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Dezentralisierung „Jenseits von Afrika“

Die Lücke in Kenia zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit

In Kenias neuer Verfassung von 2010 stellt die Verankerung dezentraler Regierungsstrukturen einschließlich der Partizipation der Bürger auf lokaler Ebene ein Kernelement dar. Doch Papier ist geduldig: Versprochen wurde von Seiten der Politik viel, die Erwartungen waren enorm hoch. Gute fünf Jahre später hat die Realität Einkehr gehalten.

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Als sich im August 2010 68 Prozent der Kenianer für die neue Verfassung aussprachen, sollte dieses Referendum nicht nur ein Musterbeispiel für demokratische Entscheidungsprozesse sein, sondern auch der Aufbruch zu neuen Ufern: das verstaubte, postkoloniale zentralistische System von sieben Provinzen und dem Hauptstadtdistrikt Nairobi gehörte zukünftig der Geschichte an. Neu entstanden 47 weitestgehend autonome Counties (Bezirke). Die Verfassung hat hierzu eine Reihe von Politikfeldern festgelegt, in denen die Counties unabhängig von der nationalen Ebene verwaltet werden. Die Counties sollen über eigene finanzielle Mittel verfügen, um dadurch mehr Entwicklung und Selbstbestimmung in die einzelnen Regionen Kenias zu bringen. Ohne Zweifel stellt der kenianische Dezentralisierungsprozess weltweit eines der ehrgeizigsten Reformvorhaben in diesem Bereich dar. „Devolution“ (so heißt das umfangreiche Dezentralisierungsvorhaben in Kenia ) soll vor allem aufgrund der in der Verfassung vorgesehenen zahlreichen Partizipationsmöglichkeiten der Bürger auf lokaler Ebene, immense positive Auswirkungen auf die kenianische Bevölkerung haben und damit einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leisten. Zweifelsohne war der Auftakt vielversprechend: Am 4. März 2013 wurden die Bürger Kenias erstmals – neben der Wahl eines neuen Präsidenten – auch dazu aufgerufen, in jedem der 47 Counties einen Senator zu bestimmen, einen Gouverneur (steht der Exekutive vor) sowie eine Frauenvertreterin und ein County-Parlament zu wählen. Somit wurden dezentrale Regierungsstrukturen durch den Wahlakt erstmals formal zementiert. Ein historisches Ereignis! Soweit so gut. Doch warum ist die Wahrnehmung bezüglich des Dezentralisierungsprozesses im Jahre 2016 eine andere? Warum besteht zwischen der Verfassungsnorm (u.a. strukturelle Verankerung dezentraler Regierungsstrukturen in der Verfassung sowie Wahl von Vertretern der sub-nationalen Ebene) und der tatsächlichen Verfassungswirklichkeit noch eine erhebliche Kluft? Was sind Gründe dafür, dass der gesamte Prozess eher schleppend verläuft? Wo liegen die Risiken und Herausforderungen?

Wer viel verspricht und wenig hält - und sich dabei noch bereichert…

Wenn dieser Tage Kenias Oppositionsführer Raila Odinga öffentlich erklärt, dass „der Dezentralisierungsprozess in Kenia unsichtbare, aber dafür umso mächtigere Gegner habe“, ist dies mehr als parteipolitische Rhetorik. Fakt ist, dass der zum großen Teil fehlende politische Wille der Nationalregierung zur Übertragung von Kompetenzen und vor allem finanziellen Ressourcen auf die County-Ebene ein großes Hindernis für das Gelingen des Dezentralisierungsvorhabens darstellt. Ein weiteres Augenmerk gilt der Arbeit der 47 „County Commissioner“. Diese wurden vor dem Hintergrund der früheren zentralistischen Regierungsstrukturen durch die Zentralregierung in die Regionen des Landes entsandt, um vor Ort die Interessen Nairobis wahrzunehmen – und haben auch nach 2010 (!) ihre Position in den Counties gehalten. Somit haben sich Parallelstrukturen etabliert, die die Wirksamkeit dezentraler Strukturen untergraben. Es verwundert nicht, dass in vielen Counties das Verhältnis zwischen „County Commissioner“ und demokratisch gewähltem Gouverneur von gegenseitigem Misstrauen oder gar offener Feindseligkeit geprägt ist.

Erschwerend kommt hinzu, dass von Seiten der Politik der Bevölkerung in den Counties im Zuge des Dezentralisierungsprozesses viel versprochen wurde: mehr Jobs, bessere Straßen, ein funktionierendes Gesundheitssystem, die verbesserte Erbringung von Dienstleistungen und vieles mehr. Doch wer viel verspricht und wenig hält, kann am Ende nur Enttäuschung und Frust hervorrufen. Doch sind Versprechen von Politikern, insbesondere im Vorfeld von Wahlen, nun wahrlich kein typisch kenianisches Phänomen. Es muss also noch weitere Gründe geben.

