Zwei, drei Neuinfektionen pro Tag: so sieht das Infektions-Geschehen zurzeit in der 25-Millionen-Stadt Shanghai aus. Werte, von denen wir in Europa zurzeit nur träumen können. Während Staaten hierzulande weiter mit steigenden Infektionszahlen kämpfen, hat China das Virus eingedämmt, mittels strikter Maßnahmen. Matthias Schäfer, Leiter des KAS-Büros Shanghai, musste zum Beispiel erstmal für zwei Wochen in ein Quarantäne-Hotel, als er nach mehrmonatigem Aufenthalt in Deutschland wieder in China einreisen durfte. „Ich habe jetzt einen auf zentralen Servern liegenden Health Code, mit dem ich nachweisen kann, dass ich gesund bin. Ich muss davon ausgehen, dass der Staat jetzt Zugriff auf alle meine wesentlichen persönlichen Daten hat. Das ist ein Vorgehen, das in unserem Kulturkreis kaum akzeptiert würde.“
China mit wirtschaftlichem Vorsprung
Chinas Wirtschaft ist ebenfalls wieder angelaufen. Von ein, zwei Prozent Wirtschaftswachstum geht der Staat für 2020 aus, trotz Corona. Mit jedem Monat, in dem es dem Westen nicht gelingt, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen, wächst Chinas Vorsprung. Das könnte zu einer Gewichtsverschiebung im Mächteverhältnis der Welt führen, zum Vorteil Chinas, so Matthias Schäfer. China nutzt den eigenen Erfolg bei der Corona-Bekämpfung, um sich selbst zu vermarkten: weltweit und im eigenen Land. „Das Thema, dass China der Welt hilft, ist hierzulande in aller Munde“, sagt Schäfer. Was unter den Tisch fällt: auch in China lief längst nicht alles gut, auch China war in der ersten Phase der Pandemie auf Hilfe von außen angewiesen.
Handelsbeziehungen versus Menschenrechte
Für Deutschland ist China ein wichtiger Handelspartner. Zwölf Mal hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das Land besucht, stets begleitet von einer Wirtschaftsdelegation. Menschenrechtsverletzungen des chinesischen Regimes, das brutale Vorgehen gegen Minderheiten und Regimegegner, all das wird von deutschen Politikern kritisiert. Aber Konsequenzen für die Wirtschaftsbeziehungen gibt es offenbar keine. Ist das richtig? Matthias Schäfer findet: ja. „Grundsätzlich ist eine verflochtene Volkswirtschaft das Beste, was uns passieren kann. Wenn wir auf Güter von China angewiesen sind und China auf Güter von uns, stabilisieren wir uns gegenseitig.“
China die neue Supermacht?
Dass China bald zum bestimmenden Staat in der Welt werden könnte, hält Matthias Schäfer trotz allem für unwahrscheinlich. Dafür sei das Land zu isoliert, habe keine Partner, keine Freunde. Dr. Christian Koecke, Referent im KAS-Büro Bonn, findet, dass es auch von Staaten wie Deutschland abhängt, wie wichtig China wird. Deutschland ist Teil des transatlantischen Bündnisses. Das sei zwar geschwächt, aber längst noch nicht am Ende: „Die USA sind zurzeit ein schwieriger politischer Partner. Aber die deutsche Politik täte gut daran sich vor Augen zu führen, dass die USA ein Bündnis-Partner sind, mit dem man gemeinsame Werte und Ziele teilt."
In der nächsten Folge von #KASkonkret, am Dienstag, den 6. Oktober, geht es um die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands. Maximilian Nowroth spricht mit Friederike Staat, Referentin in der NRW-Landesvertretung in Brüssel, live auf Facebook, ab 18 Uhr.