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ONDREJ DRESCHER

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Gestrandet, 2013/14

Interview mit Ondrej Drescher

Berlin, Januar 2016

Zum Begriff Position kann ich nichts sagen. Ich verstehe ihn nicht, ich weiß nicht, aus welchem Kontext er kommt. Wenn ich im Atelier bin, spielt er keine Rolle.

Wenn du Texte liest wie den Ausstellungstext für Cella bei Kromus+Zink, kannst du damit etwas anfangen? Erkennst du dich wieder in den Beschreibungen deiner Arbeit durch andere?
Es gibt Dinge, die ich verheimliche in meinen Bildern und die zu solchen Texten gar nicht durchdringen. Deswegen sind sie immer nur eine Art Rauschen für mich. Mit dem, was mir selbst an den Bildern wichtig ist, haben diese Texte nur wenig zu tun, einfach weil das mir Wichtige zu gut versteckt ist.

Warum versteckst du Dinge in den Bildern?
Weil ich es nicht aushalte, sie nicht zu verstecken.

Als Vorbereitung für unser Gespräch habe ich mir eine Reihe Begriffe aufgeschrieben, Widerspruchspaare: Zeichnung vs. Malerei, Mensch vs. Landschaft, figurativ vs. abstrakt. Das käme also noch hinzu; zeigen vs. verstecken.  
Widersprüche sind doch gut. Es ist auch nicht so, dass das Versteckte gar nicht gesehen werden soll. Man muss sich nur Mühe geben, um es zu sehen und die Bedeutung, die Schlüssigkeit zu finden. Ich male keine Nacherzählungen von Dingen, es geht immer um einen Subtext. Menschen, die sensibel sind oder eine ähnliche Innenwelt haben, finden diesen Weg. Mir ist es auch schon passiert, das ich mit jemandem vor einem Bild stand und dieser Mensch in seiner ersten Reaktion schnell den gleichen Weg eingeschlagen hat, den ich im Atelier mühsam gegangen bin. So schnell, dass ich mich erschreckt habe.

Starre, 2015

Wie kommst du zu den Sujets, zu den Dingen, die du malst?
Ich laufe visuell offen herum. Im Grunde ist es so, dass ich eine Art inneren Strom habe, der, ohne dass ich das beeinflussen kann, Dinge aufnimmt und mitnimmt. Ich kann ihn nicht kontrollieren. Das Einzige, was ich tun kann, ist wachsam in diesen Bilderstrom schauen und darauf zu reagieren, was mitgeschwemmt wird. So fange ich an, mich mit Dingen zu beschäftigen. Das ist schwierig, weil ich selbst Bilder produziere, die wieder Teil des Stroms werden und die mich insofern enttäuschen als dass sie meistens schnell wieder verschwinden. Ich schaffe keine eigenen Bilder, die visuell so stark sind, dass sie in diesem Strom bleiben.

Und das sollen sie?
Der Strom hat auf mich eine transformierende Wirkung. Es geht nicht darum, dass etwas entsteht oder dass etwas schön ist; er ist einfach permanent da. Solange er mit etwas gefüllt ist, das für mich sichtbar ist, kann ich an ihm teilhaben.

Wie ist das mit den Ergebnissen, entstehen deine Bilder in erster Linie für dich? Oder geht es dir auch um das Außen, sind zum Beispiel Reaktionen nach Ausstellungen wichtig für dich?
Mir wäre es lieb, wenn sie mir wichtiger wären. Ich muss mich mit diesen Dingen beschäftigen. Davon, dass meine Bilder auf Ausstellungen Reaktionen hervorrufen, lebe ich. Aber prinzipiell ist das nicht wichtig. Menschen kommen in Galerien und man hat oft den Eindruck, sie denken, die Ausstellungen seien für sie gemacht. Eine Katastrophe eigentlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Künstler, die ich mag – außer vielleicht, um ihre Eitelkeit zu befriedigen – Dinge in einer  Kommunikation mit der Außenwelt angestrebt haben, eine an jemanden gerichtete Mitteilung. Der einzige Adressat, den es immer gibt, ist man selbst.

