im Parlament die oppositionellen Sozialisten und die Pim Fortyun Partei, die Debatte innenpolitisch zu instrumentalisieren. Vor allem der Türkei-Beitritt und die Themen Immigration und Souveränitätsverlust spielen eine große Rolle. Laut Umfragen zum Referendum liegen die Gegner der Verfassung derzeit klar vorne (58,6% Nein-Stimmen, 41,4%% Ja-Stimmen, Umfrage des Instituut voor Publiek en Politiek vom 01.Mai 05). Während die Wirtschaft und Arbeitnehmerverbände der Verfassung positiv gegenüberstehen, zeigt sich die niederländische Presse im Gros verfassungskritisch.

Die Regierung und die befürwortenden Parteien hoffen jedoch, mit Hilfe ihrer Schlusskampagne die noch große Anzahl an Unentschiedenen für ein Ja überzeugen zu können. Auch der Parteitag am 28.Mai 05 in Utrecht zum 25-jährigen Bestehen des CDA soll ein positives Signal für das Referendum senden.

Das Referendum wird, entgegen erster Überlegungen, unabhängig des Ergebnisses in Frankreich durchgeführt werden.

Österreich (parlamentarische Ratifizierung)

Der österreichische Nationalrat hat am 11.Mai 05 mit nur einer Gegenstimme die EU-Verfassung ratifiziert. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel brachte in seiner Rede jedoch auch die Vorbehalte vieler österreichischer Parlamentarier zum Ausdruck, als er betonte, mit der EU-Verfassung habe man einen vorläufigen Höhepunkt erreicht, sei aber noch nicht am Ende des Prozesses angekommen. Eine Abgeordnete hatte aus Protest gegen die Verfassung gestimmt, da sie sich für die Durchführung einer Volksabstimmung eingesetzt hatte. Diese lehnten jedoch sowohl ÖVP als auch FPÖ ab. Im Nationalrat war daher im Vorfeld ein Gesetz beschlossen worden, nach dem für eine Ratifizierung eine Zwei-Drittel-Mehrheit, aber keine Volksabstimmung nötig ist.

Für die Ratifizierung ist nun noch die Zustimmung des Bundesrates notwendig. Ende Mai ist dann der Ratifikationsprozess auch in Österreich endgültig abgeschlossen.

Zuletzt hatte Jörg Haider – Kärtner Landeshauptmann und Chef der neugegründeten BZÖ – die Diskussion um ein Referendum allerdings wieder entfacht. Er ist, wie auch einige österreichische Verfassungsexperten, der Ansicht, die EU-Verfassung greife wesentlich in die österreichische Bundesverfassung ein. Eine Volksabstimmung sei also notwendig. Er hat mittlerweile angekündigt, zunächst die Beurteilung der Kärntner Landesverfassungsabteilung dazu abzuwarten und die Klage beim VfGH zur Durchsetzung einer Volksabstimmung solange aufzuschieben. Bundeskanzler Schüssel hält weiterhin, eine Volksabstimmung nicht für notwendig, bedauerte jedoch erneut, dass kein europaweites Referendum stattfinde. Auch Bundespräsident Heinz Fischer sieht keine Notwendigkeit für ein österreichisches Referendum.

Die Mehrheit der Österreicher steht der Verfassung positiv gegenüber. Allerdings herrscht wie in den meisten anderen Mitgliedstaaten auch hier im Großteil Unwissenheit über deren Inhalte. Um den entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung eine Informationsbroschüre an alle Haushalte verschickt.

Polen (fakultatives, bindendes Referendum)

Die regierenden, von den Sozialisten tolerierten Sozialdemokraten unter Marek Belka und Staatspräsident Kwasniewski setzen sich für die Annahme der Verfassung ein. Sowohl die rechtsgerichtete „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) als auch die populistische, agrarische „Selbstverteidigung“ (SO) und die ultra-konservative „Liga der polnischen Familien“ (LPR) lehnen die EU-Verfassung hingegen ab. Die größte Oppositionspartei, die liberal-konservative Bürgerplattform (PO) hat sich in letzter Zeit von einer kritischen Haltung, wie sie auch die polnische Bauernpartei (PSL) vertritt, eher hin zu einer neutralen Position bewegt. In einer außenpolitischen Grundsatzrede bei einer Veranstaltung des Zentrums für Internationale Beziehungen und der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen Mitte Februar hatte Jan Rokita, Fraktionsvorsitzender der Bürgerplattform, jedoch kritisiert, der Verfassungsvertrag gebe kein Antwort auf Europas fundamentale Herausforderungen.

