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„Aus israelischer Sicht ein Akt der Selbstverteidigung“

by Michael Mertes

RBB-Interview von Irina Grabowski mit Michael Mertes

Das Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) hat am Morgen des 17. November in einem Interview den Leiter des KAS-Büros in Israel, Michael Mertes, zu den Reaktionen der israelischen Öffentlichkeit auf die Eskalation des Gaza-Konflikts zwischen der Hamas und Israel befragt. Lesen Sie in der Abschrift des Gesprächs seine Einschätzungen zur Wirkung der Hamas-Raketenangriffe auf Tel Aviv und Jerusalem und zur Rolle Ägyptens als möglicher Vermittler.

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Quelle: http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/int/201211/17/181898.html

Irina Grabowski/RBB Inforadio: Wir schauen jetzt nach Israel, genauer gesagt: nach Jerusalem. Gestern wurde vom Gazastreifen aus auch eine Rakete auf Jerusalem abgefeuert – zum ersten Mal seit gut vierzig Jahren. Die Kassam-Brigaden, militärischer Arm der Hamas, demonstrieren damit: „Wir haben die Waffen, die Zentren Israels zu treffen – Jerusalem, Tel Aviv.“ Die israelische Armee ihrerseits bereitet sich nun darauf vor, in den Gazastreifen einzumarschieren; die Luftwaffe flog auch letzte Nacht zig Angriffe. Das Regierungsgebäude der Hamas, so heißt es, wurde bombardiert. Michael Mertes leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel mit Sitz in Jerusalem, er ist jetzt bei mir am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Mertes.

Michael Mertes/KAS Israel:Guten Morgen, Schalom!

Grabowski:Die Rakete hat Jerusalem verfehlt, aber haben die Leute in der Stadt trotzdem Angst, bereiten sie sich auf weitere Angriffe vor?

Mertes:Die Stimmung hier würde ich als bedrückt bezeichnen, aber gleichzeitig als sehr gefasst und diszipliniert. Wir alle – ich schließe mich da selber mit ein – sind ja durchaus immer vorbereitet auf die Möglichkeit, dass so etwas passieren kann: Wir haben unsere Schutzräume, wir haben unsere ABC-Schutzmasken. Allerdings kam dieser Raketenangriff, dieser Rakentenalarm, den wir gestern zum ersten Mal seit langem erlebt haben, doch als ein großer Schock, denn er zeigt, dass inzwischen die Kassam-Brigaben aufgerüstet haben mit neuen iranischen Raketen, diesen Fadschr-Raketen, die eine größere Reichweite haben und, wie Sie gesagt haben, die großen Zentren Tel Aviv und Jerusalem auch treffen könnten.

Grabowski:Die israelische Regierung hat nun beschlossen, dass an die 75.000 Reservisten eingezogen werden dürfen. Was merken Sie in Jerusalem von der Mobilmachung?

Mertes:Ich merke davon relativ wenig. Ich habe verschiedene Bekannte, die davon betroffen sind – und nach meinem Eindruck nehmen sie das auch hin, sie akzeptieren das als eine Notwendigkeit. Aus israelischer Sicht ist das, was im Augenblick geschieht, ein Akt der Selbstverteidigung. Wenn Sie mit Menschen aus dem Süden sprechen – aus Beer Scheva, aus Sderot, aus Aschdod –, dann werden die Ihnen bestätigen, dass in den vergangenen Wochen der Raketenterror aus dem Gazastreifen unerträgliche Ausmaße angenommen hat, und ich würde mal sagen, dass die übergroße Mehrheit der Israelis – von links bis rechts – der Meinung ist, dass es richtig ist, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Grabowski:Aber hören Sie auch Zweifel? Wie viel Leute gibt es, die es überzogen finden, wie die Regierung Netanjahu auf den Raketenbeschuss reagiert?

Mertes:Solche Stimmen habe ich bislang noch nicht gehört. Ich habe Kritik gehört an der gezielten Tötung von Achmed Dschabari, die die Eskalation ausgelöst hat. Es gibt Stimmen, die sagen, dass Dschabari involviert gewesen ist in Gespräche, an denen auch Ägypten beteiligt gewesen ist, über einen Waffenstillstand (zwischen der Hamas und Israel); das kann ich jetzt im Einzelnen nicht beurteilen. Ob das eine kluge Maßnahme war, das kann man bestreiten; es ändert aber nichts daran, dass ich hier überall, wo ich mich umhöre, Zustimmung – keine begeisterte Zustimmung, aber doch eine Zustimmung – höre zu den Verteidigungsmaßnahmen, als welche diese israelischen Reaktionen angesehen werden.

Grabowski:Sie haben jetzt gerade Ägypten angesprochen im Zusammenhang mit der gezielten Tötung des Militärchefs der Hamas. Ägypten ist ja traditionell der Vermittler, aber dort haben sich ja nun die politischen Verhältnisse verändert. Regierungschef Kandil, der war gestern in Gaza, und er hat angekündigt, Ägypten werde alles versuchen, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Wird er das überhaupt schaffen können – oder sieht man ihn in Israel eher als Unterstützer der Hamas?

Mertes:Es ist ja so, dass die Hamas ein Ableger – ein palästinensischer Ableger – der Muslimbrüder ist; das heißt, es ist im Prinzip die gleiche politisch-religiöse Richtung, der auch die gegenwärtige ägyptische Regierung und der gegenwärtige ägyptische Präsident angehören. Gleichwohl kann man sagen, dass die Ägypter keinerlei Interesse an einer Eskalation dieses Konflikts haben. Sie sind nach wie vor abhängig von westlichen Hilfszahlungen in Milliardenhöhe; sie haben mit enormen wirtschaftlichen Problemen im Inland zu kämpfen; sie haben damit zu kämpfen, dass der Sinai so etwas wie eine Zone der Gesetzlosigkeit geworden ist, über die der ägyptische Staat keine Kontrolle hat. Das heißt, ich sehe auf ägyptischer Seite ein massives Interesse daran, hier vermittelnd tätig zu sein, um diesen Konflikt so bald wie möglich zu beenden.

Grabowski:__abowski:__owski:__ski:__i:____ Haben Sie vielen Dank für diese Einschätzungen. – Das war Michael Mertes, er leitet das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel mit Sitz in Jerusalem. – Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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