Seit Wochen gehen immer wieder hunderttausende Menschen in Belarus auf die Straße. Sie protestieren gegen Wahlfälschung und Polizeigewalt. Immer wieder rufen sie: „Hau ab“ und meinen damit Machthaber Lukaschenko.
Jakob Wöllenstein, Leiter des KAS-Büros Belarus, beobachtet die Lage in Belarus vom nur 35 Kilometer entfernten Vilnius aus. Hier, in Litauen, ist der Sitz des Büros. Er erzählt uns, dass die Belarussen schon im Vorfeld der Wahl sehr unzufrieden mit Lukaschenko waren. Auch wegen seines Umgangs mit der Corona-Krise.
Lukaschenko hat das Virus als eine „Psychose“ abgetan, statt dagegen anzugehen.
„Und da nahmen die Leute in großer Zahl die Sache selbst in die Hand, es gab eine riesige Welle der Selbstorganisation“, sagt Jakob Wöllenstein.
Der „letzte Diktator Europas“ will nicht abtreten
Lukaschenko regiert Belarus seit 1994 und gilt als „letzter Diktator Europas“. Regelmäßig gewinnt er Präsidentschaftswahlen mit 80 Prozent. So auch dieses Jahr. Doch das Ergebnis ist gefälscht, sind sich Experten im In- und Ausland sicher.
Viele im Land sind davon überzeugt, dass Swetlana Tichanowskaja die Wahl gewonnen hat, die Überraschungs-Kandidatin der Opposition. Doch Lukaschenko will das nicht wahrhaben. „Er ist wirklich der Überzeugung ist, dass er gewonnen hat“, sagt Jakob Wöllenstein. „Es gibt viele Hinweise, dass das Umfeld um ihn herum ein Bild aufbaut, dass es die Proteste gar nicht wirklich gibt, dass das nur wenige sind.“
Offenbar kann und will Lukaschenko außerdem nicht akzeptieren, dass die Belarussen lieber eine Frau an der Spitze hätten. Eine Frau, die selbst von sich sagt, Hausfrau und Mutter zu sein und keine Politikerin.
Belarussen müssen friedlichen Übergang selbst schaffen
Die EU hat auf die Polizeigewalt in Belarus reagiert und bereits Sanktionen gegen einige Personen aus dem Machtapparat verhängt. Viel mehr könne das Ausland nicht tun, um den Belarussen zu helfen, findet Jakob Wöllenstein. Den friedlichen Übergang müssten die Menschen in Belarus schon selbst schaffen. Jakob Wöllenstein ist optimistisch: „Ich glaube, dass der Wille zu Freiheit und Selbstbestimmung sich nicht endgültig bremsen lässt. All das lässt sich nicht mit Gewalt zusammenhalten.“
Chantal Grede, Referentin für die Digitalakademie der Konrad-Adenauer-Stiftung im Büro in Bonn, hat Belarus schon selbst bereist. Sie wünscht sich, dass die deutsche Medienlandschaft nicht nur dann über Belarus berichtet, wenn es dort Wahlen gibt oder Proteste: „Belarus liegt ganz nah an Deutschland, mitten in Europa. Belarussen haben ihre eigene Identität und es wäre sehr schön, wenn wir sie kennen lernen.“
Am Dienstag, den 8. September, kommt die neue Folge #KASkonkret. Dann sprechen wir mit Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios Washington, über die USA im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen. Wir sehen uns im Facebook- und Youtube-Livestream der Konrad-Adenauer-Stiftung!