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Veranstaltungsberichte

Meinungsfreiheit und Hate Speech in Südafrika

Roundtable-Diskussion

Am 17. Oktober 2019 veranstalteten die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und das Centre for Unity in Diversity (CUD) die dritte Roundtable-Diskussion dieses Jahres. Im Kern der Reden und der anschließenden Diskussion wurde die Wichtigkeit der Meinungsfreiheit stets betont. Es wurde jedoch auch hinterfragt, wo die Grenze zwischen freier Meinung und Hassrede verläuft. Anlass der Veranstaltung war unter anderem der jüngste Bericht der South African Human Rights Commission (SAHRC), der sich mit Hate Speech befasst. Um dieses Thema näher zu beleuchten, wurden rechtliche, psychologische und politische Aspekte beleuchtet.

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Christine Botha

Die erste Rednerin des Abends war Christine Botha, die Geschäftsführerin des Centre for Constitutional Rights (CFCR). In ihrer Funktion als Juristin sprach sie aus der rechtlichen Perspektive. Rede- und Meinungsfreiheit sind grundlegende Rechte und Basis einer jeden demokratischen Verfassung, die Transparenz und Verantwortlichkeiten ermöglichen. Während ihres Vortrags legte sie die Diskrepanz zwischen der südafrikanischen Verfassung und dem Equality Act, dem südafrikanischen Antidiskriminierungsgesetz, offen, die es aufzulösen gelte.

Der Equality Act verbietet ungerechte Diskriminierung, Propaganda und die Verbreitung von Hass auf Basis von u.a. Religion, Ethnie, sexueller Orientierung, Behinderungen, Geschlecht und Nationalität. Allerdings erweist sich dieses Gesetz als mangelhaft, um klare Richtlinien und Definitionen abzuleiten. Es werden keine Standards bereitgestellt, anhand derer sich eindeutig feststellen lässt, was konkret als Hate Speech zu betrachten ist. Auch Gerichtsurteile sind hier nur von geringer Hilfe, da sie ebenfalls unterschiedliche Maßstäbe anwenden. Da die südafrikanische Verfassung bereits Regelungen zum Thema Hate Speech bereitstellt, muss, so Botha, der Equality Act auf eine Linie mit der Verfassung gebracht werden. Dies gelte auch für entsprechende internationale Standards. Um Hate Speech effektiv zu bekämpfen, während die Meinungs- und Redefreiheit weiterhin geschützt bleiben, braucht der Staat eine kohärente und konsistente Gesetzgebung. Ohne eine starke rechtliche Grundlage sind Prävention, Strafverfolgung und Verurteilung problematisch. Botha spricht sich daher für eine angemessene Neuauslegung des Equality Act aus, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen.

Prof. Joan Nel

Der zweite Redner war Prof. Joan Nel. Als Psychologe sprach er über den Einfluss von Hate Speech auf Einzelne. Prof. Nel forscht an der University
of South Africa und ist ehemaliger Präsident der Psychological Society of South Africa (PsySSA). Auf dieser Veranstaltung vertrat er das PSySSA Hate Crimes Working Group Steering Committee. Hate Speech und Verbrechen im Zusammenhang mit Hass haben empirisch nachweisbar einen traumatischen Effekt auf den mentalen Zustand von Opfern und wirken sich zudem negativ auf Gemeinschaften und die Gesellschaft aus. Während seiner Rede sprach er u.a. über die Beziehungen zwischen Recht und Psychologie und betonte, dass hier ein verstärkter Austausch stattfinden sollte. Regulierung allein, so Nel, ist ungeeignet, um Hasskriminalität zu anzugehen, kann jedoch dabei helfen, ein Bewusstsein zu schaffen und gegebenenfalls Trainingsmaßnahmen bereitzustellen.

Im Anschluss daran führte Prof. Nel in eine Studie ein, an der er beteiligt war („The Hate & Bias Crimes Monitoring Form Project“, abrufbar unter: http://hcwg.org.za/resources). Diese beruhte zwar nicht auf landesweiten Daten, enthält aus seiner Perspektive aber dennoch Aussagekraft über die nationale Situation in Südafrika. Laut dieser Studie beziehen sich die meisten Hassverbrechen auf Nationalität (45%), gefolgt von sexueller Orientierung (17%) und Religion (14%). In den meisten Fällen äußerte sich dieser Hass in Raubüberfällen oder Diebstahl (30%) sowie in Sachbeschädigung (27%). Zudem kennen die Täter in über 75% der Fälle ihre Opfer persönlich oder stehen in einer Art von Beziehung zu ihnen.
Auch die Auswirkungen von Hassrede allein sind vielfältig. Auf persönlicher Ebene sind sie kumulativ, langanhaltend und beeinflussen die emotionale, mentale und physische Gesundheit sowie die wirtschaftliche Situation. Familien und Gemeinschaften sind potentiell gefährdet und können durch den ihnen entgegengebrachten Hass gefährdet werden. Gleichzeitig betonte Prof. Nel jedoch, dass Familien und Gemeinschaften häufig auch Quelle und Katalysatoren von Hass sind. Gesellschaftlich führt ein Anstieg von Hass sowohl zu einem Verlust von sozialem Vertrauen als auch zu der Verbreitung von Angst und Frust und dem vorherrschenden Gefühl öffentlicher Unsicherheit. Im Umkehrschluss muss Aufklärung auf allen Ebenen stattfinden.

