Russia’s War Against Ukraine: A Deep Dive with Harvard Professor Serhii Plokhii
Serhii Plokhii analysiert in diesem Video den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus der historischen Perspektive. Die Aufzeichnung entstand während der Veranstaltung am 2. Mai 2023 im Rahmen der Präsentation seines neuen Buches „The Russo-Ukrainian War: The Return of History“.
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Ein prall gefüllter Saal mitten im Prenzlauer Berg, ein überwiegend junges, internationales Publikum, ein neuer Kooperationspartner für die KAS, vor allem aber ein beeindruckender, eindringlicher Vortrag und eine engagierte Diskussion – die gemeinsame Veranstaltung von KAS und American Academy mit dem ukrainisch-amerikanischen Harvard-Professor Serhii Plokhii war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.
Begrüßt wurden die Teilnehmer der vom Leitungsstab der KAS und der Abteilung Publikationen/Bibliothek (WD) gemeinsam vorbereiteten Veranstaltung durch Dr. Michael Borchard, Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christlich-Demokratische Politik. Er brachte vor den gut 150 Teilnehmern seine Freude über die erstmalige Kooperation mit der renommierten American Academy zum Ausdruck, die sich hoffentlich zukünftig fortsetzen werde – ein Gedanke, den deren Präsident Benjamin Daniel in seinem Schlusswort positiv aufgreifen sollte. Borchard zitierte Konrad Adenauer, der historisches Wissen als entscheidende Voraussetzung für das Verständnis der Gegenwart und gutes politisches Handeln bezeichnet hatte. Insofern sei es höchst erfreulich, mit Serhii Plokhii einen der besten Kenner der ukrainischen Geschichte und der ukrainisch-russischen Beziehungen zu Gast zu haben.
Plokhii, Professor für ukrainische Geschichte, Direktor des Ukrainian Research Institute der Harvard University und Autor zahlreicher Werke zur Geschichte der Ukraine, legte in seinem Vortrag die Kernthesen seines neuesten Buches „The Russo-Ukrainian War: The Return of History“ dar. Das russische Narrativ in Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine und besonders auch die einschlägigen Äußerungen Wladimir Putins persönlich stellten einen Rückgriff auf großrussische Vorstellungen des 19. Jahrhunderts dar, wonach die Ukraine – wie auch Belarus – ureigenes russisches Territorium sei und keine eigene nationale Identität besitze. Bei der russischen Aggression handle es sich daher, so Plokhii sinngemäß, um einen Krieg, der mit den Ideologien des 19., den Strategien des 20. und den Waffen des 21. Jahrhunderts geführt werde. Begonnen habe er allerdings bereits im Jahr 2014 mit der Besetzung und anschließenden Annexion der Krim durch Russland. Dabei habe es sich nicht nur um eine völkerrechtswidrige Aggression gehandelt, das russische Vorgehen habe seither auf verschiedenen Gebieten auch zu deutlichen Veränderungen in der Ukraine geführt. So sei die Zahl der Befürworter einer Westorientierung des Landes seither deutlich angestiegen, habe das ukrainische National- und Eigenbewusstsein deutlich zugenommen und – nicht zuletzt – die ukrainische Armee sich mit westlicher Hilfe intensiv vorbereitet. All das habe zur für viele und besonders für Russland selbst überraschenden Widerstandsfähigkeit des Landes gegenüber dem Aggressor beigetragen.
Den Ausführungen Plokhiis schloss sich ein Gespräch mit dem Präsidenten der American Academy, Benjamin Daniel, an, ergänzt durch Fragen aus dem Publikum, in dem auch russische Zuhörer saßen, die aus ihrer Ablehnung Putins und seiner Politik keinen Hehl machten.
Gefragt, wie es mit dem Krieg seiner Meinung weitergehen und wann und wie er enden werde, wiederholte Plokhii eine bereits zu Beginn seines Vortrags in Anlehnung an ein berühmtes Zitat Winston Churchills gemachte Äußerung: Historiker seien die die schlechtesten Prognostiker, die es gebe – abgesehen von allen anderen. Voraussagen seien naturgemäß schwierig, es spreche aber vieles dafür, dass die entscheidenden Weichenstellungen auf dem Schlachtfeld erfolgen würden. Insofern werde nach der wenig erfolgreichen russischen Winteroffensive viel vom Ausgang der für die allernächste Zukunft erwarteten Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte abhängen. Sicher könne man sich hingegen sein, dass auch das russische Imperium – wie alle Imperien der Geschichte – keinen dauerhaften Bestand haben werde. Das Land, die Führung und die Bevölkerung würden lernen müssen, sich von Großmachtphantasien zu verabschieden. Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg.