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カントリーレポート

Regierungswechsel in Tschechien: eine Demokratieprobe?

Dr. Marco Arndt, Alena Reslová, Martina Beránková

Andrej Babiš kehrt dank der Einbeziehung von Rechtsextremisten ins Amt des Premierministers zurück.

Am 15. Dezember wurde die neue Regierung von Premierminister Andrej Babiš (Bewegung ANO) vom tschechischen Präsidenten Petr Pavel ernannt. Bereits zum dritten Mal wird Andrej Babiš so Premierminister Tschechiens, aber zum ersten Mal dank der Zusammenarbeit mit der rechtsextremistischen Antisystempartei SPD (Freiheit und Direkte Demokratie). Als dritter Koalitionspartner kommt die populistisch-konservative Partei der Motoristen hinzu. Mit 108 Stimmen hat die neue Regierung eine sichere Mehrheit im Prager Abgeordnetenhaus. Die Vertrauensabstimmung im Parlament wird im Januar stattfinden. Dieser Machtwechsel hat weit über Tschechien hinaus Bedeutung: Für Mitteleuropa stellt sich die Frage, ob Prag künftig stärker den Kurs Brüssels oder jenen von Budapest einschlagen wird. Gleichzeitig könnte die neue Regierung zu einem Belastungstest für die demokratischen Institutionen des Landes werden, die in den vergangenen Jahren bis heute stabile Säulen der politischen Ordnung sind.

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Der Weg zu einer Koalitionsregierung war für Andrej Babiš nicht einfach. Der Gründer des milliardenschweren Agrar- und Chemiekonzerns Agrofert stand nach dem Wahlsieg im Oktober 2025 vor dem Problem, den eklatanten Interessenskonflikt als Premierminister und Konzernchef zu lösen. Bereits in seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 hatten tschechische Gerichte geurteilt, dass Babiš diesen Interessenkonflikt um Agrofert nicht gelöst habe und der Konzern daher EU-Fördergelder nicht hätte bekommen dürfen. So hatte Präsident Pavel dieses Mal ausdrücklich verlangt, dass Babiš öffentlich erkläre, wie er mit dem Interessenkonflikt umgehen wolle, um keine rechtlichen Bedenken bei der Ernennung hervorzurufen. Babiš überträgt nun seine Anteile an Agrofert auf eine unabhängige Treuhändergesellschaft (Trust-Modell), die das Unternehmen führt. Seine potentiellen Erben erhalten den Besitz erst nach dem Ableben von Babiš, so dass eine familiäre Einflussnahme ausgeschlossen scheint. Babiš selbst erklärte, auch nach dem Ende seiner politischen Laufbahn nicht in das Unternehmen zurückkehren zu wollen.

 

Ministermischung aus Politikern und Experten

Die neue Regierung besteht aus 16 Ministerien einschließlich des Premierministers, wobei ANO neun Ministerien besetzt, die SPD drei und die Motoristen vier. Interessanterweise steht die rechtsextremistische SPD politisch im Hintergrund, obwohl sie bei der Wahl ein besseres Ergebnis als die Motoristen erzielt hatte. Sie bekam weniger Ministerposten (Verteidigung, Landwirtschaft, Verkehr) und als „ihre Minister“ wurden Experten und nicht SPD-Politiker ernannt. Es gibt Spekulationen, dass die SPD-Kandidaten maßgeblich von Andrej Babiš ausgewählt wurden.

 

Europapolitik: nur ein Kurswechsel in der Rhetorik?

In der Europapolitik kündigt die neue Regierung in manchen Bereichen einen Richtungswechsel an. Die Ablehnung des Euro - obwohl dieser nach den EU-Verträgen verpflichtend eingeführt werden muss - soll verfassungsrechtlich verankert werden, ebenso das Recht auf Bargeld. Diese Schritte haben vor allem symbolischen Charakter: Sie betonen nationale Souveränität und markieren eine größere Distanz zur vertieften europäischen Integration.

