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国別リポート

Der gescheiterte Parteitag von „Nascha Ukraina“ in Donezk

Ralf Wachsmuth †, Dr. Juri Silvestrow

Ein Lehrstück in Sachen Demokratie auf Ukrainisch

Am 31. Oktober 2003, genau ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine, wurde der ukrainischen und internationalen Öffentlichkeit anläßlich eines geplanten Parteitags des oppositionellen Bündnisses „Nascha Ukraina“ in Donezk ein Trauerspiel in Sachen Demokratieverständnis aufgeführt. Hatte Präsident Kutschma vor einigen Wochen auf dem Höhepunkt der Tusla-Krise noch stolz feststellen können, dass jeder Meter russischen Damms die Ukraine näher an die Europäische Union heranrücken läßt, so ist nach den gewalttätigen Ausschreitungen in Donezk mühsam gewonnenes Terrain wieder verloren gegangen und dem Image der Ukraine ein gewaltiger Schaden zugefügt worden.

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Gewalt statt Argumente. Der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus.

Am 31. Oktober sollte in Donezk ein ordentlicher allukrainischer Parteitag des Bündnisses „Nascha Ukraina“ stattfinden. Doch das normalerweise als gastfreundlich bekannte Donezk wurde an jenem schwarzen Freitag für die ukrainische Demokratieentwicklung seinem guten Ruf ganz und gar nicht gerecht.

Bereits am Flughafen in Donezk wurden der Fraktionsvorsitzende von „Nascha Ukraina“ und aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat Viktor Juschtschenko, seine Delegation und internationale Gäste von einer großen, grölenden Menschenmenge in Empfang genommen, die gegen ihn und sein Wahlbündnis protestierten. Um ein direktes Zusammentreffen mit der aufgeheizten Menge zu meiden, versuchten die Gäste aus Kiew einen anderen Ausgang des Flughafens zu benutzen. Dieser war jedoch zugeschweißt. Nur mit Mühe gelang es den Politikern und Gästen den Flughafen zu verlassen, um mit einem Bus zu der weiträumig von Polizei und Miliz abgesperrten Kongreßhalle zu fahren, wo der Parteitag stattfinden sollte. Dort angekommen stellte sich jedoch heraus, dass der Saal bereits von zum großen Teil betrunkenen jungen Leuten besetzt war, die niemandem Einlaß gewährten. „Da waren anderthalb tausend Personen, die reichlich mit Bier und Wodka bewirtet wurden“, schreibt die Zeitung „Jug“. Neben der Kongreßhalle stand eine Menschenmenge, die Anti-Juschtschenko Parolen skandierte. Ab und zu wurden die Abgeordneten von „Nascha Ukraina“ sogar mit Steinen beworfen. Die großen Werbeflächen auf dem Weg in die Stadt waren in diffamierender und beleidigender Absicht mit Karikaturen von Juschtschenko in Nazi-Uniform beklebt, und auf Transparenten wurden die Anhänger von „Nascha Ukraina“ als „Naschisten“ bezeichnet.

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Alle Bemühungen von „Nascha Ukraina“,die Kongreßhalle räumen zu lassen, um doch noch den Parteitag wie geplant durchführen zu können, waren erfolglos. Selbst der Versuch, ein klärendes Gespräch mit dem Gouverneur von Donezk Anatolij Blisnjuk zu führen, erwies sich als schwierig. Von seinem Sekretariat wurde die Auskunft erteilt, er sei gar nicht in der Stadt. Dennoch begaben sich Juschtschenko und seine Anhänger zum Büro des Gouverneurs und trafen ihn in seinem Arbeitszimmer an. Im Gespräch sagte er, dass er die Situation in der Stadt nicht beeinflussen könne. Außerdem seien die Kundgebungen ein „Zeichen von Demokratie“ und er betrachte sie deswegen nicht als Problem.

Da „Nascha Ukraina“ ihren Parteitag nicht wie geplant in der Kongreßhalle durchzuführen konnte, wurde von ihren Anhängern spontan eine Kundgebung unter freiem Himmel organisiert.

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Anmerkung: Auf den Plakaten (oben und unten links), die Juschtschenko als Nazi darstellen, steht geschrieben „Juschtschenko für die Reinheit der Nation“. Unten rechts: Ein junger Mann hält ein Plakat mit dem Slogan „Nazismus – Nein“.