Strittig ist auch der Zeitpunkt des Referendums: Während die Sozialdemokraten und auch Präsident Kwasniewski favorisieren, das Referendum zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen am 25. September 2005 abzuhalten, lehnen die Oppositionsparteien diesen Termin ab. Sie wollen verhindern, dass die Sozialdemokraten aus dem Referendum innenpolitisch Kapital schlagen und setzen sich daher für einen möglichst späten Termin ein. Dabei erhoffen sich die Verfassungsgegner zudem, dass in der Zwischenzeit ein anderer Staat als erster die Verfassung abgelehnt hat und sich in möglichen Neuverhandlungen eine bessere polnische Position ergeben kann.

Um Gültigkeit zu erlangen, bedarf das Referendum einer Beteiligung von 50%. Dieses hohe Quorum erscheint vor dem Hintergrund besonders kritisch, als die Wahlbeteiligung bei den letzten Europawahlen mit 20,87% in Europa den zweitniedrigsten Wert erreichte. Auch aus diesem Grund erscheint den Befürwortern eine Verknüpfung mit den Präsidentschaftswahlen sinnvoll.

Nachdem die Zustimmungsraten innerhalb der polnischen Bevölkerung zur EU-Verfassung lange Zeit sehr hoch waren, ist der Wert in den letzten Monaten erstmals gesunken. So fielen die Befürworter von 64% im Februar auf nunmehr 56%, die Gegner legten von 7% auf 15% zu.

Premier Belka erklärte angesichts der kritischen Stimmung in Frankreich, ein Scheitern der Verfassung bedeute „weniger Solidarität“ und für Polen „weniger Beihilfen“. In einem offenen Brief hatte im April eine Gruppe von polnischen Intellektuellen, Künstlern, Politikern und Diplomaten die Franzosen dazu aufgerufen, den Vertrag anzunehmen. Ein französisches Ja hätte, so die Autoren, enorme Auswirkungen auch auf das polnische Referendum.

Für die Informationskampagne zur Verfassung steht der Regierung eine Summe von über sieben Millionen Euro zur Verfügung.

Portugal (fakultatives, bindendes Referendum)

Die Ratifizierungsdebatte wird weiterhin von der Auflösung des Parlamentes und den damit verbundenen Neuwahlen am 20. Februar überlagert. Der regierende Partido Socialista (PS) mit Ministerpräsident José Sócrates, der einer Volksabstimmung zunächst kritisch gegenübergestanden war, drängt darauf, das Referendum aus organisatorischen und finanziellen Gründen im Oktober 2005 zeitgleich mit den Kommunalwahlen abzuhalten.

Die portugiesische Verfassung steht diesem Plan derzeit jedoch entgegen. Demnach müssen mindestens drei Monate zwischen Wahlen und einem Referendum liegen, was einen Termin noch im Jahr 2005 angesichts der Lokalwahlen im Herbst und der Präsidentschaftswahl im Januar 2006 nahezu unmöglich macht. Die Verfassung sieht zudem bislang kein Referendum über internationale Abkommen vor. Zwar befürworten alle Parlamentsparteien ein Referendum zum EU-Vertragswerk, doch bedarf es zu einer Änderung dieser Regelungen einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Diese erscheint jedoch momentan angesichts des schwierigen Verhältnisses zwischen Regierung und dem oppositionellen bürgerlichen Partido Social Democrata (PSD) schwierig zu erreichen.

Damit ein Referendum in Portugal bindende Kraft hat, müssen laut Verfassung mindestens 50% der Wahlberechtigten zu den Urnen gehen.

Schweden (parlamentarische Ratifizierung)

Das Meinungsbild ist noch nicht abgeschlossen. Ende April hat der schwedische Riksdag mit einer Debatte über die EU-Verfassung begonnen. Die Regierung möchte diese bis spätestens Ende 2005 ratifizieren. Die Abstimmung im Parlament soll im Dezember 2005 stattfinden. Die dortige Ratifizierung ist, da Neuwahlen erst für das Jahr 2006 anstehen sehr wahrscheinlich.