Wand, 2015

Als ich Cella bei Kromus+Zink gesehen habe, dachte ich nicht, die Ausstellung sei für mich, aber ich habe schon überlegt, warum die Bilder so hängen wie sie hängen, was die Korrespondenzen zwischen ihnen sind und auch warum die Formate so gewählt sind. Kannst du etwas sagen über die Formate, über große und kleine Bilder?
Die Hängung sollte einen Distanz-Nähe Widerspruch erzeugen: man muss permanent zwischen den großen Bildern, zu denen man einen gewissen Abstand braucht, und den kleinen Bildern, die Nähe zum Betrachten verlangen, körperlich hin und her wechseln. Durch das Gespiegelte der vier Wände stellt sich zu dieser Unruhe hoffentlich noch Ausweglosigkeit oder Orientierungslosigkeit als Eindruck ein. Das war meine Vorstellung über die Wirkung dieser Hängung.

Werden große Bilder länger angesehen?
Es kann der Effekt entstehen, dass große Bilder glaubhafter sind, weil sie körperlicher sind als kleine.

Auf den großen Bildern habe ich Rahmen- oder auch Bühnenstrukturen gesehen, einander überlagernde Schichten. Das kannte ich von deinen älteren Bildern so nicht; da gingen oft Figuren in Landschaften über oder Landschaften in Figuren, aber sie waren in der selben Welt. 
Die Bilder bei Cella sind anders als meine älteren Bilder und wenn du dir die Bilder hier im Atelier anschaust, geht es noch weiter in eine andere Richtung. Eine Bildstrategie, wie du sie gerade andeutest, also dass man in Schichten malt oder etwas verbirgt, habe ich nicht – das sind Prozesse, die automatisch ablaufen. Ich stehe da, fange ein Bild an, will es irgendwo hin treiben und es gelingt mir nicht. Dann driftet es weg, woanders hin.

Wann bist du fertig mit einem Bild?
Nie. Das ist auch unwichtig, ob etwas fertig ist, oder nicht.

Dunkelkammer, 2015

Irgendwann entscheidest du, nicht mehr an einem Bild weiter zu arbeiten.
Das entscheidet die Terminlage. Das Schwierige ist, dass die Bilder zu Objekten werden müssen. Ich könnte mein ganzes Leben an einer Leinwand arbeiten, sie immer weiter übermalen.

Kannst du beim Zeichnen andere Sachen ausdrücken als beim Malen?
Ich empfinde Zeichnen als etwas Rationales. Es ist schwierig, da eine Ebene zu öffnen, die mit spontaner Emotionalität zu tun hat.

Es ist eine Art von Denken, das Zeichnen?
Absolut. Ich kann mir vorher vorstellen, wie die Zeichnung aussehen wird und so sieht sie dann auch aus. Farbe wiederum ist alles andere als rational. Sie hat keinen Sinn. Alles, was du an Farbe siehst, konstruierst du, es existiert gar nicht. Das macht das Arbeiten hochkomplex und unkontrollierbar. Das ist etwas, was ich immer mehr aushalten will. Es ist auch mit großer Hilflosigkeit verbunden, man stochert im Dunkeln und findet kein System. Man kann sich Prinzipien aneignen, man kann sagen, ich male immer oben blau und unten grün. Solche Codes gibt es häufig in der bildenden Kunst, das kreiert dann einen Sound, einen Wiedererkennungswert, aber mehr ist es nicht. Das Herumstochern im Farbsumpf ist etwas Schwieriges.

Und thematisch?
Da habe ich ein sehr eingeschränktes Vokabular, meine Themen variieren kaum. Das sind Landschaften, die meistens nicht gefahrlos sind. Irgendetwas befindet sich immer in einem Prozess der Auflösung. Gleichzeitig sieht man, dass es diese Auflösung nicht gelingt. Und dann steht auf den Bildern noch meistens jemand in dieser Landschaft. Und wenn nicht, ist das auch wichtig. Also, dass da keiner steht.

Was ist das für eine Landschaft?
Das klingt abgegriffen und unglaubwürdig, aber am Ende geht es darum, was in uns Träume erzeugt. Wenn man in der Bahn sitzt und halb einnickt und dann hochschreckt. Das Gefühl, das dabei zurück bleibt. Bei mir ist dieses Gefühl mit Bildern verbunden. Diese Quelle bestimmt mich rund um die Uhr, ich kann sie nicht kontrollieren.