Zudem sind Hassverbrechen laut Prof Nel in den Identitäten der Täter verwurzelt. Die ideologische Ablehnung und Verachtung der jeweiligen Gruppen entspringt dem innersten Kern von Persönlichkeiten. Interventionen müssen entsprechend proaktiv gestaltet werden. Die Führungsrollen in Gemeinschaften und Organisationen müssen neu hinterfragt werden, während sie als gesellschaftliche Akteure zusammenarbeiten müssen, um soziale Fragen effektiv angehen zu können. Es muss, so Nel, verstärkt ein Bewusstsein für die Ernsthaftigkeit von Hass geschaffen werden. Mit institutionalisierten Vorurteilen muss gebrochen werden, während die strukturelle Unterstützung für gefährdete Gruppen erhöht werden muss.

Sara Gon

Als letztes sprach Sara Gon. Von Haus aus Juristin, ist sie heute als Policy Fellow beim Institute for Race Relations (IRR) tätig, einem Think-Tank, der sich für politische und wirtschaftliche Freiheit einsetzt. Ähnlich wie Prof. Nel ist auch sie der Meinung, dass die rechtliche Beschränkung von Hate Speech kritisch zu betrachten ist. Hassrede fällt laut ihr wie jede andere Form der Rede unter die demokratisch gewährleistete Meinungs- und Redefreiheit und dürfe so nicht rechtlich beschnitten werden. Dies gilt gegenwärtig vor allem in Südafrika, wo die Gefahr besteht, dass entsprechende Gesetze politisch missbraucht werden. Zudem trägt die Gesetzgebung aus Gons Perspektive grundsätzlich nur dazu bei, dass Gewinner und Verlierer produziert werden und kann individuelle Mindsets nicht wirksam verändern.

Es liegt in der Natur einer jeden Form von Rede, dass sie niemals illegal sein kann, während der Inhalt durchaus angefochten werden kann. Daher betont Gon, dass eher die Anführer und Köpfe von Gruppen in die Verantwortung genommen werden müssen, deren Einfluss auf Einstellung und Verhalten als zunehmend wichtig erachtet wird. Die politische Umwelt bestimme zudem grundlegend den Grad an Toleranz in einer Gesellschaft, weswegen Politiker und soziale Meinungsmacher sich ihrer Macht auch in Bezug auf Hate Speech bewusst sein müssen. In einer eher normativen Argumentationsweise müssten somit sowohl diese Anführer als auch die Gesellschaft an sich Regulierungsmechanismen initiieren, die u.a. die Stigmatisierung und soziale Besoldung von Tätern beinhalten. Sie relativiert diese Aussage jedoch, da dies auch von der Art der medialen Berichterstattung abhängt.

Was war der Ziel der Veranstaltung und warum hat die KAS sie unterstützt?

Im Zeitalter von Social Media ist Hassrede einfacher als je zuvor zu verbreiten. Das Internet bietet entsprechend Anonymität und senkt die Barrieren, hasserfüllte Nachrichten zu verschicken, erheblich. Somit stellt man „Hatern“ einen sicheren Raum bereit, der als Basis für weitere Radikalisierung und das Begehen von Hassverbrechen fungiert. In einer sich globalisierenden Welt reagieren Gegenbewegungen zunehmend mit Populismus. Extremistische Gruppen polarisieren grenzübergreifend. Mit diesen wachsenden Polen wächst auch der Hass. Regierungen haben bis jetzt noch nicht das richtige Mittel gegen diesen Hass gefunden, weder durch starke politische Führungsfiguren, noch durch konsequente Regulierung und Gesetzgebung. Die psychologischen und sozialen Folgen können gravierend sein.

Da soziokulturelle Bedingungen einen großen Anteil an persönlichen Identitäten haben, aus welchen Hass letztlich entspringt, können Regierungen und Gerichte nicht die alleinige Verantwortung tragen. Sensibilisierung und Aufklärung müssen auf allen Ebenen stattfinden, was nur durch Bildung und Information geschehen kann. Die Konrad-Adenauer-Stiftung betrachtet es als Teil ihres Auftrages, zu diesen Lösungsansätzen beizutragen. Gründe und Ursachen jener Phänomene zu erforschen, die eine Gefahr für die Ideale der Demokratie und Menschenrechte darstellen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Stiftungsarbeit.

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Kontakt

Christiaan Endres

Christiaan Endres

Projektkoordinator

christiaan.endres@kas.de +27 (11) 214 2900-204

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