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"Die europäische Strategie zur Energieversorgungssicherheit"

von Antje Nötzold

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Veränderte Rahmenbedingungen der Versorgungslage

Der neue Energiekommissar, der Lette Andris Piebalgs, sieht in einer effektiven Energiepolitik der EU nicht nur einen keinesfalls zu unterschätzenden Faktor für das Europäische Gemeinwohl sondern auch einen Schlüsselbereich für die Europäische Wirtschaft und damit die Umsetzung der Lissabon Agenda, der Priorität der neuen EU Kommission. Die momentane Ausgangslage hat sich jedoch seit den letzten strategischen Überlegungen der Europäischen Union, die im Jahr 2000 in dem Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit“ dargelegt wurden, fundamental gewandelt. Circa 70 Prozent der Erdöl- und Erdgasreserven der Welt befinden sich in den Gebieten des Nahen und Mittleren Ostens, Zentralasiens und der Kaspischen Region sowie Russlands. Neben enormen Vorkommen dieser Ressourcen ist allen Regionen eine politische bzw. sozio-ökonomische Instabilität gemeinsam, die sich seit den Ereignissen der Terroranschläge des 11. September 2001 und dem internationalen Kampf gegen den Terrorismus sogar noch erhöht hat, so dass künftig zumindest vorübergehende Lieferunterbrechungen oder –ausfälle als wahrscheinlich gelten müssen. Im Kontrast dazu wird jedoch der weltweite Bedarf an Öl und Gas mittel- und langfristig weiter steigen, was sich hauptsächlich in dem boomartigen Wirtschaftswachstum der asiatischen Staaten begründet, die allein für 55 Prozent des globalen Anstiegs des Rohölbedarfs bis 2010 verantwortlich sein werden. Die gestiegene Nachfrage führt bereits heute zu Veränderungen auf dem Weltölmarkt und kann im Hinblick auf die zumeist auch unter sicherheits- und geopolitischen Aspekten betriebene Energiepolitik der asiatischen Staaten zu einer weiteren Politisierung des Marktes, Erhöhung des Ölpreises und verschärfter Konkurrenz um den Einfluss auf Ressourcen führen. Daher stellt diese erhebliche Nachfragesteigerung aus den Wachstumswirtschaften China, Indien und Brasilien, ein Trend der sich auch zukünftig fortsetzen wird , nach Ansicht des Energiekommissars die gewichtigste Veränderung in den aktuellen Rahmenbedingungen zur europäischen Energieversorgung dar. In Verbindung mit der oben erläuterten Instabilität der Hauptreserveregionen geht die Europäische Kommission infolgedessen davon aus, dass der Ölpreis weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben wird. Um diesen Entwicklungen gerecht zu werden, wird die Generaldirektion für Energie in den nächsten Jahren entsprechend ihrem Entwurf der „European Energy Priorities“ ihren Fokus auf sechs Aspekte der Europäische Energiepolitik legen. Den Hauptansatzpunkt für die neue Energiepolitik der Europäischen Union soll dabei die Verbrauchsseite der Rohstoffe Erdöl und -gas bilden. Mit der Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau regenerativen Energieträger soll eine Reduzierung der künftig benötigten Energie erreicht werden. Insbesondere der Energieeffizienz möchte die folgende britische Ratspräsidentschaft verstärkt ihre Aufmerksamkeit widmen und gegen Mitte des Jahres 2005 ein Grünbuch zur Energieeffizienz vorstellen.

