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Regierung Valls tritt nach nur fünf Monaten zurück

von Dr. Norbert Wagner

Es geht um die Zukunft Frankreichs

Der Rücktritt war zu erwarten, löst aber nicht die Krise derfranzösischen Politik: Anfang April 2014 übernahmenPremierminister Manuel Valls und seine neue Regierungdie Amtsgeschäfte von der Vorgängerregierung Ayrault.Nach nur fünf Monaten (147 Tagen) Amtszeit ist dieRegierung Valls I gescheitert und hat der Premierministeram 25. August 2014 den Rücktritt der Regierungverkündet.

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Präsident Hollande gab am Morgen seinem

Premierminister Valls den Auftrag, bis Dienstag, 26.

August, eine neue Regierung zusammenzustellen.

Die Spannungen innerhalb der Regierungsmehrheit haben

sich in der letzten Woche und am vergangenen

Wochenende immer mehr zugespitzt und trotz

traditioneller Urlaubszeit einen neuen Höhepunkt erreicht.

Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg ließ in jüngster

Zeit keine Gelegenheit aus, seine Unzufriedenheit über

den Wirtschaftskurs der Regierung Hollande/Valls zu

bekunden. Schon zuvor präsentierte sich Montebourg

ständig als die linke Alternative innerhalb der

Sozialistischen Partei. Manche Beobachter sahen darin

gar eine Allianz Valls/Montebourg und ein geschicktes

Zusammenspiel zwischen Premierminister Valls und

seinem Wirtschaftsminister: Montebourg deckt die Linke

innerhalb der Regierungsmehrheit ab, Premierminister

Valls dagegen den „sozialdemokratischen“ Flügel.

Jetzt hat es Montebourg nach Auffassung von Hollande

und Valls offenbar übertrieben. Montebourg forderte offen

einen anderen Wirtschaftskurs seiner eigenen Regierung,

in der er das Portefeuille des Wirtschaftsministers

innehatte. Das Fass zum Überlaufen brachte wohl eine

gemeinsame Veranstaltung am Wochenende mit

Erziehungsminister Benoît Hamon, einem anderen

Exponenten der Linken innerhalb der Regierung. Dieser

hatte sich zwar in den letzten Wochen mit Kritik an seiner

eigenen Regierung eher zurückgehalten. Um so mehr

mußten Hollande und Valls diesen gemeinsamen Auftritt

von Montebourg und Hamon als Herausforderung und als

schwerwiegenden Akt der Illoyalität der beiden Minister

werten.

Vermutlich wollte man aber nicht die beiden Minister

hochkant aus der Regierung werfen, und damit die Linke

innerhalb der Regierungsmehrheit noch mehr gegen das

Tandem Hollande/Valls aufbringen, und wählte daher den

etwas weniger drastischen Weg einer Regierungsumbildung.

Daß Arnaud Montebourg seine Kritik an der

Wirtschaftspolitik seiner eigenen Regierung mit einer

harschen Kritik an der Wirtschaftspolitik der

Bundesregierung verband und dabei insbesondere die

Politik von Bundeskanzlerin Merkel kritisierte, machte die

Situation für Hollande und Valls nicht einfacher, dürfte

aber kaum ihre Entscheidung für eine

Regierungsumbildung beeinflußt haben.

Gleichwohl sei festgehalten, was Arnaud Montebourg erst

vor wenigen Tagen in einem Interview mit der Zeitung Le

Monde und an anderer Stelle über die deutschfranzösischen

Beziehungen und die deutsche Wirtschaftspolitik zu Besten gab. Denn was Montebourg

offen sagt, denken nicht wenige innerhalb der linken

Regierungsmehrheit und auch darüber hinaus.

Montebourg ruft dazu auf, gegenüber der

Unnachgiebigkeit der deutschen Bundeskanzlerin

deutlicher aufzutreten ("hausser le ton").

„Wir können uns das nicht länger gefallen lassen. Wenn

wir uns anpassen müssen an die extremste Orthodoxie

der deutschen Konservativen, würde das bedeuten, daß,

selbst wenn die Franzosen für die französische Linke

stimmen, sie in Wahrheit ihr Votum abgeben würden für

die Realisierung des Programms der deutschen

Konservativen.“ („Nous ne pouvons plus nous laisser faire.