Stille, 2015

Es ist viel mehr so, dass der Weg lang war, um alles vorgefertigt Sinnhafte hinter mir zu lassen und den Schrecken zu sehen, den begrenzten Raum, dem wir ausgesetzt sind. Das ist ein Zitat von dir, aus dem Text von Hans-Jörg Clement zu deiner Ausstellung in der Adenauer Stiftung, das bei mir im Zusammenhang mit den Rahmen/Bühnen der großen Bilder bei Cella im Gedächtnis geblieben ist. Was ist der begrenzte Raum? Man könnte auch sagen, die Natur ist unendlich.
Das ist sie mit Sicherheit nicht. Ich weiß nicht mehr, was ich damit 2010 genau gemeint habe. Wahrscheinlich hat das mit den Bergen zu tun. Damals bin ich noch viel in die Berge gegangen. Und ich habe gemerkt, dass ich das natürlich tun kann, aber ja doch nicht von mir weg komme, dass ich so keine Lösung finden. Der begrenzte Raum, dem wir ausgesetzt sind, sind wir selbst.

Dieser begrenzte Raum ist auch die Landschaft, die du malst?
Ich habe das für mich so benannt, dass es etwas gibt, das auf mich einwirkt. Dieser Einfluss kommt nicht von außen, sondern von innen. In meinen Bildern suche ich nach Konstellationen, in denen ich das darstellen kann. Die Landschaften auf meinen Bildern stellen das, was innen passiert, als Außeneinfluss dar. Ansonsten hätte ich nur Hüllen von Figuren, die mit nichts in Korrespondenz stehen. So ist es das Innere, Aufgewühlte durch die Landschaft.

War das eine bewusste Entscheidung für diese Art von Bildersprache?
Früher habe ich große Zeichnungen gemacht. Die größte war 2 m x 1,6 m, daran habe ich zwölf Wochen gesessen. Ich bin jeden Morgen früh aufgestanden, wie ein Bauarbeiter zur Arbeit gegangen und habe den ganzen Tag gezeichnet. Das war ein Alptraum. Die Zeichnung sieht toll aus, aber es waren die langweiligsten zwölf Wochen meines Lebens. Ich saß vor dieser riesigen Zeichnung und in mir brodelte es, ich konnte mich kaum konzentrieren. Ich habe fünf Minuten gezeichnet, dann musste ich eine Pause machen, rauchen, Kaffee trinken, dann wieder Anlauf nehmen, mich mit Anspannung hinsetzen und weiter zeichnen. So ging es den ganzen Tag, ich musste pausenlos mit meiner Konzentration kämpfen, um etwas zu machen, was so losgelöst war von meinem Inneren. Irgendwann habe ich verstanden, dass es so nicht geht, dass ich nie ein ruhiger, feiner Zeichner werde. Ich musste etwas ändern, um in einen Rhythmus mit meinem Inneren zu kommen, um einen Blick auf diesen inneren Strom zu erlangen, damit er sich nicht loslöst. Daran tüftele ich immer noch. Ich irre herum und muss ständig Ideen verwerfen, weil ich merke, etwas wird zu einer Art Staffage, ich wiederhole Dinge, weil sie schon einmal gut funktioniert haben. Dann fange ich an, mich zu langweilen oder werde wütend. Wenn ich mich selbst verliere, werde ich wütend. Diese großen, gestischen Sachen kommen dem Aufgewühlten in mir sehr nah.

Untitled, 2015

Ondrej Drescher, geboren 1977 in Wolfen, bildender Künstler, lebt in Berlin. EHF Fellowship der Konrad Adenauer Stiftung 2010.

Katharina Schmitt, geboren 1979 in Bremen, Theaterregisseurin und Autorin, lebt in Berlin und in Prag. EHF Fellowship der Konrad Adenauer Stiftung 2014.

Bilder © Ondrej Drescher, Foto: Paul Schöpfer, Köln, Courtesy Kromus+Zink, Berlin
Texte © Katharina Schmitt

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