Die Drahtzieher hinter den Kulissen

Nach Meinung von Beobachtern gibt es kaum einen Zweifel, dass die Provokationen in Donezk nicht Ausdruck eines spontan Protestes sondern vielmehr generalstabsmäßig vorbereitet waren. In Gesprächen mit Journalisten gaben einige Studenten, die an der Demonstration gegen die Veranstaltung von „Nascha Ukraina“ teilgenommen hatten, zu, auf Anweisung ihrer Lehrer gehandelt zu haben. Würden sie ihre Teilnahme an der Anti-Juschtschenko Kampagne verweigern, müßten sie möglicherweise mit Problemen bei ihren Prüfungen rechnen. Einige Demonstranten bestätigten, für ihre Teilnahme an den Aktionen entlohnt worden zu sein. Wie in der Zeitung „Jug“ zu lesen war, gab es unter den Demonstranten auch viele Händler von einem in der Nähe der Kongreßhalle befindlichen Markt. Als „Belohnung“ für ihre Teilnahme sollten sie drei Tage lang von den Standgebühren befreit werden. Über die Anti-Juschtschenko Plakate schreibt das Blatt, dass diese in der Nacht vor der Einreise von Juschtschenko unter den Augen der Polizei über die Stadt verteilt aufgehängt wurden. Des weiteren verkehrten am Morgen des 31. Oktobers so gut wie keine Linienbusse in der Stadt. Diese wurden eingesetzt, um die Donezker Anti-Juschtschenko Demonstranten zunächst zum Flughafen und später zur Kongreßhalle zu bringen. Die Miliz beschränkte ihre Tätigkeit auf die Beobachtung der Ereignisse, ohne sich direkt einzumischen.

Die unabhängigen Medien und Beobachter sind sich einig, dass Drahtzieher am Werke waren mit der Absicht, den Parteitag von „Nascha Ukraina“ zum Scheitern zu bringen. „Dabei ist es nicht wichtig, inwieweit es sich um die Erfüllung einer Anweisung aus Kiew durch die Donezker Behörden handelte. Tatsache ist, dass auf dem Sessel des Gouverneurs der ehemalige Stellvertreter von Premierminister Janukowitsch sitzt“, meint die „Ukrainska prawda“.

„Wenn dieser über die Unregelmäßigkeiten in seiner Heimatstadt (der Premier stammt aus Donezk) nichts weiß, dann zeugt es zumindest von einem Kontrollverlust. Wenn aber dieser Zirkus auf seinen Befehl hin oder zumindest mit seiner Billigung stattfand, werfen diese Ereignisse ein bezeichnendes Bild auf ihn als zukünftigen Präsidentenkandidaten“. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass für viele Experten gerade der Premier Janukowitsch als derjenige Kandidat für das Präsidentenamt gilt, der von den derzeitigen herrschenden politischen Kräften Ende Oktober nächsten Jahres ins Rennen gegen Juschtschenko geschickt werden könnte. „Der 31. Oktober 2003 in Donezk ist die Ukraine unter Präsident Janukowitsch“, befürchtet die Internetzeitung.

Ein weiterer Hinweis, dass die Protestaktionen gegen „Nascha Ukraina“ nicht spontan erfolgten, sondern langfristig geplant waren, fand sich in der Zeitung „Ukraina moloda“. Die Zeitung veröffentlichte ein Papier, das angeblich aus dem Präsidialamt der Ukraine an die ukrainischen Gouverneure verschickt worden sei. Es beginnt mit Worten: „Um die gesellschaftlich-politische Resonanz der vom Bündnis „Nascha Ukraina“ organisierten Foren zu minimieren, halten wir für notwendig...“

Und nun werden konkrete Maßnahmen aufgelistet, die getroffen werden sollen für den Fall, dass die Opposition eine große Veranstaltung plant, wie z.B. „Zwei Wochen vor dem Forum ist ein Stab mit einem stellvertretenden Gouverneur an der Spitze zu bilden, um Informationen über die Handlungen der Forumsveranstalter zu sammeln und einen konkreten Gegenplan zu erarbeiten“.

Es wird ferner geraten, „Statistengruppen“ zu organisieren, die möglichst viele Plätze im Veranstaltungssaal besetzen sollen. Den Statisten sollen vorformulierte und möglichst provozierende Fragen an die Hand gegeben werden, mit denen Juschtschenko direkt konfrontiert werden soll.

