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Veranstaltungsberichte

Schutzverantwortung

Ansichten aus Südafrika, Brasilien, Indien und Deutschland

Im Jahr 2011 entwickelte sich das "Right to Protect (R2P)"-Konzept zu einem internationalen Kernthema; die Interventionen in Côte d'Ivoire und Libyen lösten hitzige Diskussionen aus. Der gegenwärtige Fall Syrien droht, eine noch größere Kontroverse auszulösen. Ziel der Veranstaltung vom 7. Juni 2012 war es, eine Plattform für einen multilateralen Politik-Dialog anzubieten.

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Mehr als 80 Teilnehmer besuchten am 7. Juni 2012 das erste Dialogtreffen zum Thema Responsibility to Protect (R2P), das beim Institute for Security Studies (ISS) in Pretoria stattfand. Das Treffen brachte hochrangige Repräsentanten der Außenministerien aus Südafrika, Deutschland, Indien und Brasilien sowie ihre diplomatischen Vertreter in Pretoria mit internationalen Forschungsinstituten der vier Länder zusammen. Aus Südafrika nahmen zudem Parlamentsabgeordnete, Studierende und Vertreter der Zivilgesellschaft teil.

Dieses eintägige Dialogforum wurde gemeinsam von der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Zusammenarbeit mit dem Institute for Security Studies (ISS), dem South African Institute of International Affairs (SAIIA) und der Deutschen Botschaft in Pretoria organisiert. Finanziell wurde es unterstützt durch das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) mit Mitteln des deutschen Auswärtigen Amts. Die Konferenz hatte es sich zum Ziel gesetzt, eine Plattform für einen multilateralen Politik-Dialog zum Thema Konfliktprävention und Schutzverantwortung zwischen den sogenannten GIBSA-Ländern (Germany, India, Brazil, South Africa) zu bieten.

Vom politischen Konzept zum politischen Rahmenwerk

Die Konferenz begann mit einem Hinweis auf das Vorgängerprojekt im Jahr 2011, das sich in einem breiteren Ansatz mit dem Sicherheitsrat (SR) der Vereinten Nationen (VN) beschäftigt hat. 2011 hat sich das Konzept der Schutzverantwortung zu einem internationalen Kernthema entwickelt, so dass die Projektpartner es in den Mittelpunkt des Dialogtreffens und der geplanten Veröffentlichung des aktuellen Projektes gerückt haben. Das Konferenzformat wurde als unkonventionell und innovativ beschrieben, da Studierenden und jungen Akademikern die Möglichkeit geboten wurde, ihre Ideen zu präsentieren und an der Diskussion teilzunehmen.

Im Eröffnungsvortrag wurde das R2P-Konzept und dessen Wandel von einem politischen Prinzip zu einem politischen Rahmenwerk vorgestellt. Der Redner betonte, dass Afrika der Geburtsort des Konzepts gewesen sei und dass auch weiterhin bei der Anwendung und Weiterentwicklung der afrikanische Einfluss maßgeblich ist. Es wurde hervorgehoben, dass die Vereinten Nationen immer in Zusammenarbeit mit regionalen Institutionen am effektivsten waren, so etwa zusammen mit der Afrikanischen Union (AU) oder ECOWAS. Bei der Beschreibung der drei R2P-Säulen wurde darauf hingewiesen, dass die VN gerade im Hinblick auf die praktische Umsetzung noch Lernbedarf hat.

Brasiliens Initiative zur Einführung des Prinzips der "Verantwortung beim Schützen - Responsibility while protecting (RwP)" wurde als mögliche konzeptionelle Brücke zwischen dem SR und der VN-Generalversammlung gelobt. Es wird erwartet, dass dadurch die Analyse und Bewertung von Interventionen verbessert werden wird. Als Hauptherausforderungen nannte der Sprecher die Notwendigkeit, sich erneut und verstärkt auf praktische Prävention und den dafür benötigten Kapazitätsaufbau zu konzentrieren, die Verbesserung der Rechenschaftsmechanismen in Resolutionen sowie funktionierende Partnerschaften zwischen den VN und Regionalorganisationen.

Positionen der GIBSA-Staaten

In den folgenden zwei Sitzungen wurden die jeweiligen Positionen der GIBSA-Länder vorgestellt. Der Sprecher, der die südafrikanische Perspektive präsentierte, war der Meinung, dass Südafrika noch an einem umfassenden Rahmen zur Schutzverantwortung arbeiten müsse. Die Präsentation ging in eine intensiv geführte Diskussion über den Libyen-Konflikt über. Südafrikas Entscheidung, im SR für Resolution 1973 zu stimmen, war dabei ebenso Gegenstand, wie die klärende Stellungnahme der Regierung zur Umsetzung der Resolution.

Der nächste Sprecher stellte die deutsche Position vor und betonte, dass Deutschland sich bereits in der frühen Entwicklungsphase des Konzepts aktiv eingebracht hat. Deutschland sei in einer zentralen Position um auch weiterhin die konzeptionellen und strategischen Dimensionen des Konzepts mit auszuarbeiten. Dabei geht es, gemäß des Sprechers, vor allem um eine konzeptionelle Klärung, wie die Zivilbevölkerung geschützt werden kann. Es wurden zudem zwei strategische Aspekte beschrieben: erstens, die zu verbessernde Koordination zwischen der Stelle, die das Mandat ausspricht, und der Stelle, die das Mandat ausführt; und zweitens, die zu verbessernde Kommunikation und Zusammenarbeit mit Regionalorganisationen.

