Veranstaltungsberichte
Das Gesprächsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung ging der Frage nach, was man unter politischem Extremismus versteht und wie sich der Begriff von anderen Schlagwörtern abgrenzen lässt.
- Welche Parteien sind aktiv und wie sind diese strukturiert?
- Worin liegen die Ursachen für das Wahlverhalten zugunsten von Extremisten?
- Was geht in den Köpfen junger Extremisten vor, wo liegen deren Motive?
- Wie können wir der extremistischen Gefährdung der Demokratie insbesondere im erzieherisch-pädagogischen Bereich begegnen?
In der Begrüßungsrede gab die Leiterin des Bildungswerks Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung, Frau Maja Eib, einen Einblick in die aktuelle Diskussion zur Bekämpfung des Politischen Extremismus.
Als erster Redner stellte Dr. Lars Flemming in seinem Einführungsreferat die Ursachen und Erscheinungsformen des Extremismus und für ihn notwendige Gegenstrategien dar. Zunächst nahm Flemming eine Definition des Extremismus-Begriffs vor. Darunter seien jene politischen Kräfte zu verstehen, deren Aktivitäten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind und die das demokratische System durch eine Diktatur ersetzen wollen.Zu unterscheiden ist dabei zwischen Links- und Rechtsextremisten. Letztere haben eine ethnisch homogene Gesellschaft zum Ziel, verbinden dies mit übersteigertem Nationalismus gepaart mit Fremdenhass, Antisemitismus und strengem Autoritarismus. Bei Linksextremisten wird das Kriterium der Fundamentalgleichheit aller Menschen übersteigert – hier steht der Gleichheitsgrundsatz vor dem Freiheitswert und dem Individualismus. Die Gesellschaft wird in Klassen eingeteilt, von denen der Arbeiterklasse die Führungsrolle zustehen solle; ein sozialistisches/kommunistisches System ist das Ziel. Hierbei betonte der Referent, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Spielarten gebe, etwa die Kapitalismuskritik sowie der Antiamerikanismus.
Flemming ordnete mehrere Parteien den jeweiligen Formen von Extremismus zu – im linken Spektrum sind relativ kleine Gruppierungen wie die MLPD, die KPD oder die DKP anzusiedeln, ebenso Teile der Linkspartei/PDS wie die Kommunistische Plattform (KPF). Größte rechtsextremistische Parteien sind die DVU, die Republikaner sowie die NPD. Letztere ist zwar an Mitgliedszahlen nicht die größte Vereinigung des „Lagers“, wohl aber die aktivste und mit zwei Vertretungen in zwei Landtagen derzeit erfolgreichste.
Vor allem um die NPD herum sammeln sich mehrere Kameradschaften, die größtenteils regional agieren. Zudem gibt es viele unorganisierte Rechtsextremisten, etwa Skinheads. Im linksextremen Bereich gibt es eine ähnliche Struktur, denn dort sind Autonome oder Anarchisten weithin unorganisiert – schon aufgrund der Ideologien dieser Aktivisten wäre eine Organisation ein Widerspruch in sich.
Rechts- und Linksextremisten stehen sich einerseits verfeindet gegenüber, denn sie haben unterschiedliche politische Systeme als Ziele ihrer Ideologien. Aber es gibt auch zahlreiche Gemeinsamkeiten, etwa die Ablehnung der Demokratie. Des weiteren kommt auch oft zum direkten Aufeinandertreffen von Extremisten beider Spielarten, denn unter die tausenden friedlichen Demonstranten gegen einen rechtsextremen Aufmarsch mischen sich nicht selten gewaltbereite Linksextremisten, die solche Gegendemonstrationen für ihre Zwecke missbrauchen.
Dennoch wird derzeit der Rechtsextremismus als die größere Gefahr für die Demokratie eingeschätzt. Zwar ist die Demokratie der Bundesrepublik sehr stabil und hat sich seit der Nachkriegszeit allen Gefährdungen wirksam widersetzt, aber gerade auf der Suche nach den Ursachen des Rechtsextremismus und den Gegenstrategien gibt es großen innenpolitischen Streit. So werden oft Politikverdrossenheit, Unzufriedenheit mit der Demokratie, Angst vor Arbeitslosigkeit und Sozialabbau sowie Perspektivlosigkeit Jugendlicher als wichtigste Ursachen genannt. Flemming fügte dem hinzu, dass auch eine zunehmende Verklärung der DDR für ein Anwachsen des Rechtsextremismus mitverantwortlich sei.
Als Gegenstrategien gibt es nicht selten die Forderung nach einem Verbot, weniger aber die inhaltliche Auseinandersetzung mit jenen Kräften. Flemming kritisierte auch, was ein Verbot (etwa der NPD) bewirken könne: Die Partei wäre zwar verboten, aber Ideologien kann man nicht verbieten. Die Mitglieder würden sich entweder anderen Parteien anschließen und diese radikalisieren oder sich in Kameradschaften zurückziehen und somit für die Sicherheitsorgane nicht mehr so leicht zu beobachten sein. Außerdem ist ein erstes Verbotsverfahren gegen die NPD vor wenigen Jahren gescheitert.
Im Anschluss sprach Andreas Bock vom Verfassungsschutz Thüringen über die aktuellen Tendenzen in Thüringen und bestärke die Ausführungen von Herrn Flemming, dass eine wachsende Gefahrdung zurzeit vom Rechtextremismus ausgeht. Dennoch war gerade bei den Maidemonstrationen oder im Zuge von G8 eine Mobilisierung von Linksextremen gewaltbreiten Akteuren auch in Thüringen zu verzeichnen.
Prof. Dr. Krapp stellte in seinem Kurzstatement die Entwicklungen der Aussagen zum Politischen Extremismus dar und stellte dabei fest, dass sich im Zeitverlauf ein kontinuierlich starker und höchst signifikanter Zusammenhang zwischen einem positiven DDR-Bild und dem Wunsch nach einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung mit dem Rechtsextremismus zeigt. Das heißt, je schöner nachträglich die DDR beurteilt wird, je harmloser und gerechter sie erscheint, desto stärker ist die Neigung, autoritären, demokratiefeindlichen Strömungen heute anzuhängen.
In der abschließenden Diskussion, die vom Direktor des Gymnasiums Hildburghausen, Heiko Rosenbaum moderiert wurde, standen die Fragen des Umgangs mit Extremisten im Mittelpunkt. Debattiert wurden gleichfalls viele regionale Punkte. Regionale Akteure äußerten sich zum Engagement der Bürger gegen Rechtsextremismus. Zudem wurden schwerpunktmäßig in der Diskussion die Ursachen des gegenwärtigen Extremismus betrachtet.
Wesentliche Punkte waren:
- die zu geringen Perspektiven und Arbeitsplatzchancen
- die Angst vor sozialen Härten
- die Auflösung sozialer und beruflicher Strukturen
- das Erziehungsdefizit
- die Politikverdrossenheit
- die Benachteiligungsgefühle