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Die Litauer sind überzeugte EUropäer

του Rita Schorpp

Nur Lettland ist beliebter als Deutschland

In Litauen ist Deutschland nach Lettland das beliebteste Land. Botschafter Deividas Matulionis lobte die enge Zusammenarbeit und erinnert an die deutsche Unterstützung bei den Bemühungen um einen schnellen Beitritt zur EU und zur NATO. Die EU als Wertegemeinschaft sei das bedeutendste Friedensprojekt aller Zeiten.

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Fast 200 Teilnehmer interessierten sich für das EUropabild des litauischen Botschafters, dessen Land zwar am Rande der EU, aber im geographische Zentrum Europas liegt, was für S. E. Deividas Matulionis Symbolcharakter hat.

Litauen und Deutschland – ein ganz besonderes Verhältnis

Litauens Verhältnis zu Deutschland, genauer gesagt, zu Ostpreußen, habe durchaus identitätsstiftende Wirkung gehabt: In Königsberg wurde die Bibel erstmals ins Litauische übersetzt, die erste Grammatik der litauischen Sprache verfasst und der erste litauische Gedichtband gedruckt, Ende des 19. Jahrhunderts wegen des zaristischen Presseverbotes auch die ersten litauischen Volkszeitungen. Ostpreußen gilt deshalb als Wiege der litauischen Literalität. Diese Erfahrung war eine wichtige Grundlage für die Aufnahme und den Ausbau der deutsch-litauischen Beziehungen nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit. Positiv bewertete der Botschafter die Weigerung der Bundesrepublik Deutschland, die Okkupation der baltischen Staaten durch die Sowjetunion anzuerkennen. Ferner unterstützte Deutschland Litauens Wunsch nach schnellstmöglichem Beitritt zu EU und NATO. Zu Recht, denn nach gut 25 Jahren gilt Litauen heute als Musterbeispiel für die gelungene Transformation von einem kommunistischen in ein demokratisches Land mit Rechtsstaatlichkeit, Einhaltung der Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Marktwirtschaft.

Dank an Angela Merkel und Ursula von der Leyen

Die Beziehungen zu Deutschland sind eng. Deutschland ist der drittgrößte Investor und gleichzeitig der wichtigste Markt für Litauen, Deutsche stellen die größte ausländische Besuchergruppe. Besonders erfreut zeigte sich der Botschafter über die führende Rolle Deutschlands bei der Stärkung der östlichen Flanke der Nato und der Anführung des Nato-Bataillons in Litauen ab dem kommenden Jahr. „Für diese für uns historische Entscheidung, die zur Steigerung der Sicherheit und Minimierung der Konfliktgefahr in der Region beitragen wird, gebührt Deutschland und allen voran seiner Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen unsere Dankbarkeit. Auch bei der litauischen Bevölkerung wurde dieser Beschluss sehr positiv aufgenommen und hat zur weiteren Stärkung des positiven Deutschlandbildes in unserer Gesellschaft geführt.“ 87% der Litauer sehen Deutschland einer aktuellen Umfrage zufolge als das Land, das Litauen gegenüber am freundlichsten gesonnen ist. Nur Nachbar Lettland wurde noch positiver eingeschätzt.

Krisen und Konflikte

Die Zeiten sind unruhig: „Der präzedenzlose Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, die schonungs- und rücksichtslose Bombardierung der Zivilbevölkerung in Syrien, der Terror der sogenannten Islamkrieger im ganzen mittleren Osten, Brexit, CETA … , das sind nur die sichtbarsten Krisenherde der Welt, die uns direkt betreffen, uns alle in Europa und in der ganzen Welt. Auch im Inneren der Europäischen Union stehen wir vor großen Herausforderungen: Terrorismusgefahr, Flüchtlingsströme, Jugendarbeitslosigkeit, die Probleme der öffentlichen Finanzen mancher Länder und schließlich das Erstarken von radikalen antieuropäischen Parteien innerhalb der EU, ja, dieses Gesamtbild ist gerade wirklich nicht erfreulich.“