Versorgungssicherheit bleibt unentbehrlich

Der Aspekt der Versorgungssicherheit sollte jedoch keinesfalls unterbewertet werden oder gar aus dem Blickfeld der strategischen Überlegungen geraten. Die europäische Öl- und Gasförderung wird innerhalb der nächsten 20 Jahre erheblich sinken, da besonders die Fördergebiete in der Nordsee weitestgehend erschöpft sein werden. Selbst mit der Verbesserung der Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbaren Energieträger im geplanten Umfang, den Energieexperten allerdings als äußerst optimistisch einschätzen, wird sich der Importbedarf der Europäischen Union hinsichtlich Erdöl und –gas in der mittel- und langfristigen Perspektive weiter erheblich steigern. Im Jahr 2020 wird Europa verschiedenen Schätzungen zufolge bis zu 90 Prozent seines Erdöls und 70 Prozent des Gas importieren müssen. Die Bedeutung dieser Rohstoffe für die europäische Wirtschaft bleibt entsprechend der derzeitigen Entwicklung jedoch unverändert erheblich. Der Transportsektor wird fast vollkommen vom Öl abhängig bleiben, da alternative Kraftstoffe mittel- bis langfristig noch keine ausreichende Alternative bieten können. In der Elektrizitätswirtschaft wird insbesondere Gas zunehmende an Bedeutung gewinnen. In Folge der angestrebten Verringerungen des CO2-Ausstoßes im Rahmen des Kyoto-Protokolls und dem geplanten Atomausstieg in einigen europäischen Ländern wird die Energieeffizienz und kohlenstoffdioxidarme Verbrennung die Attraktivität von Erdgas zur Elektrizitätserzeugung erhöhen. Die Rohstoffe Öl und Gas sind jedoch nicht nur als Energiequellen von Bedeutung, sondern ebenfalls als Grundstoffe der industriellen Produktion, insbesondere in der Chemiebranche. Obwohl in diesem Bereich nachwachsende Rohstoffe bereits begrenzt eingesetzt werden, ist es jedoch selbst in der Grundlagenforschung noch nicht gelungen, Öl und Gas in der chemischen Industrie ersetzbar zu machen. Somit wird dieser Industriezweig noch lange Zeit auf die beiden Rohstoffe angewiesen sein. Vor diesem Hintergrund ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Problem der europäischen Versorgungssicherheit und den Risiken durch mögliche Abhängigkeiten und politische Instrumentalisierungen durch die Regierungen der Förderländer existenziell für die Europäische Union und ihre wirtschaftliche Prosperität.

Schlüsselpartner Russland

Kommissar Piebalgs möchte bis Ende 2005 ein neues Grünbuch für die europäische Versorgungssicherheit vorlegen und damit eine Debatte über dieses Thema anstoßen, welche die EU auch definitiv führen muss, um im internationalen „Wettbewerb des Ressourcenhungers“ zu bestehen. Das neue Grünbuch soll den oben erläuterten veränderten Rahmenbedingungen Rechnung tragen und die Europäische Union in die Position bringen, auf zukünftige Entwicklungen vorbereitet zu sein und den Trends mit einem abgestimmten Paket von Maßnahmen zu begegnen. Teile dieses Pakets sollen die Förderung regenerativer und damit einheimischer Energieträger, Energieeffizienz sowie der Dialog mit allen Liefer- und Transitländern und die Diversifizierung der Importe sein. Wie auch in den „European Energy Priorities“ angeführt wird Russland dabei eine Schlüsselrolle in der europäischen Energieversorgung zufallen, denn es besitzt nicht nur die weltweit größten Gasreserven und ebenfalls beträchtliche Reserven an Erdöl, sondern liefert bereits heute den größten Teil des importierten Gas in Europa und stellt im Bereich des Erdöl eines der europäischen Hauptlieferländer dar. Auf diese strategische Beziehung hat die Europäische Union bereits im Jahr 2000 mit der Europäisch-Russischen Energiepartnerschaft reagiert und in diesen Rahmen den EU-Russland Energie Dialog eingerichtet, der eine Basis bieten soll, um die Vereinbarungen der Energiepartnerschaft umzusetzen. Grundlage der Partnerschaft im Energiesektor sollen laut Deklaration des EU-Russland-Gipfels vom 30. Oktober 2000 alle Fragen von beiderseitigem Interesse sein, was die Kooperation in Energieeinsparungen, Rationalisierungen der Produktions- und Transportinfrastruktur, europäische Investitionsmöglichkeiten und die Beziehungen zwischen Produzenten- und Konsumentenländern beinhaltet. Nach Einschätzung der Europäischen Kommission hat dieser Energiedialog bisher durchaus Erfolge erzielen können, da nicht nur das Vertrauensverhältnis verbessert wurde, sondern ferner eine Vielzahl von Problemen wie beispielsweise die Preisgestaltung oder die Möglichkeit des Weiterverkauf von russischen Lieferungen gelöst werden konnten. Des Weiteren ist ein sehr erfolgreicher Dialog in technischen Fragen entstanden, die Investitionen durch europäische Firmen sind gestiegen und langfristige Verträge für eine verbesserte Versorgungssicherheit konnten geschlossen werden. Auch die Wirtschaft sieht Russland für die Energieversorgung von so strategischer Bedeutung, dass Europa auf die Forcierung der Kontakte mit Russland angewiesen ist. Somit wird der Energiedialog von wirtschaftlicher Seite als positiver Ansatz bewertet, da es gelungen ist stabile Zusagen zu erreichen. Ferner wird versucht, ein Interdependenzsystem zwischen beiden Partner aufzubauen, denn um sein Potential an Erdöl und –gas erschließen zu können, braucht Russland europäische Unterstützung in Form von technischem Know-how-Transfer und Investitionen.