Si nous devions nous aligner sur l'orthodoxie la plus

extrémiste de la droite allemande, cela signifierait que,

même quand les Français votent pour la gauche

française, en vérité ils voteraient pour l'application du

programme de la droite allemande.») „Deutschland ist gefangen in der Falle der

Austeritätspolitik, die es ganz Europa aufzwingt. Wenn ich

sage Deutschland, möchte ich sprechen von den

deutschen Konservativen, die Angela Merkel unterstützen.

Frankreich ist nicht dazu berufen, sich an die

ideologischen Axiome der der deutschen Konservativen

anzupassen. Ich kann Sigmar Gabriel, meinem

sozialistischen Kollegen im Wirtschaftsministerium, nur

danken, der in die gleiche Richtung drängt, wie wir“.

("L’Allemagne est prise au piège de la politique austéritaire

qu’elle a imposée à toute l’Europe. Quand je dis

l’Allemagne, je veux parler de la droite allemande qui

soutient Angela Merkel. La France n’a pas vocation à

s’aligner sur les axiomes idéologiques de la droite

allemande. Je ne peux que remercier Sigmar Gabriel, mon

homologue socialiste à l’Économie, qui pousse dans le

même sens que nous".)

Am Dienstag, 26. August, soll nun die Regierung Valls II

benannt werden. Arnaud Montebourg und Benoît Hamon

werden ihr gewiß nicht angehören. Ausscheiden könnten

auch andere Minister, die dem linken Lager zugerechnet

werden (Taubira, Filippetti). Im Amt verbleiben werden

sicher Finanzminister Sapin, Verteidigungsminister Le

Drian, Landwirtschaftsminister Le Foll, Arbeitsminister

Rebsamen.

Es könnte das letzte Aufgebot von Präsident Hollande

sein. Die Karte der Regierungsumbildung ist damit

vermutlich gespielt. Wie lange diese zweite

Regierungsumbildung dem Tandem Hollande/Valls Luft

verschafft ist offen. Allseits werden für Frankreich ein sehr

schwieriger politischer und wirtschaftlicher Herbst und

Winter vorausgesagt. Die Regierung hat keinerlei

finanzpolitische Spielräume mehr, die Arbeitslosigkeit ist

hoch, Besserung nicht in Sicht, die Wachstumsrate liegt

bei Null. Jetzt rächt sich, daß Präsident Hollande nicht

sofort nach seinem Amtsantritt einschneidende Reformen

umgesetzt hat. Die Hälfte seiner Amtszeit ist um, für

beherzte Reformen bleibt ihm jetzt kaum noch Zeit. Er hat

seinen Vertrauensvorschuß verspielt.

Allein die Vertrauensabstimmung über die neue Regierung

dürfte eine Zitterpartie werden, danach steht die

Abstimmung über den Haushalt 2015 an. Schon bei der

Vertrauensabstimmung über die erste Regierung Valls im

April 2014 verweigerten zahlreiche Abgeordnete des PS

dem neuen Premierminister ihre Stimme. Ebenso bei der

Abstimmung über den Nachtragshaushalt 2014.

Bei den nächsten Abstimmungen werden zwei wichtige

Exponenten der Linken innerhalb des PS nicht mehr der

Regierung angehören. Es fragt sich, wie Manuel Valls

seine Regierungsmehrheit zusammenhalten wird.

Montebourg dagegen könnte sich zum Märtyrer stilisieren

und versuchen, zu einem Gegengewicht gegen die

Regierungspolitik zu werden. Seiner Absicht, bei den

Vorwahlen zum Präsidentenwahlkampf 2017 anzutreten,

könnte das alles nur dienlich sein.

Bei all dem soll nicht der Eindruck entstehen, es handle

sich bei der jüngsten Regierungskrise in Frankreich „vor

allem“ um einen Konflikt Hollande/Valls versus

Montebourg.

Vielmehr geht es um eine Richtungsentscheidung

zwischen einer reformorientierten Wirtschaftspolitik und

einer Politik der Verschuldung und des Verlusts der

Wettbewerbsfähigkeit, eine Richtungsentscheidung

zwischen dem „sozialdemokratischen“ Flügel des PS und

der Linken innerhalb des sozialistischen Lagers. -

Es geht um die Zukunft Frankreichs.

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