In der Migrationspolitik positioniert sich die Regierung deutlich in Richtung Ungarn. Der EU-Migrationspakt wird abgelehnt, also auch verpflichtende Umverteilungsmechanismen von Geflüchteten. Besonders weitreichend sind die Pläne im Bereich Klima und Energie. Der europäische Green Deal wird abgelehnt und seine Abschaffung gefordert. Tschechien soll das neue Emissionshandelssystem ETS2 nicht einführen, stattdessen fordert die Regierung eine Abschaffung oder zumindest eine langfristige Verschiebung auf EU-Ebene über das Jahr 2028 hinaus. Zugleich fordert die Regierung eine Revision der EU-Klimaziele und setzt verstärkt auf Kernenergie. Hintergrund dieser Forderungen sind Wettbewerbsfähigkeit, Energiepreise und die zu vermeidende Belastung privater Haushalte.

Inwieweit sich dieser angekündigte Kurswechsel in der tatsächlichen tschechischen Europapolitik widerspiegeln wird, bleibt offen. Klar ist aber, dass Babiš die Europapolitik Tschechiens stärker unter seine Kontrolle bringen möchte. Daher wird er bereits im Dezember an der Sitzung des Europäischen Rates teilnehmen. Doch als Geschäftsmann ist er sich bewusst, dass die Europapolitik auf Koalitionsbildung und Kompromissbereitschaft angelegt ist. Ob das Bekenntnis zu einer intensiveren Zusammenarbeit der Staaten der Visegrad-Gruppe hierzu ein erster Schritt ist, steht dahin. Die erste Arbeitsreise machte der neue Premierminister jedenfalls nach Brüssel, wo er sich mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und dem Präsidenten des Europäischen Rates, António Costa traf.

 

Machtspiel zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister: Außen- und Verteidigungspolitik

In der Ukraine-Politik verzichtet die Regierung auf eine explizite Zusage militärischer oder finanzieller Unterstützung. Zwar wird die nationale Sicherheit betont und die Erfüllung der NATO-Verpflichtungen zugesichert, doch die bisherige klare proukrainische Linie wird sich wahrscheinlich abschwächen: So äußert sich die Regierung kritisch zur erfolgreichen tschechischen Munitionsinitiative und fordert zusätzliche Audits – obwohl die finanzierenden Staaten bereits Prüfungen durchgeführt haben und keine Unregelmäßigkeiten fanden. Außerdem wird Andrej Babiš wohl die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte zur Unterstützung der Ukraine ablehnen – mit Verweis auf mögliche Haftungsrisiken für Tschechien.

Die NATO bleibt ein zentraler Pfeiler der tschechischen Sicherheitspolitik. Verpflichtungen sollen erfüllt werden, jedoch abhängig von nationalen Sicherheitsinteressen und finanziellen Möglichkeiten. Die Regierung plant die Armee zu modernisieren. Dazu gehören Investitionen in Cyberabwehr, Luftverteidigung und moderne Waffensysteme. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ist nicht vorgesehen, jedoch soll die aktive Reserve ausgebaut werden.

Die Außen- und Sicherheitspolitik könnte durchaus zu einem Machtspielfeld zwischen Präsident Petr Pavel und Premierminister Andrej Babiš werden. Bereits während der Zeit zwischen den Parlamentswahlen und der Regierungsernennung setzte der Präsident starke Akzente für eine Kontinuität der pro-europäischen und transatlantischen Ausrichtung es Landes. Er machte ein Bekenntnis zu ihr zur Bedingung für die Ernennung der neuen Regierung! Auch stellte sich der Präsident kritisch zu dem von den Motoristen vorgeschlagenen Kandidaten für den Posten des Außenministers. Am Ende wurde Filip Turek, der durch rassistische und sexistische Äußerungen aufgefallen war, nicht ins Kabinett berufen. Er hatte seine Kandidatur aus Krankheitsgründen zurückgezogen.   

 

Eine neue Welle der Staatsverschuldung?