Investitionen in Russland

Trotz dieser Fortschritte in der Energiepartnerschaft ist sich die Europäische Kommission auch bewusst, dass bisher nicht alle strittigen Fragen gelöst wurden. Nicht erreicht werden konnte bislang ein Abkommen über Durchleitungen der Öl- und Gasexporte von Drittanbietern, wie beispielsweise der zentralasiatischen Staaten, durch Russland. Hier steht der europäische Wunsch nach direkten Bezüge aus der Region im Gegensatz zum russischen Interesse, das zentralasiatische Öl und Gas selbst zu erwerben und als russisches weiter zu verkaufen. Weitere Gespräche werden auch bezüglich der nuklearen Sicherheit in Russland, den Umweltvoraussetzungen für Elektrizitätserzeugung und den europäischen Bemühungen zur Sicherung des Energietransportweges durch die Ukraine notwendig sein. Zudem wird im letzten Fortschrittsreports des EU-Russland Energie Dialogs vom November 2004 auf die fortbestehende Bedeutung der Förderung von gegenseitigen Investitionen in die Energiesektoren beider Partner verwiesen. Die Erheblichkeit dieser Forderung zur Deckung des europäischen Importbedarfs zeigt sich besonders vor dem Hintergrund des nach EU Schätzung bis 2020 notwendigen Investitionsbedarfs von über 140 Milliarden US-$ allein zur Aufrechterhaltung der russischen Förder- und Transportsysteme auf dem jetzigen Niveau. Gleichwohl hat Russland bisher nicht den „Vertrages zur Europäischen Energiecharta“, der die Energiezusammenarbeit ausschließlich auf Grundlage wirtschaftlicher Kriterien vorsieht und damit das Investitionsklima verbessern könnte, ratifiziert. Obwohl der „European Energy Priorities“ Report die Garantie für ausländische Investitionen als eine Anforderung für eine zukünftig verstärkte Kooperation mit Russland vorsieht, scheint dieser Punkt der Sicherheit europäischen Investitionen jedoch besonders bezüglich der zunehmenden Tendenzen zur Renationalisierung des Energiesektors durch die russischen Regierung prekär zu bleiben. Neben einer gestärkten Kontrolle über den Energiemonopolisten Gazprom, dem das gesamte russische Gasleitungsnetz untersteht, verfügt die russische Regierung, wie das Beispiel YUKOS gezeigt hat, auch gegenüber privaten Energieunternehmen über genügend Druckmittel. Überdies offenbart ein geplantes Gesetz, welches zukünftig das Erwerben von Lizenzen zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen nur noch Unternehmen erlaubt, die zu mindestens 51 Prozent in russischen Händen sind , einen Kurs, der ganz im Gegensatz zu Deregulierung und marktwirtschaftlichen Mechanismen für eine Aufrechterhaltung der Kontrolle des Energiesektors durch die russische Regierung steht.

