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Veranstaltungsberichte

Abendveranstaltung: „Krieg der Worte“ – Russlands digitale Operationen gegen die Demokratie

von Michael Stellwag
Strategien, Ziele und Auswirkungen russischer Informationskriegsführung – und was man dagegen tun kann.

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Am 8. April 2025 fand in der Konrad-Adenauer-Stiftung Wien eine Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Krieg der Worte“ – Russlands digitale Operationen gegen die Demokratie statt. Als Referent sprach Ferdinand Gehringer, Cybersecurity-Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung Berlin mit ausgewiesener Expertise im Bereich hybrider Bedrohungen und psychologischer Kriegsführung. Die Moderation übernahm Michael Stellwag, KAS Wien.

In seinem Vortrag skizzierte Gehringer die zunehmende Relevanz der kognitiven Dimension moderner Konflikte. Der kommunikative Aspekt hybrider Bedrohungen habe deutlich zugenommen. Ziel der russischen Operationen sei es vor allem, die Bevölkerung westlicher Demokratien zu verunsichern. Diese Strategie manifestiere sich in gezielten Desinformationskampagnen und der bewussten Streuung von Unsicherheiten.

 

Deutschlands Infrastruktur und Wahlkampf im Fokus

Ein zentrales Thema war die Rolle Deutschlands in möglichen Bündnisszenarien. Laut Gehringer sehen russische Planungen im Ernstfall eine gezielte Unterbrechung logistischer Knotenpunkte auf deutschem Boden vor. Bereits in der Vergangenheit kam es zu hybriden Angriffen auf politische Akteure wie die Grünen und die CDU. Während des Bundestagswahlkampfs wurden etwa Fahrzeuge im Rahmen einer sogenannten „Bauschaum-Kampagne“ beschädigt, um die Grünen zu diskreditieren. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz war Ziel einer Desinformationswelle, in der ihm mit gefälschten Gutachten psychische Instabilität unterstellt wurde – die Inhalte wurden hunderttausendfach verbreitet. Diese Angriffe richteten sich gezielt gegen das Vertrauen in demokratische Prozesse und die Integrität politischer Repräsentation.

 

„Low-Level-Agents“ und neue Angriffsvektoren

Ein weiterer Fokus lag auf sich wandelnden Angriffsvektoren: Die Schließung russischer Konsulate zwinge Moskau zur Nutzung alternativer Wege der Einflussnahme, etwa durch sogenannte „Low-Level-Agents“ – junge, russischsprachige Personen, die unauffällig rekrutiert würden. Auch Spionageaktivitäten sowie ungeklärte Vorfälle wie Paketbrände seien Teil dieses diffusen Bedrohungsspektrums.

Im Bereich Desinformation erläuterte Gehringer u. a. die gezielte Störung kritischer Infrastrukturen, wie etwa das Beschädigen von Unterseekabeln sowie die Verbreitung manipulierter Inhalte über Doppelgängerkampagnen – etwa täuschend echt gefälschte Nachrichtenportale. Ziel sei stets die Destabilisierung öffentlicher Debatten und die Schwächung gesellschaftlicher Resilienz.

Besonders kritisch bewertete der Referent die strukturellen Schwächen Europas im Umgang mit hybriden Bedrohungen. Die mangelnde Verfügbarkeit politisch-strategischer Expertise, unzureichende regulatorische Rahmenbedingungen sowie ein Defizit an Offensivkapazitäten erschweren eine adäquate Reaktion. Gehringer wies etwa auf das Fehlen eines wirksamen Monitorings und belastbarer Messmethoden zur Bewertung von Desinformationskampagnen hin.

 

Gegenmaßnahmen

Als mögliche Gegenmaßnahmen nannte Gehringer u. a. den Aufbau eines hybriden Lagebilds, die Stärkung der Resilienz – insbesondere durch schulische Bildung und den reflektierten Umgang mit sozialen Medien – sowie eine gezieltere politische Kommunikation. Exemplarisch nannte er etwa einen russischsprachigen estnischen Fernsehsender, der mit eigenen Narrativen gegenzusteuern vermag. Auch die Nutzung einflussreicher Multiplikatoren wie Influencer könne dabei eine Rolle spielen.

Die Veranstaltung schloss mit einem kritischen Ausblick auf offene Fragen: Wie kann Europa ein glaubwürdiges Gegen-Narrativ etablieren? In welchem Verhältnis stehen Resilienz und Verunsicherung? Und wie lässt sich der strategische Blick auf die russische Gesellschaft schärfen, ohne die eigenen Werte zu kompromittieren?

Die Diskussion machte deutlich: Europas Demokratien stehen im Fokus komplexer hybrider Bedrohungen – und es braucht mehr als technische Lösungen, um dieser Herausforderung zu begegnen. Abschließend forderte Gehringer zu Zuversicht und der Betonung einer aktiven, aber wertebasierten Verteidigung demokratischer Gesellschaften auf.

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Kontakt

Michael Stellwag

Michael Stellwag

Wissenschaftlicher Referent

michael.stellwag@kas.de +43 1 890 1465 14

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