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Leseprobe: Billige Krankheit – teure Gesundheit?

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Prof. Dr. Dr. Klaus Bergdolt

Billige Krankheit, teure Gesundheit? Verfolgt man die aktuelle

Diskussion zur „Gesundheitsreform“, die unter enormem politischem

und gesellschaftlichem Druck Möglichkeiten

einer künftigen Finanzierung des „Gesundheitswesens“

ausloten soll, gewinnt man nicht zu Unrecht den Eindruck,

dass die „Organisation des körperlichen und seelischen

Wohlbefindens möglichst vieler Menschen“, wie es seit dem

frühen 19. Jahrhundert den utilitaristischen Idealen der westlichen

Länder entspricht, für die Gesellschaft einen unbezahlbaren

Kostenfaktor darstellt. Die semantische Verführung,

welche die Debatte nicht unerheblich beeinflusst, ist

freilich bemerkenswert: Die Vorstellung des teuren Gesundheitssystems

scheint die absurde Vorstellung der teuren

Gesundheit zu suggerieren. Glaubt man jedenfalls einigen

Politikern und Lobbyisten, bedarf es nur weniger Umstrukturierungen

und Rationalisierungen, um das seit Jahrzehnten

hohe Niveau der bundesrepublikanischen Krankenversorgung

fortzusetzen. Vor allem zu Wahlkampfzeiten wird die

Kostenfrage – entgegen der Meinung der Mehrheit der Experten

– gerne marginalisiert. Als optimistisch stimmendes

Faktum wird herausgestellt, dass die Deutschen jährlich Milliarden

Euro für ihre „Wellness“ ausgeben, eine potentielle

Reserve, die man gerne den gesetzlichen Krankenkassen zukommen

lassen möchte. Geld sei jedenfalls genügend vorhanden.

Man müsse es nur sinnvoll verteilen, um auch bedürftige

Patienten „aufzufangen“. Darüber hinaus brauche

man sich, so die ermutigende, in Wirklichkeit politisch hochbrisante

Aussage, keine Sorgen zu machen.

Mitursache solcher Missverständnisse sowie vieler bewusster

und unbewusster Fehldeutungen der im Moment

so kritischen Lage war und ist ein raffinierter, aus ökonomischer

Not geborener Euphemismus, der bereits vor

Jahrzehnten zur Beruhigung der Bevölkerung geschaffen

wurde und heute die dramatische Zuspitzung der Lage kaschieren

soll. Man erfand, um die Organisation und Finanzierung

von Krankheitstherapien zu umschreiben, den Begriff

Gesundheitssystem. Dabei spürt jeder, vor allem der

Betroffene: Nicht der erstrebenswerte Gesundheitszustand

kostet Geld, sondern der Kampf gegen Leiden, Schmerzen

und Behinderung. Krankheiten können niemals billig

sein – weder für den Betroffenen noch für die Gesellschaft.

Das als Gesundheitssystem verharmloste Krankheitssystem

ist sozusagen von Natur aus kostspielig. Es wird hier

etwas gegeben, was aus der Sicht der Gesellschaft ohne Gegenleistung

bleibt oder – über Kassenbeiträge – nur teilweise

bezahlt werden kann, von Zahlungen nach marktwirtschaftlichen

Gesichtspunkten (etwa nach privater

Vereinbarung) einmal abgesehen, die künftig eine neue Bedeutung

erhalten werden. Jüngst in Aussicht gestellte,

wenn auch minimale Reduzierungen der Beiträge, welche

die Versicherten beruhigen und den Ernst der Lage verschleiern,

sind angesichts der dramatischen Perspektive

nicht nur paradox, sondern erscheinen, da dieselben Menschen

an anderer Stelle zur Zahlung gebeten werden müssen,

geradezu unmoralisch. Obgleich von fast allen Wirtschaftsexperten

mit guten Gründen z. T. drastische

Erhöhungen gefordert werden, wird immer wieder an beruhigenden

Versprechungen und an einem unkritischen Optimismus

festgehalten.

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