Die eventuellen negativen Auswirkungen dieser Politik für die Erneuerung und den Ausbau seines Energiesektors muss Russland, nach Ansicht der Europäischen Kommission, selbst verantworten. Die Kommission betrachtet diese Entwicklungen, solange keine europäischen Firmen davon betroffen sind, als innerrussische Angelegenheit und sieht sich daher nur als Beobachter, wenn auch als einer mit Bedenken. Das diese Bedenken bezüglich der Investitionssicherheit in Russland keinesfalls unangebracht sind, wird vor dem Hintergrund der Unsicherheiten bezüglich der russischen Möglichkeiten zur Steigerung der Förder- und Transportkapazitäten im notwendigen Umfang zur Deckung des europäischen Bedarfs deutlich. Um die von russischer Seite geplanten Steigerungen zu verwirklichen, werden ausländische Investitionen unentbehrlich sein, da bis zum Jahr 2020 nicht nur enorme Investitionskosten in Höhe von 560-600 Mrd. US-$ notwendig werden, sondern bereits 2002 nach Angaben von Gazprom etwa 80 Prozent der Einrichtungen zum Gastransport an der Schwelle zum Zusammenbruch standen. Der größte Teil dieser Investitionen wird aus der Wirtschaft kommen müssen. Die Energiebranche ist nach eigenen Aussagen das Eingehen von Risiken gewohnt, da immer auch mit naturgegebenen Risiken kalkuliert werden muss und in politisch sensiblen Gebieten wie beispielsweise Afrika oder dem Nahen Osten bereits enorme Investitionen getätigt werden. Ob die Investitionen in der russischen Energiewirtschaft somit im benötigten Umfang getätigt werden, wird von der Einschätzung der Stabilität der Lage durch die Unternehmen abhängen. Prinzipiell gibt es für Firmen drei Varianten für eine Zusammenarbeit mit den Fördergesellschaften in den Reserveländern: ein Importvertrag, der Erwerb von Teilen einer Aktiengesellschaft oder die Kooperation durch eine gemeinsame Firma. Den zuletzt genannten und intensivsten Weg der Zusammenarbeit hat mit der russischen Energiewirtschaft bisher nur die Wintershall AG beschritten. Über das mit der russischen Gazprom 1993 gegründete Joint Venture Wingas kooperieren beide Firmen bei der Exploration, Förderung, dem Transport und der Vermarktung von Ergas. Am 11. April 2005 wurde zudem eine Intensivierung der Zusammenarbeit verkündet, wobei sich Wintershall an der Entwicklung eines weiteren Erdgasfeldes in Westsibirien beteiligen und Gazprom durch eine Aufstockung seiner Anteile bei Wingas stärker in die europäischen Absatzmärkten mitwirken wird.