Ein Referendum lehnt die Regierung ab und konnte dabei bisher auf die Unterstützung der Mehrheit des Parlamentes zählen. Nur die Grünen (Miljöpartiet de Gröna) und die linke Vänsterpartiet sprachen sich dafür aus, haben damit aber eine große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Durch eine Petition mit über 120 000 gesammelten Namen aller politischer Couleur für eine Volksabstimmung ist daher die öffentliche Debatte um die Art der Ratifizierung neu entflammt und der Druck auf die Regierung ihre Haltung zu einem Referendum zu überdenken gewachsen.

Die Werte für eine Unterstützung der EU-Verfassung waren in der schwedischen Bevölkerung äußerst gering: Nur 27% der Schweden befürworten die europäische Verfassung, 25% lehnen sie ab und 48% waren noch unentschieden (Eurobarometerstudie vom Januar 2005). Die Schweden hatten zudem im September 2003 die Einführung des Euro mehrheitlich abgelehnt.

Slowakei (parlamentarische Ratifizierung)

Das slowakische Parlament nahm die Verfassung am 11.Mai 05 mit 116 zu 27 Stimmen an. Vier Abgeordnete enthielten sich. Damit wurde ohne Schwierigkeiten die notwendige Mehrheit von 60% erreicht. Die regierende Slowakische Demokratische und Christliche Union (SDKU) erklärte, der Vertrag sei ein wichtiges Dokument, das zur positiven Entwicklung der EU beitrage. Zwar hatten auch Präsident Gasparovic und Außenminister Euduard Kukan einige „problematische Punkte“ der Verfassung bemängelt. Sie traten jedoch deutlich für eine Annahme ein. Im Parlament hatte sich zuvor besonders Pavol Hrusovsky, Parlamentspräsident und Vorsitzender der konservativ en KDH (Christlich Demokratische Bewegung) als Kritiker der Verfassung exponiert. Die KDH, die mit ihrer Forderung nach einem Referendum gescheitert war, bemängelte, die Verfassung schwäche die Kompetenzen des nationalen Gesetzgebers und verkompliziere die Beziehungen zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Von Beginn an hatte sie zudem kritisiert, die Präambel des Vertrages lasse die christlichen europäischen Wurzeln unerwähnt. In der parlamentarischen Opposition lehnten die Slowakischen Kommunisten (KSS) die EU-Verfassung ab.

Letzte Umfragen ergaben, dass 83% der Slowaken dem Vertragswerk positiv gegenüberstehen.

Slowenien (parlamentarische Ratifizierung)

Slowenien hat am 1. Februar als drittes Mitgliedsland die EU-Verfassung ratifiziert. 79 Abgeordnete gaben dem Vertragswerk ihre Stimme, vier lehnten es ab und sieben enthielten sich. Politiker der Regierungskoalition haben angekündigt, die Zeit bis zum Inkrafttreten des Vertrages zu nutzen, um die Bevölkerung besser über die Inhalte der Verfassung aufzuklären.

Spanien (fakultatives, nicht bindendes Referendum)

Auch in Spanien ist nun der Ratifizierungsprozess erfolgreich abgeschlossen. Als erstes Land in Europa hatte Spanien am 20. Februar 2005 ein Referendum über den europäischen Verfassungsvertrag durchgeführt. Dabei stimmten 77% der Wähler für und 17% gegen die EU-Verfassung. In der Abgeordnetenkammer wurde das Vertragswerk am 28. April mit großer Mehrheit von 311 zu 19 Stimmen angenommen. Auch der Senat billigte die EU-Verfassung am 18. Mai 05 mit einem deutlichen Votum (225 Ja, sechs Nein, eine Enthaltung). Die spanische Regierung unter José Luis Zapatero gehörte mit zu den größten Befürwortern einer raschen Ratifizierung des europäischen Verfassungsvertrages. Auch der Partido Popular (PP) sprach sich für eine Ratifizierung und Annahme der Verfassung aus, ebenso wie die Christdemokraten aus Katalonien (UDC) und die baskischen Nationalisten (PNV).

Zapatero hatte das Wahlergebnis des Referendums als „großen Tag für alle Europäer“ interpretiert. Die verfassungsunterstützende Medienkampagne der Regierung mit finanzieller Unterstützung der europäischen Kommission und Besuch prominenter Politiker wie Kanzler Schröder und Präsident Chirac schien ihre Wirkung gezeigt zu haben.