Die Krisen der EU können nur gemeinsam gelöst werden. Litauen sei bereit, Verantwortung zu übernehmen, indem es beispielsweise 1.050 Flüchtlinge aufnimmt. Das Land unterstützt auch die Haltung der Bundesregierung in Bezug auf die Finanzpolitik der EU und die Stabilisierung des Euroraumes. Aus litauischer Sicht, so der Botschafter, können die EU-Länder erst dann auf den Pfad des gesunden Wachstums kommen, wenn dringende Strukturreformen implementiert und Schulden abgebaut werden. Das litauische Beispiel zeige, dass nur mit schmerzhaften Reformen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wiederbelebt und damit das Fundament für den weiteren wirtschaftlichen Aufschwung geschaffen werden könne und dass es keinen Widerspruch zwischen Sparpolitik und Wachstum gebe. Litauen fühlt sich dem Norden Europas zugehörig. „Das skandinavische Entwicklungsmodell hat für uns einen erstrebenswerten Vorbildcharakter.“

Eine konkrete europäische Perspektive für die Länder der Östlichen Partnerschaft

Innerhalb der Europäischen Union zählt Litauen seit Jahren zu den aktivsten Förderern der Östlichen Partnerschaft und plädiert für eine konkrete europäische Perspektive für diese Länder. Das wäre ein riesiger Ansporn für die Umsetzung der Reformen im Inneren, die sehr wichtig für die weitere Modernisierung sind. Auch hier führt Matulionis das eigene Beispiel an: Das Assoziierungsabkommen mit der EU von 1995 „war wirklich ein sehr wichtiger Schub für die Reformen und für die Modernisierung unseres Landes.“

Der Lackmustest für die künftigen Beziehungen zwischen dem Westen und Russland sei die Ukraine. Ihr Scheitern wäre ein Scheitern der Politik Europas. Matulionis mahnt eindringlich: „Wir dürfen das nicht zulassen. Die Ukraine braucht Unterstützung. Wir müssen klare politische Signale geben und unser Engagement für die Partner im Osten Europas deutlich erhöhen. Dazu gehört auch die Abschaffung der Visumpflicht für die Bürger der Ukraine und Georgien.“

Umgang mit Russland: Kein Pragmatismus ohne Prinzipien

Matulionis wendet sich auch dem „großen und schwierigen Thema“ des Umgangs mit Russland zu, an das Litauen im Westen angrenzt. In der Brust vieler Litauer würden zwei Herzen schlagen: das der Zuneigung zu den russischen Menschen und das der Abneigung gegen die aktuelle Machtpolitik Putins. Und er erinnert daran, dass Ende der 1980er Jahre in Moskau riesige Kundgebungen für die Unabhängigkeit der baltischen Staaten stattfanden. „Viele in Russland wollen heute lieber vergessen, dass ausgerechnet Russland die Unabhängigkeit der baltischen Staaten früher anerkannt hat als die meisten Länder im Westen. Das war im Juli 1991.“ Und weiter: „Heute haben die Beziehungen ihren Tiefpunkt erreicht, das kann ich ganz deutlich sagen.“ Er appelliert an die EU und die transatlantische Gemeinschaft: „Einigkeit ist unsere Stärke.“ Und er betont: „Wir sind konsequent der Meinung, dass die Sanktionen das richtige Instrument sind, und sie sollten ohne Zögern und Zaudern eingesetzt werden, wo und wann es notwendig erscheint.“ Entschieden wendet er sich gegen den reinen Pragmatismus im Verhältnis zu Russland, denn Pragmatismus ohne Prinzipien sei einfach falsch und müsse unbedingt vermieden werden.

Wertegemeinschaft und Friedensprojekt EU

„Die heutigen Herausforderungen, mit denen die EU konfrontiert ist, können nur gemeinsam überwunden werden. Entscheidend dabei ist, dass wir uns in Europa verstärkt auf die uns verbindenden Werte besinnen, uns als eine Wertegemeinschaft definieren und auch bereit sind, für diese Werte einzustehen und sie zu verteidigen.“ Schließlich sei die Europäische Union das bedeutendste Friedensprojekt aller Zeiten und nicht nur eine ökonomische Zweckgemeinschaft.

Zum Wahlausgang

In der anschließenden Diskussion antwortet Botschafter Matulionis auf die Frage nach den Folgen des unerwarteten Wahlausganges: „Ich kann versichern, dass es bei uns keine großen Schwankungen in der Außenpolitik geben wird, denn fast alle Parteien haben vor einigen Jahren die Deklaration der litauischen Außenpolitik unterschrieben. In der Außenpolitik sind die Unterschiede zwischen den Parteien geringer als in Deutschland.“

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