Europa muss ein attraktiver Markt bleiben

Europa wird zukünftig auch Sorge dafür tragen müssen, dass der Markt in Westeuropa attraktiv für Russland bleibt, da nicht nur die 2003 von der russischen Regierung verabschiedeten Energiestrategie bis 2020 den Großteil der gesteigerten Förderung von Öl und Gas zum Export nach Asien oder Amerika vorsieht sondern Fortschritte in der Technik von LNG (Liquefied Natural Gas) die Möglichkeiten des Exports von russischen Erdgas in neue Absatzmärkte wie die USA, China oder Japan wirtschaftlich rentabel machen. Die Strategie der europäischen Gasversorger zur Sicherung der Attraktivität des europäischen Marktes beinhaltet vor allem die Schaffung entsprechender Infrastrukturen. Dabei sollen die bestehenden Lieferwege offen gehalten und nach Möglichkeit die Effizienz des Pipelinesystems weiter erhöht werden. Daneben könnten Kooperationen zwischen europäischen und russischen Energieunternehmen entsprechende strukturelle Verbindungen schaffen. Wenn Alexej Miller, Vorstandsvorsitzender der OAO Gazprom, über den Ausbau der Kooperation mit Wintershall äußert: „Wir sind überzeugt, dass wir mit der jetzt vereinbarten Intensivierung der Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette ein zukunftsweisendes Modell gefunden haben“ , so könnte Wingas als Beispiel für einen grundlegender Weg angesehen werden, die zukünftige Anbindung Russlands zur europäischen Energieversorgung zu sichern.

Risiken der Abhängigkeit

Wenn es gelingt die russischen Exporte nach Europa entsprechend dem im „Prodi Plan“ angestrebten Ziel einer Verdoppelung der Ergasimporte und einer 10-prozentigen Steigerung der Erdölimporte aus Russland zu steigern, würde eine bis dahin auf eventuell 30 Mitglieder erweiterte EU dann bis zu 85 Prozent ihrer Energieimporte aus Russland beziehen! Da die russische Energiepolitik im Gegensatz zur europäischen nicht nur von wirtschaftlichen Interessen sondern im mindestens ebenso großen Maße von geopolitischen sowie außen- und sicherheitspolitischen Aspekten geprägt ist, scheint es fragwürdig, ob es politisch sinnvoll ist, sich in eine solche Abhängigkeit bei einem derart sensiblen Bereich wie der Energieversorgung zu begeben. Unter veränderten innenpolitischen Bedingungen könnte Russland, dass seine Energiepolitik stets als ein effektives Instrument seiner Außen- und Sicherheitspolitik angesehen hat, seine Stellung als Rohstoffexporteur ausnutzen und die europäische Abhängigkeit politisch instrumentalisieren. Diese Gefahr der möglichen Instrumentalisierung wird von der Europäischen Kommission wie auch den energieabhängigen Wirtschaftszweigen wahrgenommen und diskutiert. In Verbindung mit der russischen Energiestrategie, die in erster Linie Gewicht auf neue Absatzmärkte legt, sollte sich die EU nicht von der Einhaltung der Zusagen eines Partners abhängig machen, besonders da die europäische Abhängigkeit von Russland ohnehin weiter steigen wird. Der Lösungsansatz der Europäischen Kommission zur Minimierung dieser Abhängigkeitsrisiken besteht im Streben nach Diversifizierung, indem die Europäische Union mit allen Partnerregionen im Energiebereich verlässliche Beziehungen aufbaut, jedoch wohlwissend das Russland und der Nahe Osten die wichsten Regionen bleiben werden. Somit wird der EU-Russland Energie Dialog als eine wichtige Einrichtung angesehen, das Konzept der Kommission zur europäischen Versorgungssicherheit ist jedoch umfassender.