Die Opposition wertete die Volksabstimmung aufgrund der geringen Wahlbeteiligung von unter 43% der Wahlberechtigten jedoch als einen Fehlschlag. Tatsächlich war die Wahlbeteiligung bei der Volksabstimmung niedriger als bei der Europawahl im Juni 2004 (45%). Die geringe Teilnahme an den Wahlen lässt sich auch auf die allgemeine Unwissenheit der Bevölkerung über Bedeutung und Inhalt des Verfassungstextes zurückführen. Dass sich nach einer Studie Ende März 2005 drei Viertel der jungen Wähler nicht an der Wahl beteiligt haben, wird mit dem gleichen Faktor begründet. Als weiterer Indikator für die geringe Wahlbeteiligung und relativ hohe Ablehnung in machen Regionen Spaniens kann die Verweigerung von Teilen der PP-Wählerschaft zur Zapatero-Regierung gesehen werden.

Tschechien (parlamentarische Ratifizierung oder Referendum)

Tschechien gehört mit zu den kritischen Ländern. Der neue Ministerpräsident Jiri Paroubek hatte in einer Regierungserklärung am 13.Mai 05 die Ratifizierung der EU-Verfassung als wichtigstes Ziel bezeichnet. Die Regierung sieht sich in der proeuropäischen Tradition der Vorgängerregierungen Spidla und Gross.

Die größte Oppositionspartei ODS sprach sich hingegen bereits auf ihrem Parteitag Ende November 2004 gegen die Verfassung aus. Der Präsident der Republik und frühere Vorsitzende der ODS, Václav Klaus, hat Anfang April 2005 eine Kampagne gegen die Ratifizierung der europäischen Verfassung in seinem Land gestartet und dazu unter anderem ein Buch („Saying Our Own Yes and No to the Constitution“) herausgegeben, das mit dem Satz schließt: “No to the constitution, yes to democracy”. Er bezeichnet die Verfassung als einen "Versuch, ein gemeinsames, völlig neues, bisher nicht existierendes europäisches Volk" zu schaffen und warnt vor einem europäischen „Superstaat“. Die von Europaparlamentariern vorgebrachte Kritik an seiner Haltung wies er als Beleidigung zurück und forderte eine Entschuldigung. Auch die Kommunisten bekämpfen die Verfassung vehement. Eine parlamentarische Ratifizierung wäre aufgrund der notwendigen Dreifünftelmehrheit daher nahezu ausgeschlossen.

In einer Fernsehdebatte erklärt Paroubek zuletzt, seine Sozialdemokratische Partei (CSSD) befürworte – auch wenn die neue Koalitionsvereinbarung dies nicht mehr explizit vorsah – ein Referendum zur Ratifikation der Verfassung, wie auch Volksabstimmungen zu anderen Themen in Tschechien. Dazu kündigte er einen Gesetzentwurf an. Ein Referendum scheinen derzeit auch alle übrigen im Parlament vertretenen Parteien zu befürworten. Strittig ist jedoch der Zeitpunkt: die Regierung möchte die Volksbefragung mit den Wahlen zum Parlament im Juni 2006 verbinden, während die ODS diesen Termin zu verhindern versucht.

In einer Mitte April durchgeführten Umfrage der Zeitung „Mlada Fronta Dnes“ befürworteten 28% die EU-Verfassung, 19,5% waren dagegen. Der große verbleibende Rest hatte dazu keine Meinung oder interessierte sich nicht dafür.

Ungarn (parlamentarische Ratifizierung)

Ungarn hatte als zweiter Mitgliedsstaat dem Verfassungsvertrag zugestimmt. Am 20. Dezember 2004 votierten 322 Abgeordnete für die Verfassung, 12 stimmten dagegen, acht enthielten sich. Die nötige Zweidrittelmehrheit wurde demnach ohne Probleme erreicht. Der ehemalige Premierminister Péter Medgyessy engagierte sich auf Anfrage des französischen Präsidenten Chirac auch in Frankreich für eine Annahme der Verfassung.

Vereinigtes Königreich (fakultatives, bindendes Referendum)

Die Regierung Blair wurde bei den Unterhauswahlen am 05. Mai 05 trotz Stimmenverlusten zum dritten Mal mit absoluter Mehrheit wiedergewählt. Tony Blair will sich für die Annahme der EU-Verfassung einsetzen. Nach den Wahlen und dem auch darin deutlichen gewordenen Denkzettel der Briten für Tony Blair, könnte das Referendum zunehmend mit seiner Person verbunden werden. Auch wird über einen frühzeitigen Wechsel im Amt des Premierministers spekuliert.