Auch die Massenmedien von Donezk wurden in den Kampf gegen das Bündnis „Nascha Ukraina“ einbezogen. „Im Fernsehen und Zeitungen von Donezk wird Juschtschenko als zweitrangiger Politiker dargestellt, der in dem vorwiegend russischsprachigen Donbass nationalistische Ideen propagieren will“, schreibt die Internetzeitung „Ukrainska prawda“. Politische Rivalen von Juschtschenko malten in den Medien das Gespenst von der Teilung der Ukraine in einen ukrainischsprachigen westlichen und einen russischsprachigen östlichen Teil an die Wand, sollte Juschtschenko aus den Wahlen als Sieger hervorgehen.

Der folgende Aufruf des „Rates für Verteidigung und Sicherheit von Donbass“ und die darin verwandte Wortwahl vermittelt einen Eindruck von den Emotionen, die schon jetzt, ein Jahr vor den Wahlen, geschürt werden und die nichts Gutes für die eigentliche heiße Wahlkampfphase ab Sommer nächsten Jahres erahnen lassen:

„Brüder und Schwestern Mitbürger! In dieser Zeit der Todesgefahr für unsere Bergbauarbeitergegend wenden wir uns an Sie mit dem Aufruf, am 31. Oktober zur Kongreßhalle „Junost“ um 10.00 Uhr zu kommen, um dem Juschtschenko-Pack, dem national-faschistischen Abschaum entgegenzuwirken, der zu uns kommt, um unsere Freiheit, Unabhängigkeit und Ehre von Donbass zu vernichten. Nur das Volk kann uns alle vor ukrainischem Faschismus, gewaltsamer Ukrainisierung, Armut, Hungersnot und Rechtlosigkeit schützen. Raus mit der Juschtschenko-Bande!“

Die Opfer werden zu Tätern oder: Wer sich in Gefahr begibt....

Opposition und Regierung kommen, was die Bewertung der Ereignisse in Donezk betrifft, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Premierminister Janukowitsch selbst äußerte sich auf einer Pressekonferenz zu den Ereignissen in Donezk wie folgt: „Die Vertreter des Bündnisses „Nascha Ukraina“ sollten verstehen, dass ein Teil der Bevölkerung ihre Haltung nicht teilt“.

Und mit Blick auf die im Wahlkampf zu erwartenden harten Auseinandersetzungen gab er den oppositionellen Politikern den Rat mit auf den Weg, sich „gut mit Pampers-Windeln zu versorgen“. Dann fügt er noch hinzu: „Die Vertreter von „Nascha Ukraina“, die sich ins Gebiet Donezk begeben haben, sollten zunächst dort die Temperatur messen, bevor sie sich die Finger verbrennen.“

Präsident Kutschma nannte den Versuch von „Nascha Ukraina“, einen Parteitag ausgerechnet in Donezk durchzuführen, „wo die Fraktion etwa 3% der Wählerstimmen auf sich vereint, für eine politische Provokation“. „In welchem Land - diese Frage habe ich sowohl an Europäer als auch an Amerikaner gestellt - fängt man mit einer Wahlkampagne ein Jahr vor der Kandidatenaufstellung an? Ist es nicht eine politische Provokation?“ – fragte das Staatsoberhaupt. Juschtschenko sei bei der Wahl von Donezk für den Parteitag schlecht beraten gewesen und riet ihm in Zukunft „zuerst nachzudenken und erst dann zu handeln.“

Nach Meinung von Raisa Bohatyrjowa, Vorsitzende der Parlamentsfraktion „Regionen der Ukraine“, markierte der Parteitag in Donezk bereits zu einem viel zu frühen Zeitpunkt den Beginn des Präsidentschaftswahlkampfs. Er verstößt damit gegen das Wahlgesetz der Ukraine und wäre folglich ein Fall für eine Überprüfung durch die Zentrale Wahlkommission. Außerdem hält sie es für „unmoralisch, grundlos und unanständig“, Regierungsstellen der Einmischung in die Ereignisse von Donezk zu bezichtigen.