Diversifizierungsbemühungen der EU

In den „European Energy Priorities“ kündigt Energiekommissar Piebalgs an, in Dialog mit allen Liefer- und Transitländern zu treten und besonders die Kooperation mit den Ländern des Nahen Ostens, der größten Reserveregion für Öl und Gas, vertiefen zu wollen. Zu einer ersten Annäherung mit den Ländern des GCC (Gulf Cooperation Council) kam es bei der Teilnahme von Kommissar Piebalgs an einem Treffen des GCC Anfang April. Trotz enormer Reserven und hoher Einnahmen aus den Ölexport stehen auch diese Staaten des Nahen Ostens vor einem gewaltigen Investitionsbedarf, um neue Felder erschließen und ihre Förderkapazitäten der steigenden weltweiten Nachfrage anpassen zu können. Somit wurde von der Region neben der Bereitschaft für den Beginn eines intensiveren Dialogs auch der Wunsch für ein stärkeres europäisches Engagement, sogar in Form von Investitionen, geäußert. Auch im sogenannten Mittelmeerdialog der Europäischen Union soll der Energieseite in der Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden. So ist die Kooperation mit Algerien und Libyen, die zukünftig über die LNG Technik vermehrt ihr Erdgas nach Europa exportieren könnten, bereits erheblich ausgedehnt wurden. Des Weiteren hat die EU ihre Gespräche über Energiekooperationen mit Irak und Iran wieder aufgenommen. Gerade Iran könnte mit seinen großen Gasreserven und der günstigen geographischen Lage, die einerseits eine Pipelineanbindung an die Türkei und damit nach Europa und andererseits eine Verbindung zu den zentralasiatischen Staaten ermöglicht, von strategischer Bedeutung für eine Diversifizierung der europäischen Importe sein. Die Staaten Zentralasiens und der Kaspischen Region sind mittlerweile in die EU Nachbarschaftspolitik einbezogen wurden. Somit wird im Rahmen der politischen Annäherung auch ein Energiedialog eröffnet werden. Allerdings spielt diese Region bisher in den Überlegungen zur Versorgungssicherheit Europas noch eine zu untergeordnete Rolle. Obwohl die bestätigten Öl- und Gasreserven der Region die Hoffnungen auf einen zweiten Nahen Osten nicht erfüllt sondern eher eine zweite Nordsee ergeben haben, könnten diese Staaten große Bedeutung für die Diversifizierungsanstrengungen der EU haben. Bisher steht der Rohstoffexport der Region jedoch unter russischer Kontrolle, da alle bestehenden Pipelines ausschließlich über russisches Gebiet führen und damit russischer Aufsicht unterliegen. Um dieser Pipelinepolitik, welche die gewollte russische Dominanz über die öl- und gasreichen Regionen des Kaukasus und Zentralasiens widerspiegelt, zu begegnen, sollte die Europäische Union auch im eigenen Interesse alternative Exportwege unterstützen. Neben diesen Energiegesprächen mit möglichen Lieferregionen, die in weitreichendere Konzepte der Europäischen Union wie der Nachbarschaftspolitik und dem Barcelona-Prozess eingebunden sind, besteht auch ein Dialog mit den Hauptkonkurrenten um Energielieferungen wie den USA sowie China, Indien und andere Wachstumswirtschaften.

Kompetenzen der EU

Diversifizierung betrifft jedoch nicht nur die Herkunftsregionen der Importe sondern soll entsprechend der Pläne der Kommission auch hinsichtlich der Energieträger weiter forciert werden. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energieträger wird auch die Forschung zur weiteren sicheren Nutzung von Atomenergie und anderer technischer Innovationen wie beispielsweise die Clean Coal Technik durch die Europäische Union gefördert. Die Gestaltung des Energiemixs wird aber weiterhin eine nationale Entscheidung bleiben. Die Aufgaben der Europäischen Ebene liegen indessen in der Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für Investitionen durch den Aufbau guter Beziehungen zu den Energiepartnern und der Planung der Energieversorgungssicherheit des europäischen Binnenmarktes. Um eine sichere Energieversorgung zu erreichen, ist die bisherige europäische Strategie ein guter Ansatz. Dieser muss jedoch noch weiterverfolgt und alle Optionen ausgenutzt werden, da nur soviel Diversifizierung wie möglich, sowohl hinsichtlich der Bezugsregionen als auch der Energieträger, die einzige Antwort auf das europäische Energieproblem bilden kann. Nur auf diese Weise kann Europa seine Importabhängigkeit von Erdöl und –gas politisch kontrollierbar und handhabbar machen.

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