Frühe Jahre
Lambert Lensing wurde am 14. November 1889 in Dortmund als Sohn des gleichnamigen katholischen Zeitungsverlegers Lambert Lensing (1851–1928) und seiner Frau Wanda Helene Rittweger (1857–1943) geboren. Nach dem Besuch der Volksschule sowie des Gymnasiums in seiner Heimatstadt begann er 1910 mit dem Studium der Rechtswissenschaften in Münster, München und Leipzig. 1914 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und nahm, zuletzt als Adjutant von Oberstleutnant Franz von Papen, bis 1918 am Ersten Weltkrieg teil. Lensing wurde mit dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse ausgezeichnet. Zu Beginn des Jahres 1919 trat er in den Familienverlag Gebr. Lensing Verlagsanstalt ein. Ein Jahr später beendete er sein Studium mit dem Referendarexamen.
1920 erfolgte außerdem die Heirat mit Louise Block. Die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Söhne, Lambert und Helmut, fielen beide im Zweiten Weltkrieg.
Wirken als Zeitungsverleger
Im Rahmen der Ruhrbesetzung kam es im März 1923 zum Verbot der durch seinen Vater gegründeten, dem Zentrum nahestehenden Lokalzeitung Tremonia. Lensing gründete daraufhin in Bochum die gegen die französische Besatzungsmacht agitierende Zeitung Ruhrpost und wurde nach einer fünfwöchigen Inhaftierung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Nach dem Tod seines Vaters übernahm Lensing 1928 die Leitung des Familienverlags. Im Zentrum war er in den Vorstand der Stadtpartei sowie der Provinz Westfalen aufgestiegen. 1929 wurde er in die Dortmunder Stadtverordnetenversammlung sowie den Vorstand des Vereins deutscher Zeitungs-Verleger gewählt. Von der Stadtverordnetenversammlung wurde er als unbesoldetes Mitglied in den städtischen Magistrat entsandt. 1930 folgte die Wahl zum Vorsitzenden des Niederrheinisch-Westfälischen Zeitungsverleger-Vereins. Besonders ab 1930 vertrat die Tremonia einen immer deutlicheren Standpunkt gegenüber dem Nationalsozialismus und kritisierte die „Weckung des sozialen Neidgefühls, des Rassen- und Klassenhasses“.
In der Zeit des Nationalsozialismus
Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten verlor Lensing sein Mandat als Dortmunder Stadtrat. Als Revanche für die in den vorherigen Jahren gezeigte Gegnerschaft verwüstete ein bewaffneter SA-Trupp die Verlagsräume. Im Rahmen der Gleichschaltung der Presse musste Lensing seine Leitungspositionen in den jeweiligen Zeitungsverlegerverbänden aufgeben, 1934 durch das Schriftleitergesetz dann auch die Entscheidungsgewalt über die Zeitungen des Familienverlags abgeben. Zwar blieb die Zeitung de iure unabhängig, ihr Erscheinen wurde jedoch durch den Dortmunder Polizeipräsidenten beaufsichtigt. Lensing nutzte die ihm noch gebliebenen Einflussmöglichkeiten, um der Redaktion der Tremonia wo immer möglich christlich geprägte Leitlinien für die Arbeit zu setzen.
1939 wurde er als Hauptmann der Reserve zum Kriegsdienst eingezogen und im ostpreußischen Ermland eingesetzt. Seit 1940 folgte eine Verwendung im in Berlin ansässigen Oberkommando der Wehrmacht.
Aufbau der CDU Westfalen und Mitarbeit im Parlamentarischen Rat
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er in seine Heimatstadt zurück. Das Verlagshaus war im Krieg während mehrerer alliierter Bombenangriffe zerstört worden, mit dem Fund unversehrter Rotationsmaschinen kam es jedoch zum Druck erster Bekanntmachungen der britischen Militärregierung. Unmittelbar nach seiner Rückkehr begann er an politischen Diskursen zu partizipieren und setzte sich für die Gründung einer überkonfessionellen christlichen Partei ein. Den fundamental neuen Ansatz der Überkonfessionalität hielt er als Lehre aus den Erfahrungen der Weimarer Republik und der NS-Zeit für zwingend notwendig. Innerhalb der christlichen Gesprächszirkel stachen der Scherer-Kreis um Joseph Scherer und die Lensing-Gruppe heraus. Mitglieder beider Gruppen entschlossen sich am 12. Juni 1945 zur Gründung der Christlichen-Demokratischen Partei (CDP) in Dortmund. Wie die nach Lensing benannte Gruppe akkurat suggeriert, spielte er bei dem formativen Gründungsprozess eine instrumentale Rolle.