Die Regierung strebt eine Rückkehr zu ausgeglichenen Haushalten und einem Defizit unter drei Prozent des BIP an. Experten äußern jedoch große Zweifel an der Realisierbarkeit, denn die Ausgaben sollen steigen: Die Regierung plant eine Ausweitung der Familienförderung, Investitionen in sozialen Wohnungsbau und eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Ein nationaler Investitionsplan umfasst zahlreiche Projekte in Verkehr, Energie und Digitalisierung, darunter der Ausbau neuer Kernkraftwerksblöcke und die Modernisierung des Stromnetzes. Die Höhe der kommenden Haushaltseinnahmen ist fraglich – die Regierung setzt auf Wirtschaftswachstum und eine erfolgreiche Bekämpfung der Schattenwirtschaft. Gleichzeitig verpflichtet sich die Koalition, keine Steuern zu erhöhen und die Körperschaftsteuer auf 19 Prozent zu senken.

Statt generationengerechter Lösungen droht laut Experten eine Politik, die künftige Haushalte massiv belastet und die langfristige Tragfähigkeit des Systems gefährdet. Ein Beispiel – das Rentensystem. Die neue Regierung plant, die von der Vorgängerregierung beschlossene Rentenreform weitgehend rückgängig zu machen. Vorgesehen ist die Abschaffung der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters über 65 Jahre hinaus bis 67 sowie die Rücknahme der strengeren Regeln für die jährliche Rentenanpassung. Auch die geplanten Kürzungen bei vorzeitigen Renten sollen entfallen. Im Haushaltsbereich erschwert dies die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen erheblich – die Rentenausgaben, die bereits jetzt ein Drittel des gesamten Staatshaushaltes ausmachen, werden steigen.

 

Angriff auf öffentlich-rechtliche Medien und NGOs

In der Regierungserklärung lassen sich mehrere Bereiche erkennen, die die liberal-demokratische Ausrichtung gefährden können, darunter die öffentlich-rechtlichen Medien und NGOs.

Die Regierungskoalition strebt eine grundlegende Reform der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien an. Die Partei ANO fordert die Abschaffung der Rundfunkgebühren und möchte Fernsehen und Rundfunk künftig über eine staatliche Medienholding finanzieren. Die Opposition warnt vor politischer Einflussnahme und einer Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit. Innerhalb der Koalition besteht jedoch noch keine Einigung über die konkrete Ausgestaltung. Kulturminister Oto Klempíř (Motoristen) kündigte eine „große Debatte“ an und räumte ein, dass die Frage der Gebühren weiterhin offen ist. Diskutiert wird, ob die Gebühren vollständig abgeschafft oder reformiert werden sollen – etwa durch eine Anpassung an die Haushaltsgröße oder eine Integration in andere Abgaben.

Hinsichtlich der Aktivitäten der Nichtregierungsorganisationen kündigt die Regierung Maßnahmen an, die starke Ähnlichkeiten mit Gesetzgebungen in Ungarn und Russland aufweisen. Dazu gehören ein Transparenzregister für staatliche Zuschüsse oder eine Kennzeichnungspflicht für politisch aktive NGOs mit ausländischer Finanzierung. Politische NGOs sollen keinen Zugang zu Schulen und Bildungseinrichtungen erhalten. Inwieweit diese politischen Vorhaben umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Der neue Bildungsminister Robert Plaga (ANO) erklärte bereits, dass er zahlreiche Aktivitäten von NGOs im Bildungsbereich positiv einschätzt.

 

Ausblick: Demokratieprobe?

Die tschechische Demokratiearchitektur verfügt über zahlreiche „Bremsen und Gegengewichte“. So wird die Politik der Regierung nicht nur durch den Präsidenten, sondern auch den Senat und das Verfassungsgericht ausbalanciert und kontrolliert. Eine wichtige Aufgabe spielt auch die pluralistische Medienlandschaft sowie die aktive Zivilgesellschaft, die seit der demokratischen Wende als starke Demokratie-Leuchttürme gelten. Ob die Stärke und die Stabilität der tschechischen Demokratie tatsächlich durch die neue Regierung auf die Probe gestellt werden, bleibt abzuwarten.

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お問い合わせ Dr. Marco Arndt
Marco Arndt
Leiter der Auslandsbüros Tschechien und Slowakei
marco.arndt@kas.de

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