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Länderberichte

Parlamentswahlen in Frankreich

von Dr. Norbert Wagner

Nach den Präsidentschaftswahlen

Nach den französischen Präsidentenwahlen vom April/Mai 2012 stehen in Frankreich nun am 10. und 17. Juni Wahlen zur Assemblée Nationale an. Bei diesen Wahlen wird sich entscheiden, ob Präsident François Hollande auch über eine linke Mehrheit in der Assemblée Nationale verfügen wird, oder ob die UMP eine Regierung bilden kann und Frankreich damit in eine Phase der Kohabitation eintreten würde.

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Der Sieg von François Hollande bei den Präsidentenwahlen hat dem linken politischen Lager in Frankreich zusätzlichen Schwung verliehen. Die Erwartungshaltung und der Optimismus sind dort groß, dass dieser Sieg nun auch mit dem Gewinn der Wahlen zur Assemblée Nationale "gekrönt" werden wird. Der neue Premier ministre Jean-Marc Ayrault, der den Wahlkampf anführt, argumentiert natürlich, nur mit einer breiten Mehrheit in der Assemblée könnten Präsident Hollande und er die angekündigten notwendigen Reformen auch umsetzten.

In der Vergangenheit hat der neugewählte oder wiedergewählte Präsident bei einer unmittelbar auf seine Wahl folgenden Parlamentswahl auch immer eine Mehrheit erzielt. Er erhielt damit die Möglichkeit, sein Programm ins Werk zu setzen. Nur wenn die Parlamentswahlen in größerem zeitlichen Abstand zu den Präsidentenwahlen stattfanden, führten die Parlamentswahlen zu einer Kohabitation, wie in den Jahren 1986, 1993, und 1997.

Auch die aktuellen Umfragen sprechen für einen Sieg der Linken über die Parteien Mitte-Rechts. Die vereinigte Linke erzielt nach diesen Umfragen ca. 46% (davon der PS 33%), die UMP 32% und der FN 16%.

Mehrheit für die Parti Socialiste?

Die absolute Mehrheit in der Assemblée Nationale liegt bei 289 (von 577) Sitzen. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass eine "vague rose" (rosa Welle) über das Land hinweggehen wird. Die Sozialisten werden wohl die Unterstützung ihrer Koalitionspartner (Grüne, Kommunisten, Radikale Linke etc.) benötigen, um ihre Gesetzesvorhaben in der Assemblée Nationale zu beschließen.

Die voraussichtlichen Kräfteverhältnisse zwischen den verschiedenen Partnern eines politischen Lagers werden im Prinzip schon vor den Wahlen festgelegt. Die Grünen hatten bereits im Präsidentenwahlkampf eine Übereinkunft mit den Sozialisten getroffen, wonach für die Grünen 60 Wahlkreise "reserviert" werden, in welchen sie als einzige linke Gruppierung Kandidaten aufstellen werden. Die Grünen hoffen auf mindestens 15 Abgeordnete, um eine eigene Fraktion bilden zu können. Ähnlich die Kommunistische Partei bzw. der Front de Gauche, der hofft, rund 30 Sitze (gegenüber bisher 20) zu gewinnen.

Ähnliche Übereinkünfte gibt es auch auf der bürgerlichen Seite zwischen UMP, Nouveau Centre und Parti Radical. Allerdings hat die UMP im Wahlkreis von François Bayrou entgegen früherer Praxis ebenfalls einen Kandidaten aufgestellt, nachdem Bayrou erklärt hatte, er werde bei den Präsidentenwahlen für Hollande stimmen. Dies wird zur Folge haben, dass voraussichtlich die Kandidatin des PS den Wahlkreis gewinnen und Bayrou sein Mandat verlieren wird.

Aussichten der UMP

Vergleicht man die Ergebnisse der Präsidentenwahlen des Jahres 2007 mit jenen des Jahres 2012 in den einzelnen Wahlkreisen, so hat bei der Wahl 2012in 136 Wahlkreisen die Mehrheit von der Rechten zur Linken gewechselt und in nur zwei Wahlkreisen von links nach rechts. Die Rechte verfügte in der bisherigen Assemblée Nationale (2007-2012) über eine Mehrheit von 41 Sitzen. Wenn sich also in rund einem Drittel der 136 Wahlkreise der Mehrheitswechsel der Präsidentenwahlen bestätigt, wird (ceteris paribus) die Linke in der zukünftigen Assemblée Nationale über eine Mehrheit verfügen.

