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Country reports

Der steinige Weg zur Pressefreiheit in Jordanien

by Michael Däumer, Johannes Grundberger

„Al-Quds Center for Political Studies“ stellt Studie zum „Soft Containment“ der jordanischen Presse vor

Die Forderung nach einer freieren Presse stellt seit Jahren einen Schwerpunkt der jordanischen Regierungsrhetorik dar. Im Zuge der Novellierung des Pressegesetzes hat der westlich orientierte König Abdullah II. von Jordanien seinen Wunsch geäußert, die Presselandschaft zu professionalisieren. Dennoch bleibt das Ziel einer realen Pressefreiheit hinter den Erwartungen des Reformprozesses. Dies verdeutlicht eine vom KAS-Partner „Al-Quds Center for Political Studies“ durchgeführte Studie. Pressezensur, so die These, geschehe demnach vor allem auf versteckten Wegen.

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Die jordanische Regierung übt einen verborgenen aber dennoch massiven Einfluss auf die Medien in Jordanien aus. So lautet das Ergebnis der 18-seitigen Studie „Impact of Soft Containment on Freedom of Journalism and Independence of the Media in Jordan“, welche das „Al-Quds Center for Political Studies“ am 30. März 2009 in Amman vorstellte. Das Dokument basiert auf einer Umfrage unter insgesamt 1382 Journalisten und Medienvertretern zwischen Oktober 2008 und Februar 2009.

Die als Soft Containment bezeichnete Art der Zensur und Selbstzensur funktioniere durch ein ambivalentes System vielfältiger Begünstigungen, so die These der Studie. So erkaufen sich sowohl der Staat als auch Unternehmen eine Bereitschaft der Medien zur positiven Berichterstattung. Dabei muss die „Knebelung“ der Presse nicht immer auf der Grundlage strenger Gesetze erfolgen. Presse- und Meinungsfreiheit können auch auf subtile Art und Weise unterwandert werden. Medienmanipulation geschieht „Al-Quds“ zufolge primär durch die Regierung, der zahlreiche Medienunternehmen anteilig gehören. Sie finde aber auch durch andere Vertreter von Wirtschaft und Politik statt.

Die Untersuchung will den Grad und die Art und Weise des Einflusses auf die Medien messen und so den Rahmen abstecken, innerhalb welchem die jordanischen Journalisten ihrer Arbeit nachgehen können. Was die Erkaufung der Loyalität von Seiten der Regierung durch verschiedenartige Anreize anbelangt, sprachen etwa 70 Prozent der Befragten von einer hohen oder beachtlichen Einflussnahme. So werde als Belohnung für Treue vorrangig eine Regierungsposition oder eine sonstige öffentliche Anstellung in Aussicht gestellt. Andere Formen der Zuwendungen seien finanzielle Vorteile, besserer Zugang zu Informationen oder andere Annehmlichkeiten wie etwa Zollvergünstigungen, eine medizinische Bevorzugung oder die Aussicht auf Stipendien für Familienangehörige. Rund 43 Prozent der Journalisten gaben zu, selbst entsprechende Angebote erhalten zu haben.

Die Umfrage gibt zudem Aufschluss darüber, dass sich auch insbesondere Unternehmer des Soft Containment bedienen. Journalisten sollen dabei durch finanzielle Anreize motiviert werden, um im von den Zuwendungsgebern beabsichtigten Sinne zu publizieren.

Eine Mitschuld an der Anfälligkeit der Journalisten für das Soft Containment könnten die niedrigen Gehälter der Medienvertreter tragen. Diese liegen den Umfrageergebnissen zufolge zum Großteil unter umgerechnet 1000 Euro monatlich. Ein Drittel der Befragten gab an, in den vergangenen drei Jahren zudem einer Informationssperre von Seiten des eigenen Arbeitgebers unterworfen gewesen zu sein. Auch habe eine gesellschaftliche Beschränkung durch religiöse Institutionen oder Stammesvertreter stattgefunden. Zudem hätten Regierungsagenturen oder der Verlag zu Ungunsten der Pressefreiheit interveniert.

Das Studienteam beschreibt das Soft Containment als ein typisch arabisches Phänomen, dass aber auch weltweit verbreitet sei. Es stelle eine kostengünstige Alternative zur Beschränkung der Pressefreiheit auf der Grundlage strenger Gesetze dar, dem so genannten Hard Containment. Nationale und internationale Reaktionen könnten so vermieden werden. Es gelinge so, einerseits einen schlechten Ruf für Jordanien innerhalb der internationalen Gemeinschaft, bei Menschenrechtsorganisationen sowie Investoren zu verhindern und andererseits die Presse dennoch wirkungsvoll knebeln.

An oberster Stelle der mit einem Tabu belegten Themen stehen gemäß der Befragung die kritische Auseinandersetzung mit Sicherheitsdiensten, nationalen Angelegenheiten, öffentlichen Freiheitsrechten, Führungspersönlichkeiten anderer arabischer Staaten, religiösen Problematiken sowie Kritik an der jordanischen Regierung. Hinzu kommen Fragestellungen, die die Geschlechter betreffen und Umweltprobleme.