Ebenso zählte er am 2. September 1945 im Bochumer Parkhaus zu den Mitgründern der CDP Westfalen. Während des Treffens wurde er zum ersten Vorsitzenden des Landesverbandes gewählt. In der Programmrede konstatierte Lensing, man sei „im Begriff, eine in Deutschland revolutionäre Tat zu begehen“. Im Versuch „eine einheitliche christliche Front zu bilden“ bewahre man „die gute und ehrwürdige Tradition der Väter“ und lasse gleichermaßen „alle trennenden Gedanken und Überlieferungen aus der Geschichte der Gegensätzlichkeit der Konfessionen“ hinter sich. Im Dezember benannte sich die Dortmunder CDP im Bemühen Wählergruppen jenseits des katholischen Lagers anzusprechen in CDU um. Im weiteren Verlauf des Septembers begann die Herstellung der von der britischen Militärregierung herausgegebenen Ruhr-Zeitung in Lensings Verlag. Sein Antrag auf Lizenzerteilung für eine eigene Zeitung wurde jedoch abgelehnt und sollte Ausgangspunkt einer sich anschließenden Kampagne werden, welche Lensing in die Nähe des NS-Regimes rückte. Um einen öffentlichkeitswirksamen Schaden für die junge Partei zu vermeiden, trat er daher am 29. März 1946 vom Landesvorsitz zurück. Sein Nachfolger sollte Johannes Gronowski werden. Nach dem Ende der Ruhr-Zeitung im Mai 1946 druckte der Verlag die Westfalenpost. Trotz einer schwierigen Ausgangslage erreichte die CDU Dortmund bei der Kommunalwahl am 13. Oktober 1946 mit 35,1 Prozent der Stimmen auf Anhieb ein zufriedenstellendes Ergebnis. Auch nach seinem Rücktritt als Landesvorsitzender wirkte er im Hintergrund maßgeblich daran mit, den nun als Westfalen-Lippe firmierenden Landesverband als einen der wichtigeren Landesverbände innerhalb des Gefüges der Bundespartei zu verankern.
1948 wurde Lensing in den Parlamentarischen Rat berufen und wirkte in der Folge an der Entstehung des Grundgesetzes mit. In der zeitgenössischen Betrachtung nahm Lensing keine prominente Rolle in der Ratsarbeit ein, engagierte sich jedoch im Ausschuss für Finanzfragen sowie als Ersatzmitglied im Grundsatzausschuss. Im Plenum gab es keinen Redebeitrag seinerseits, im Grundsatzausschuss beteiligte er sich jedoch intensiv an den Diskussionen zur Presse- und Meinungsfreiheit. Lensing war ein klarer Verfechter einer gesetzlichen Verankerung der Presse- und Meinungsfreiheit, sah die Presse gleichzeitig aber auch in der Pflicht, der Verfassung gegenüber treu zu sein. In der während der Nachkriegszeit in der amerikanischen Besatzungszone sehr bedeutsamen Neuen Zeitung (NZ) wurde er laut den Ruhr Nachrichten in einer Kurzvorstellung der „Väter der Grundgesetzes“ (die vier weiblichen Mitglieder des Parlamentarischen Rates, u.a. Helene Weber und Helene Wessel, übersah die NZ wenig galant) wie folgt zitiert: „Wir haben die Aufgabe, von den Westzonen aus die Voraussetzung für die Sicherheit in Deutschland zu schaffen und dabei den berechtigten Wünschen der Länder Rechnung zu tragen.“
Ende 1948 erteilte ihm die britische Zonenverwaltung wieder die Lizenz zur Herausgabe einer Tageszeitung. Innerhalb der Zonenverwaltung war man zuvor aufgrund der Sonderstellung der Tremonia in der Zeit des Nationalsozialismus von einer ideellen Nähe zu den ehemaligen Machthabern ausgegangen. Die Ruhr Nachrichten erschienen sodann in der Tradition der eingestellten Tremonia vom Start hinweg in einer sechsstelligen Auflage. Die erste Ausgabe der Zeitung am 1. März 1949 wartete mit einem Grußwort des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnold auf.
1949 beteiligte er sich an der Gründung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, zu dessen Vizepräsidenten er 1954 gewählt wurde.
Am 4. April 1951 übernahm er wieder den Landesvorsitz der CDU Westfalen von Gronowski. Bei der Landtagswahl 1954 wurde er im Wahlkreis 90 Recklinghausen-Land-Nordost direkt in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt und gehörte dem Parlament für die folgende Legislaturperiode an. Während seiner Zeit in Düsseldorf war er stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Zur Landtagswahl 1958 kandidierte er nicht erneut.
Zur Würdigung seiner Verdienste wurde Lensing mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet. Am 20. Juni 1959 wurde Josef Hermann Dufhues zu seinem Nachfolger als Landesvorsitzenden gewählt. Von den Parteitagsdelegierten wurde ihm als „heimlicher Herzog von Westfalen“ applaudiert. Bundeskanzler Konrad Adenauer würdigte ihn für seine Mitarbeit in der Partei und als verlässlichen Verbündeten. Lensing zog sich u.a. aus gesundheitlichen Gründen zunehmend aus der aktiven Politik und der Verlagsarbeit zurück.
Einordnung
Er starb am 25. April 1965 in Dortmund und fand auf dem dortigen Südwestfriedhof seine letzte Ruhe. Der Verleger „war […] an allen wichtigen Etappen in der Gründungsgeschichte der westfälischen CDU beteiligt“ (Christopher Beckmann). Dabei hatte er klare Vorstellungen journalistischer Wirkungsweisen innerhalb der demokratischen Gesellschaft: Zeitungen sollten für ihn „einen Spiegel des öffentlichen Lebens gestalten“. Mit Konrad Adenauer pflegte Lensing ein produktives Verhältnis, beide hatten große ideelle Schnittmengen in ihrer robusten Ablehnung einer parlamentarischen Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie und dem Interesse an einem starken Arbeitgeberflügel in Nordrhein-Westfalen. Ein Zusammenschluss mit dem Landesverband Rheinland kam für Lensing Zeit seines Lebens nicht in Frage. Noch 1996 bezeichnete Norbert Blüm ihn in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung als zentrale Gründerfigur der westfälischen CDU neben Johannes Gronowski und Friedrich Holzapfel.