Die UMP versucht die Wähler u.a. damit zu gewinnen, dass sie argumentiert, die Linke dürfe nicht auf allen politischen Ebenen des Landes über die Macht verfügen. In der Tat ist die Linke in Frankreich auf fast allen politischen Ebenen dominant: sie stellt den Präsidenten und verfügt über eine Mehrheit im Sénat, in allen Regionen mit Ausnahme des Elsass, in 56 von 96 der Départements, 27 von 39 der großen Städte (über 100.000 Einwohner). Zumindest die Assemblée Nationale müsse daher, so die UMP, eine andere Mehrheit aufweisen.

Dieses Argument scheint allerdings nur mäßigen Widerhall zu finden. Ansonsten konzentriert sich der Wahlkampf zur Assemblée Nationale sehr auf den Wahlkampf der Kandidaten in den jeweiligen Wahlkreisen, weniger auf die nationale Ebene. Dabei spielen die gleichen Themen wie schon im Präsidentenwahlkampf eine Rolle. An oberster Stelle stehen die wirtschaftlichen Probleme, schwaches Wachstum, hohe Arbeitslosigkeit, Kaufkraftverlust, Steuern und Sozialabgaben und natürlich die Eurokrise. Weitere Themen sind die Bildungspolitik (Reform des Schulwesens), Immigration, innere Sicherheit und Energiepolitik (Nuklearenergie).

Für ein gutes Ergebnis für die UMP spricht indes, dass das Ergebnis der Präsidentenwahlen vergleichsweise knapp war. Die Anzahl der ungültigen Stimmen/Enthaltungen war mit rund 2 Mio. deutlich größer als der Abstand zwischen Hollande und Sarkozy (1,1 Mio.). Das Ergebnis spiegelt eher die Ablehnung von Sarkozy als die Zustimmung für Hollande wider.

Der UMP schadet indes, dass der Streit darüber, wer zukünftig die Führung der Partei übernehmen wird, schon ausgebrochen ist. Jean-François Copé und François Fillon gelingt es nicht, ihre Ambitionen bis nach den Parlamentswahlen zurückzustellen. Die neue Führung soll bis spätestens November im Rahmen einer Mitgliederbefragung bestellt werden. Die besten Aussichten hat François Fillon, gefolgt von Alain Juppé, obwohl er gerade erst wieder kategorisch dementiert hat, dass er kandidieren werde. Erst an dritter Stelle landet Jean-François Copé in den Umfragen.

Triangulaires

Der UMP dürfte ferner zum Nachteil gereichen, dass in zahlreichen Wahlkreisen (bis zu 130) mit Triangulaires gerechnet werden muss, weil auch der Kandidat des Front National (d.h. insgesamt drei Kandidaten) in den zweiten Wahlgang gelangen wird. In den zweiten Wahlgang gelangen alle Kandidaten, die in der ersten Runde mindestens 12,5% der Stimmen aller Wahlberechtigten gewonnen haben. Eine große Zahl solcher Triangulaires hat bereits bei den Wahlen des Jahres 1997 dazu geführt, dass in diesen Wahlkreise meist der "bürgerliche" Kandidat geschlagen wurde und infolgedessen Lionel Jospin eine Mehrheit in der Assemblée Nationale erringen konnte.

Chancen des Front National

Legt man die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentenwahlen zugrunde, wobei Marine Le Pen 17,9% erzielte, so muss damit gerechnet werden, dass in der nächsten Assemblée Nationale auch einige Abgeordnete des Front National bzw. des seit kurzem sog. "Rassemblement bleu Marine" vertreten sein werden.

Zwar waren in der Vergangenheit die Ergebnisse des FN bei Parlamentswahlen stets schlechter als bei Präsidentenwahlen. Die aktuellen Umfragen sprechen aber nicht dafür, dass dies auch bei dieser Wahl der Fall sein wird. Bei den Präsidentenwahlen am 22. April gelangte Marine Le Pen in 116 von 577 Wahlkreisen auf die erste oder zweite Position. In 59 Wahlkreisen lag ihr Ergebnis über 25%. Und in ca. 15 Wahlkreisen verfügt der FN über gute Chancen, zu gewinnen. Diese Wahlkreise liegen im Norden, Osten und vor allem im Südosten.

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Dr. Nino Galetti

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