Das „Al-Quds Center“ ermittelt so auf einer Skala von eins bis zehn (wobei zehn die uneingeschränkte Freiheit und eins die totale Beschränkung der Medien bedeutet) für Jordanien insgesamt den Faktor 5.9. Ein Großteil der befragten Journalisten und Medienvertreter sah einen Rückzug der Regierung aus dem anteiligen Besitz an Medienunternehmen als notwendig an.

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Soft Containment stellt sich dem Studienteam zufolge insgesamt als äußerst schwierig dar, da ähnliche Mechanismen auch in anderen Bereichen als dem Mediensektor griffen. Dies verhindere Reformen und Veränderungen in der gesamten Region. Die Studie versteht sich als die erste ihrer Art und hofft, den Auftakt zu weiter reichenden Forschungen zu bilden. Sie will ein Bewusstsein für die Problematik schaffen, um der staatlichen Bevormundung künftig besser entgegenwirken zu können.

Trotz der von der Studie beschriebenen schwierigen Situation gibt es in puncto Pressefreiheit auch einige Hoffnungsschimmer in Jordanien. Diese beziehen sich vor allem auf Initiativen von Seiten der Regierung und des Königshauses, die eine vorsichtige Liberalisierung der Presse einleiten wollen. So hat das jordanische Parlament mit Einverständnis von König Abdullah II. am 2. November 2008 den „Höheren Medienrat“ abgeschafft. In der Praxis fungierte dieses Gremium als Trainings- und auch als Kontrollinstanz für Journalisten. Erklärte Strategie der jordanischen Regierung ist es, die Instanzen und Räte, die die Presse regeln, zu minimieren. Das Journalistentrainingscenter, welches der „Höhere Medienrat“ betrieben hatte, soll jetzt von der Jordanischen Pressegewerkschaft JPA weitergeführt werden. König Abdullah II. hat zudem mehrfach seine Unterstützung für die JPA erklärt und einen Ausbau der Presselandschaft in Jordanien gefordert.

Derzeit finden eine kritische Berichterstattung und eine kontroverse Diskussion in den jordanischen Medien praktisch nicht statt. Auch erscheint die Themenauswahl äußerst begrenzt und gezielt herausgesucht. Politische Diskussionen beschränken sich auf eine kleine intellektuelle Elite, während die breite Masse der Bevölkerung davon de facto unberührt bleibt. Das Soft Containment scheint derart in der Medienlandschaft und der Mentalität der Medienschaffenden verwurzelt zu sein, dass es nur schwer wahrgenommen wird. Auch wenn die Regierung formal eine Deregulierung der Presse anstrebt, wird sich substanziell wenig an der Selbstzensur ändern, so lange Reformen in diesem Bereich nur von oben angestoßen werden. Um mehr Pressefreiheit zu erreichen, müssen derartige Forderungen aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich kommen. Die Regierung muss jedoch gleichzeitig die zivilgesellschaftlichen Freiräume entstehen lassen, in denen sich solche Forderungen entwickeln können.

Die Studie des „Al Quds-Centers“ ist in diesen Zusammenhang gewiss ein Hoffnungsschimmer, die Probleme der jordanischen Pressefreiheit offen und kritisch darzustellen. Inwieweit die Regierung auf diese Kritik eingeht, bleibt abzuwarten, denn oberstes Ziel der Regierung bleibt nach wie vor die politische Stabilität des Landes. Angesichts fortschreitender Islamisierung der Region und auch Jordaniens fürchtet man von Regierungsseite die Auswirkungen einer unabhängige Presse- und Medienlandschaft. Denn die ungehinderte und unzensierte Verbreitung von Informationen islamistischer Herkunft könnte sich aus Sicht der Regierung destabilisierend auf das Land auswirken. So beschreitet Jordanien einen steinigen Weg zur Pressefreiheit. Dieser sieht zwar einerseits Reformen vor, dient aber auch der Garantie der innenpolitischen Stabilität. Die Regierung möchte zudem Traditionen achten und radikal islamistische Tendenzen bewusst unterdrücken. Eine unabhängige Medienlandschaft bleibt so weiterhin auf der Strecke.

Anregungen aus der Zivilgesellschaft sind in dieser Hinsicht nach wie vor viel zu selten. Die vorgelegte Studie ist ein erster wichtiger, aber auch gewagter Schritt, eine politische und kritische Diskussionskultur zu entwickeln, die für den demokratischen Prozess und die Pressefreiheit dringend erforderlich ist.

Die englischsprachige Studie kann auf der Homepage des „Al-Quds-Centers“ als PDF abgerufen werden: >>

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Dr. Wilhelm Hofmeister

Wilhelm.Hofmeister@kas.de

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