Die britischen Konservativen, die nur 0,6% Stimmenanteile hinzugewannen sprechen sich in ihrer Mehrheit gegen den Verfassungsvertrag aus. Der „Schatten-Europaminister“ der britischen Konservativen, John Redwood, hatte Ende März 2005 in einer Rede verlauten lassen, dass die Konservativen im Falle eines Wahlsieges möglicherweise bereits bestehende Verträge mit der Europäischen Union „rückgängig“ machen würden und hatte dabei auch den Austritt Großbritanniens aus der EU nicht ausgeschlossen. Die United Kingdom Independent Party, mit 12 Abgeordneten auch im Europäischen Parlament vertreten und ausgewiesene Anti-Europa-Partei, konnte immerhin 0,9% Zugewinne und damit mehr als die Konservativen verzeichnen. Die Liberaldemokraten, die mit 3,7 % deutlich hinzugewannen, gelten hingegen als EU-freundlich.

Premierminister Blair hatte entschieden, den Vertrag in einem Volksentscheid zur Abstimmung zu stellen. Das britische Unterhaus hat am 10. Februar 2005 mit 345 zu 130 Stimmen für die Möglichkeit eines solchen Referendums gestimmt. Der Ausgang des Referendums ist noch nicht abzusehen. Unklar ist auch noch der exakte Zeitpunkt der Volksabstimmung. Wahrscheinlich ist ein Datum im März 2006, nach Ende der britischen Ratspräsidentschaft. Blair wird versuchen den EU-Vorsitz dazu nutzen, die Europastimmung im Land zumindest temporär zu verbessern, um so einen positiven Ausgang des Referendums zu befördern. Der Außenminister Jack Straw, hat die Europäische Kommission am 16. Februar offiziell vor dem britischen Unterhaus gewarnt, Geld für eine Medienkampagne „für die Verfassung“, vergleichbar mit der in Spanien, auszugeben.

In einer Umfrage vom 09. Februar 2005 hatten sich mit 36% der Bevölkerung zum ersten Mal mehr Briten für die Verfassung, als gegen diese (29%) ausgesprochen. Die gleiche Studie zeigte aber auch, dass ein Drittel der Bevölkerungen aus unterschiedlichen Gründen nicht vorhat überhaupt an der Abstimmung teilzunehmen.

Zypern (parlamentarische Ratifizierung)

Die Ratifizierung des Verfassungsvertrages ist unproblematisch, da alle Parteien, bis auf die linke AKEL, den Verfassungsvertrag befürworten. Die politische Klasse lehnt ein Referendum, für das es keine Rechtsgrundlage gibt, ab. Die Ratifizierung im Parlament wird noch vor Ende Mai erwartet.

Nachdem die EU-Verfassung und ihre Inhalte auch in Zypern der Bevölkerung weitestgehend unbekannt sind, hat das zyperngriechische Informationsministerium nun eine zweimonatige Werbe- und Aufklärungskampagne gestartet.

3.Die europäischen Institutionen

Der Rat der EU hat die niederländische Ratspräsidentschaft (bis zum 31.12.2004) aufgefordert sich mit der Problematik des Desinteresses der europäischen Bürger hinsichtlich der EU-Verfassung zu befassen und effiziente Informationsaktivitäten einzuleiten. Mit der europaweiten Kampagne „Communicating Europe“ soll eine grenzüberschreitende Debatte angeregt werden, um einen Konsens über die gemeinsamen Werte zu erzielen. Die EU-Kommission sollte bis Mitte 2005 eine entsprechende Kommunikationsstrategie vorstellen.

Innerhalb der Europäischen Kommission ist Vizepräsidentin Margot Wallström für die Kommunikationsstrategien der Union verantwortlicht. Ihr Auftrag ist die nationalen Kampagnen zur Verfassung auf Anfrage der Mitgliedsstaaten zu unterstützen. Für diese Aufgabe steht Ihr ein Budget in Höhe von ungefähr 8 Millionen Euro zur Verfügung.

Mit Hinblick auf die kritische Stimmung in Frankreich versucht man in Brüssel derzeit sensible, Frankreich betreffende Entscheidungen (z.B. den Plan der Kommission staatliche Hilfen für die Industrien zu reduzieren) bis nach dem Referendum aufzuschieben. Auch mit einer vernünftigen Diskussion über die Dienstleistungsrichtlinie und einer Einigung in Fragen des EU-Budgets der nächsten sieben Jahre ist wohl erst wieder ab Juni zu rechnen. Kommissionspräsident Barroso hat dazu auch einen neuen Entwurf angeordnet.

