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Länderberichte

Parlamentswahlen in Kanada

von Dr. Norbert Wagner, Ursula Carpenter
Am 14. Oktober 2008 finden in Kanada Neuwahlen zum 40. Bundesparlament statt. Premierminister Stephen Harper hofft, daß seine konservative Minderheitsregierung (bisher in Koalition mit der Liberalen Partei) in den vorgezogenen Wahlen eine deutliche Mehrheit gewinnen kann. Harper hatte die Wahlen u.a. vorgezogen, um der erwarteten allgemeinen wirtschaftlichen Abkühlung zuvorzukommen. Die internationale Finanzkrise der letzten Wochen hat dieses Kalkül zwischenzeitlich indes überrollt.

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Bei den "Generalwahlen" werden alle Mitglieder des Unterhauses (308 Sitze im "House of Commons") neu gewählt. Es findet ein Wahlgang statt. Die Wahl der Abgeordneten erfolgt nach relativem Mehrheitswahlrecht, das heißt der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt.

Der kanadische Wahlkampf begann offiziell mit der Auflösung des Parlamentes am 7. September durch Premierminister Harper, der das zerstrittene Parlament wegen der mangelnden Unterstützung durch Liberalenführer Stephane Dion als "nicht regierbar" bezeichnete. Seitdem herrscht in Kanada Wahlkampf. Inzwischen haben zwei TV-Debatten ("Leaders' Debates") mit den Spitzenpolitikern der fünf wichtigsten Parteien stattgefunden. Die erste Fernsehdebatte am 1. Oktober in französischer Sprache, die zweite am 2. Oktober in englischer Sprache.

Themen

Laut jüngsten Umfragen geht es den kanadischen Wählern vorwiegend um drei Themen:

  • Wirtschaftslage (51%)
  • die Gesundheitsversorgung (16%) und
  • Umwelt (11%).
Diese Prioritäten spiegelten sich in den Fernseh-Debatten wider, bei denen die Themen Wirtschaft und Umwelt im Vordergrund standen. Dabei wurde Premierminister Harper von allen übrigen Parteivorsitzenden kritisiert, seine Politik sei verantwortlich für die Krise in der Wirtschaft und der Umwelt.

Wirtschaftspolitik

Regierungschef Harper wurde vorgeworfen, seine Wirtschaftspolitik sei eine Art "Betrug" und seine Deregulierungspolitik auf dem Finanzsektor habe dazu geführt, daß Kanada von der globalen Finanzmarktkrise fast so stark betroffen sei wie die USA. Wiederholt wurde Harper mit US-Präsident George W. Bush verglichen. Jack Layton warf ihm sogar vor, daß er im letzten Amtsjahr Bushs "der letzte Führer einer Industrienation sei, der noch der Bush-Doktrin folge." Ihm fehle es an einem Wirtschaftskonzept, das aus der Finanzkrise führen könne. Dion behauptete, die Vorgängerregierung unter Führung der Liberalen Partei habe Regulierungen verabschiedet, die Harper abzuschaffen versucht habe. Daß ihm dies nicht gelungen sei, sei der einzige Grund dafür, daß Kanada weniger schwer von der Finanzkrise getroffen worden sei als die USA.

Die "laisser-faire"-Politik Harpers habe zu Problemen auf dem Arbeitsmarkt geführt und vorrangig die Ölindustrie und solche Industrien begünstigt, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagerten. Dion warf dem Premierminister vor, eine einst florierende Wirtschaft abgewirtschaftet zu haben - "mit dem Ergebnis einer der niedrigsten Wachstumsraten innerhalb der G-8". (Kanadas Wirtschaftswachstum zwischen April und Juni betrug lediglich 0.1%; die Preise auf dem kanadischen Immobilienmarkt sinken; im nächsten Jahr rechnet man mit Stagnation).

Dem halten die Konservativen die hohen Kosten des wirtschaftspolitischen Programms der Liberalen entgegen. Sie wollen in den nächsten zehn Jahren die Steuern um über 80 Mrd. $ senken (verglichen mit ca. 2 Mrd. $ jährlich während der Regierungszeit der Konservativen). Das würde zu einem riesigen Defizit im Staatshaushalt führen, so die Kritik der Konservativen Partei.

Umweltpolitik

Beim Thema Umwelt steht die Konservative Partei insbesondere wegen des Austritts Kanadas aus dem Kyoto-Protokoll in der Kritik. Die neue kanadische Klimapolitik erfordert von allen Industrien eine Emissionsreduktion um 45-65% bis 2050. Dies wird von Umweltorganisationen generell als völlig unzureichend verurteilt. Die Liberale Partei hat einen "Green Shift"-Plan vorgestellt, der eine Kohlesteuer ("carbon tax") vorsieht, die mit Einkommenssteuerreduzierungen gekoppelt werden soll.

Die Konservative Partei lehnt diesen Vorschlag ab, weil sie nachteilige Rückwirkungen auf die Wirtschaft befürchtet.

Der Umweltplan der NDP legt den Schwerpunkt auf den Emissionshandel mit dem Ziel, Treibhausgase bis zum Jahr 2050 um 80% zu reduzieren. Finanzielle Anreize für den Transportsektor und der Übergang zu einer "green collar"-Wirtschaft sollen dieses Konzept flankieren.

Afghanistan

In jüngsten Umfragen bezeichnet lediglich etwa 1% der Befragten "Afghanistan" als ein wichtiges Problem. Das überrascht angesichts des Engagements Kanadas und der zahlreichen Opfer unter kanadischen Soldaten, die infolge dieses Einsatzes zu beklagen sind. Das Afghanistan-Engagement Kanadas dürfte insgesamt der Regierung Harper angelastet werden, die das kanadische Mandat bisher zweimal verlängert hat. Die erste kanadische Truppenentsendung nach Afghanistan fand allerdings bereits im Jahr 2001 unter Premierminister Jean Chretien (Liberale Partei) statt. Die Tatsache, daß sowohl Konservative als auch Liberale Partei wiederholt für die Verlängerung des Afghanistan-Mandates (bis mindestens 2011) gestimmt haben, dürfte beide Parteien unter Gegnern des Einsatzes Stimmen kosten.

Erwartete Ergebnisse

Glaubt man den Umfragen, dann wird die Konservative Partei Kanadas aus diesen vorgezogenen Wahlen als Sieger hervorgehen. Zumindest die Umfragen von Anfang Oktober und die Prognose der Sitzverteilung im neugewählten Parlament lassen das erwarten. Die Konservative Partei würde danach bei der Anzahl der Sitze deutlich zulegen, vielleicht sogar knapp an die absolute Mehrheit (155 Sitze) heranreichen. Die Liberale Partei könnte deutliche Einbußen erleiden.

Angesichts der dramatischen Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten sind solche Umfragen und Prognosen allerdings mit großen Unsicherheiten behaftet. Neueste Umfragen deuten eher darauf hin, daß Premierminister Harper und seine Partei an Zustimmung verlieren. Eine absolute Mehrheit für die CP dürfte demzufolge eher nicht zu erwarten sein.

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Kontakt

Paul Linnarz

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Leiter des Auslandsbüros in Washington, D.C.

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