Aus Sicht von Juschtschenko stellt sich die Situation natürlich völlig anders dar: „Die Donezker Ereignisse haben mich überzeugt, dass Donezk eine der ukrainischen Reservationen ist, wo es keinen Platz für die Demokratie gibt“. Für ihn besteht kein Zweifel, dass die Staatsmacht ihre Finger im Spiel hatte und er beantragte die Einsetzung einer Untersuchungskommission und die Befragung aller verantwortlichen Minister, des Leiters des Sicherheitsdienstes und die Leitung der lokalen Verwaltungen.

Am 7. November ordnete der Parlamentspräsident der Werchowna Rada Wolodymyr Litwin die Einsetzung einer parlamentarischen Arbeitsgruppe zur Aufklärung der Ereignisse in Donezk an. Am 10. November fand eine Sitzung der drei Ausschüsse statt, die die Wahrheit um die Ereignisse ans Tageslicht fördern sollte, doch die Mitglieder der pro-präsidentiellen Mehrheit verließen aus Verärgerung über die ihrer Meinung nach einseitige Berichterstattung die Sitzung. Ein Vertreter der vereinigten Sozialdemokraten, Nestor Schufrytsch, fügte hinzu, dass nach Meinung der Mitglieder seiner Fraktion in Donezk nichts Ungewöhnliches, sondern „ganz einfach eine politische Auseinandersetzung“ stattgefunden habe.

Ganz im Gegensatz dazu die Kommentare aus dem westlichen Ausland. Nur wenige Tage nach dem gescheiterten Parteitag brachte die dutsche Botschaft ihre große Sorge über die Umstände in Donezk in einer Pressemitteilung zum Ausdruck, in der es u.a. hieß, dass sich die „Ukraine unterhalb des Minimums an europäischen demokratischen Standards bewegt“. Auch der Botschafter der USA in der Ukraine, John Herbst, fand für einen Diplomaten ungewöhnlich deutliche Worte, indem er verlauten ließ: „Die Menschen in Donezk sind berechtigt, alle Standpunkte zu hören. Ich habe verstanden, dass „Nascha Ukraina“ keine Möglichkeit hatte, eine Veranstaltung frei durchzuführen und mit den Wählern zu kommunizieren. Das ist eine Niederlage für die Demokratie in der Ukraine“.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei schloss sich der Kritik an und forderte die Europäische Union, den Europarat und die OSZE auf, ihren Einfluß geltend zu machen und sicherzustellen, dass die normalen Standards demokratischen Verhaltens eingehalten werden. EVP- Präsident Martens machte deutlich, dass „sich die Ukraine durch solche undemokratischen Verfehlungen nicht an die Europäische Union annähert“.

Juschtschenko und seine Wahlallianz sind mit ihrer Entscheidung, den Parteitag ausgerechnet in einer Region abzuhalten, in der ihre Wählerbasis sehr dünn und der Organisationsgrad niedrig sind und von der gleichzeitig bekannt ist, dass auf der Gegenseite die pro- präsidentiellen Kräfte eng mit den sogenannten „administrativen Ressourcen“ zusammenarbeiten, ein großes Risiko eingegangen. Wenn ein Parteitag dem Ziel dienen sollte, ein positives Bild vom Spitzenkandidaten und seiner Wahlallianz zu zeichnen und Eindruck eines Schulterschlusses mit der Bevölkerung zu vermitteln, dann ist dieses Ziel verfehlt worden.

Bestand das Interesse der Organisatoren dieses Ausflugs in „Feindesland“ aber darin, die Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Medien zu erringen, die eigenen Schwächen zu überdecken und die politische Auseinandersetzung vom Parlament in die Öffentlichkeit zu verlagern, wurde dieses Ziel dank tatkräftiger und in demokratischem Sinne nicht hinnehmbarer „Unterstützung“ durch die lokalen Behörden erreicht.

Bleibt allerdings die Frage offen, was der gewöhnliche ukrainische Bürger von solchen Manövern hält angesichts von Arbeitslosigkeit, Inflation bei gleichzeitiger Absenkung (!!) des staatlich festgesetzten Mindestlohns, Umweltproblemen und Niedergang des ohnehin nicht üppig ausgeprägten Sozialsystems in der Ukraine.

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担当者

Gabriele Baumann

Gabriele Baumann

Leiterin des Projekts Nordische Länder

gabriele.baumann@kas.de 0046 8 6117000

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このシリーズについて

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Sankt Augustin Deutschland