Auch Barroso selbst hielt sich zunächst mit Äußerungen zum Stand in Frankreich zurück. Dies ist wohl auch auf ein angespanntes Verhältnis zwischen ihm und Chirac zurückzuführen. Erst vor wenigen Tagen, auf einer Veranstaltung in Paris, warb er zusammen mit Josep Borrell, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments und Jean-Claude Juncker, derzeitiger EU-Ratspräsident, öffentlich für die Annahme der Verfassung.

Ratspräsident Juncker hatte vor kurzem ebenfalls davor gewarnt, die EU könne sich aufgrund der nationalen Sensibilitäten zum Referendum festfahren. Aber auch die luxemburgische Ratpräsidentschaft versucht, die Stimmung in Frankreich aufzubessern. So wurde rechtzeitig ein neuer Anlauf zur Umsatzsteuersenkung für Restaurants unternommen - eine Forderung, die von französischen Restaurant-Besitzern und Köchen bisher erfolglos vorgebracht wurde.

Auch viele Europaparlamentarier versuchen durch öffentliche Auftritte für die Verfassung zu werben. Das Europäische Parlament hatte am 12.01.05 mit 500 Ja-Stimmen zu 137 Nein-Stimmen und 40 Enthaltungen den Verfassungsvertrag gebilligt und rückhaltlos dessen Ratifizierung befürwortet. Nein-Stimmen kamen überwiegend aus der „Konföderalen Fraktion der Vereinigten Linken/Nordische Grüne Linke (KVEL/NGL)“, der euroskeptsichen Fraktion „Unabhängigkeit und Demokratie (IND/DEM)“, von zahllosen Fraktionslosen und aus den Reihen der 40 Mitglieder umfassenden der ED-Gruppe innerhalb der EVP-ED-Fraktion. Die 228 Mitglieder der EVP stimmten für den Verfassungserntwurf. Fast die gesamte Fraktion der Grünen/EFA gab, trotz der aus ihrer Sicht bestehenden Mängel, dem Entwurf ihre Unterstützung. Die Fraktion der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), die sich für die Ratifizierung per Referendum einsetzen, sprachen sich bis auf eine Abgeordnete für den Vertrag aus. Auch bei den Sozialisten (PSE) gab es nur eine einzige Gegenstimme, jedoch zwölf Enthaltungen. Die befürwortenden Abgeordneten halten den Entwurf insgesamt für eine erhebliche Verbesserung der bestehenden Verträge, der nach seiner Umsetzung sowohl für die Bürger, für die Mitgliedsstaaten und die effiziente Funktionsweise der EU-Institutionen von Vorteil sein werde. Die Gegner des Verfassungsentwurfes, die aus unterschiedlichen politischen Positionen heraus den Verfassungsentwurf ablehnen, finden sich in einem europaweiten, überparteilichen Netzwerk, der „Nein-Kampagne zusammen. Die Begründungen für die ablehnende Haltungen reichen von einer grundlegenden Europaskepsis, über die Befürchtung der Aufgabe sozialer Prinzipien bis hin zur Angst vor dem Verlust nationalstaatlicher Souveränität und somit der Entmachtung des Bürgers.

Um gegen „Euroskepsis“ aufgrund von Fehlinformationen vorzugehen, hat das Europäische Parlament im Januar eine "Schnelle Eingreifgruppe" einberufen. "Innerhalb von drei Stunden, nachdem eine verfälschende Angabe zum Verfassungsvertrag gemacht wurde, antworten wir mit einer Gegendarstellung", verkündete Jo Leinen, Vorsitzender des Verfassungsausschusses im Europäischen Parlament und Mitglied dieser Eingreifgruppe.

Eine Eurobarometerstudie vom Januar 2005 zeigte die Abhängigkeit von Zustimmung oder Ablehnung zur Verfassung vom Wissen über den Verfassungstext. Im Durchschnitt der 25 EU-Länder befürworten 49% der Europäer die europäische Verfassung, 16% lehnen sie ab und 35% waren noch unentschlossen. Bei den Befragten, die über den Verfassungstext informiert waren und Fragen über dessen Inhalt beantworten konnten, lag die Zustimmung im Durchschnitt der EU-Länder bei 60%, die Ablehnung bei 20% und die Unentschlossenheit bei 20%. In der Studie zeigt sich die Tendenz, dass um so mehr Bürger über den tatsächlichen Text wissen, um so positiver der Einführung der Verfassung gegenüber eingestellt sind.

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