In der anschließenden Diskussion wies ein Teilnehmer auf die problematische Beziehung zwischen dem Schutz der Zivilbevölkerung und Interventionen im Rahmen der dritten R2P-Säule hin. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, ob Militärinterventionen automatisch zu Regimewandel führen. Deutschlands Entscheidung, sich im SR bei der Abstimmung zu Resolution 1973 zu enthalten, wurde ebenso besprochen, wie die praktischen Herausforderungen präventiver Diplomatie.

Brasilien: friedliche Konfliktlösung statt militärische Eingriffe

Die Präsentation zur indischen Position betonte die historischen Wurzeln und die Bedeutung der Prinzipien der staatlichen Souveränität und der Nichteinmischung für die indische Außenpolitik. Indien sei jedoch zunehmend an einer zentraleren Rolle in der Welt interessiert, einschließlich eines permanenten Sitzes im SR. Indien habe zudem den größten Beitrag zu Friedensmissionen der VN geleistet seit diese begonnen haben. In Bezug auf das R2P-Konzept sei die indische Regierung der Meinung, dass die Unabhängigkeit und territoriale Integrität von Staaten respektiert werden müsse. Es sei unwahrscheinlich, dass sich diese Haltung in naher Zukunft ändern wird.

Die brasilianische Rednerin verwies darauf, dass Brasilien nicht die nötigen Kapazitäten für militärische Eingriffe hat und stattdessen nicht-materielle Werte die Außenpolitik des Landes prägen, so etwa der Multilateralismus und friedliche Konfliktbewältigung. In einem historischen Rückblick wurden die Positionen Brasiliens in den wichtigsten Krisen seit den 90er-Jahren erläutert. Die Sprecherin beschrieb das RwP-Konzept als komplementär zu R2P mit einem Schwerpunkt auf Prävention, mehr Rechenschaft und einem verantwortlichen Umgang mit Gewalt.

Abschließend wurden verschiedene globale Partnerschaftsoptionen der brasilianischen Regierung durchdacht, inklusive mit Südafrika, Indien und Deutschland. In der Diskussion wurde die Frage gestellt, ob Brasilien seine eigenen militärischen Kapazitäten ausweiten sollte. Als mögliche Alternative wurde das Zusammenlegen militärischer Ressourcen mit klaren Einsatzregeln genannt.

In der letzten Sitzung des Tages stellten zwei deutsche und ein südafrikanischer Student ihre Ansichten zu konzeptionellen Mängeln und möglichen Lösungsansätzen im Rahmen von R2P vor. Die erste deutsche Studentin verwies auf kulturelle Missverständnisse als eine Konfliktursache und sprach die Empfehlung aus, sogenannte kulturelle Zwischenhändler einzusetzen, um gegenseitiges Misstrauen zwischen potenziellen Konfliktparteien auszuräumen.

Politikempfelungen

Der zweite deutsche Student beschäftigte sich mit den strittigen legalen Dimensionen von R2P. Seine Vorschläge umfassten die Stärkung des Frühwarnsystems der VN, präventive Friedensmissionen mit Interimsverwaltungen, einen internationalen R2P-Vertrag sowie indirekte Sanktionen durch Sonderorganisationen. Für den südafrikanischen Studenten stand die Bedeutung der Regionalorganisationen im Mittelpunkt. Er empfahl außerdem, das R2P-Konzept neu auszurichten, um Regionalorganisationen an vorderster Front einzusetzen.

Zum Abschluss des Tages fand eine Podiumsdiskussion zum Thema Politikempfehlungen statt. Einer der Redner betonte die Notwendigkeit, dass Resolutionen exakten Text beinhalten müssten und dass das jeweilige Mandat eng auszulegen sei. Genau definierte Aufsichtsmechanismen, eine weiter reichende Rechenschaftspflicht bei der Mandatsausführung sowie mehr Transparenz waren andere Empfehlungen, die sich aus der Diskussion ergaben. Die wichtige Rolle der Regionalorganisationen wurde noch einmal hervorgehoben, vor allem als Weg, um in Zukunft das Konzept der Schutzverantwortung mit der Realität in den jeweiligen Ländern besser zu verknüpfen.

Im Laufe der Diskussion zeigte sich, dass die Positionen zur R2P nach wie vor weit auseinander liegen. Ein besonders kontroverses Thema war ein möglicher Regimewandel in Folge von militärischen R2P-Interventionen. Ein Redner vertrat die Meinung, dass Regimewandel die Folge des Versagens einer Regierung beim Schutz der eigenen Zivilbevölkerung sein könne, aber dass es nicht Zielsetzung der Intervention sei. Ein Teilnehmer definierte den Schutz der Zivilbevölkerung weiter und schloss auch den Schutz der Lebensgrundlagen mit ein, die im Falle eines Konflikts oft mit zerstört werden. Bei der Frage, wo Konfliktprävention beginnt, antwortete ein Teilnehmer, dass bereits bei der Weitergabe von Waffen anzusetzen sei.

In den abschließenden Bemerkungen wies der Sprecher auf die aktuelle Situation in Syrien hin, die die Dringlichkeit des Themas unterstreiche. Er dankte allen Rednern und Teilnehmern für ihren Beitrag.

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Jennifer Howe (geb. Schuster)

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