Eine generelle Antwort darauf liegt in der Erkenntnis begründet, dass ein Dezentralisierungsprozess immer mit einer Verschiebung von Machtressourcen einhergeht: sei es in Form von politischem Einfluss oder ganz konkret im Zusammenhang mit der Verteilung von (finanziellen) Mitteln. Im Idealfall sollen gemäß der Verfassung die Counties selbst darüber entscheiden dürfen, wie die ihnen zugewiesenen Gelder am besten vor Ort eingesetzt werden können. In einem Land, in dem Ämterpatronage, Korruption und Bereicherung der politischen Machteliten zur Tagesordnung gehören, ist das ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Auch musste die für den Bereich „devolution“ zuständige Fachministerin Ende 2015 wegen Vorwürfen von Korruption und Vetternwirtschaft in ihrem Ministerium von ihrem Amt zurücktreten – gute Regierungsführung sieht anders aus! Vor allem kommt es insbesondere bei der Übertragung finanzieller Ressourcen an die County-Ebene zu Problemen zwischen der Nationalregierung und den einzelnen County-Regierungen. Vor allem von Seiten der Opposition wird der Regierung vorgeworfen, regierungsfreundliche Gouverneure und County-Regierungen bei der Zuweisung finanzieller Mittel in erheblichem Maße zu bevorzugen. Wenn sich die Machtfrage im Zusammenhang mit Verteilungsfragen stellt, kann dies schnell den Prozess der Dezentralisierung verlangsamen oder gar hemmen. Auch kann es am Ende kein befriedigendes Ergebnis sein, wenn sich im Zuge von Dezentralisierungsprozessen die im Land herrschende Korruption lediglich von einer staatlichen Ebene auf 47 kleinere ausdehnt. Somit stellt der erfolgreiche Kampf gegen die in Afrika immer noch ausufernde Korruption eine wesentliche Voraussetzung für ein Gelingen des Dezentralisierungsprozesses dar. Devolution und good governance gehen Hand in Hand.

Information ist der Schlüssel für Partizipation

Der Umsetzungsprozess der Dezentralisierung und deren praktische Herausforderungen bestimmen auch deshalb weiterhin die öffentliche Debatte in Kenia, da zum einen die staatlichen Akteure (noch) nicht über fundiertes Wissen über die neuen verfassungsrechtlichen Regelungen verfügen und zum anderen die Bürger aus unterschiedlichen Gründen nicht ausreichend in den politischen Prozess der „devolution“ einbezogen sind. Fakt ist: Die mangelnde Partizipation bzw. Einbindung der Zivilgesellschaft sowie die größtenteils fehlende politische Aufklärung über den Dezentralisierungsprozess ließ in der Umsetzung der neuen Verfassung wertvolle Zeit verstreichen. In diesem Kontext sei auch nicht unerwähnt gelassen, dass selbst ein großer Teil der gewählten Volksvertreter in den lokalen Parlamenten (den sog. „County-Assemblies“) aufgrund mangelnder Schulbildung nicht in der Lage ist, die ihnen vorgelegten Dokumente zu lesen, zu verstehen und daraus eigene politische Positionen oder gar Gesetzesvorlagen zu entwickeln. Nun sei an dieser Stelle auch die Frage berechtigt, wie damit die Parlamentarier auf County-Ebene die ihnen zugewiesene Kontrollfunktion der County-Regierung wirkungsvoll wahrnehmen sollen. Nebenbei entsteht hier also auch noch ein eklatantes Demokratiedefizit.

Starke Counties – starkes Land?

Obwohl die kenianische Verfassung auf dem Papier klar festgelegt hat, welche Kompetenzen und Politikfelder (und zu welchen Anteilen) zukünftig in den Aufgabenbereich der Counties fallen (sollen), kommt es dennoch oftmals zu Unklarheiten bezüglich der Zuständigkeiten und in der Folge zu „blame shifting“ zwischen den beiden Ebenen. Die Leidtragenden sind am Ende die Bürger, die beispielweise verärgert feststellen, dass die Straße zu ihrem Dorf nicht weitergebaut wird und die Politiker sich streiten, wer dafür die Verantwortung trägt. Bei Betrachtung der einzelnen Politikbereiche kristallisiert sich heraus, dass der Gesundheitssektor das am weitestgehend „dezentralisierte“ Themenfeld darstellt (die Counties betreiben ihre lokalen Hospitäler), gefolgt von den Bereichen Landwirtschaft, Erziehung und Infrastruktur. Am Rande bemerkt: Die Counties hätten auch gerne Zuständigkeiten im Bereich „Sicherheit“, was allerdings von der nationalen Ebene aus verständlichen Gründen strikt abgelehnt wird: bewaffnete (und womöglich schlecht ausgebildete) Einheiten in den jeweiligen Counties würden wohl die Sicherheitslage im Land mehr gefährden als verbessern.

In der öffentlichen Debatte wird neben den Herausforderungen, die die im Zuge des Dezentralisierungsprozesses einhergehende Umstrukturierung des öffentlichen Sektors mit sich bringt, zudem die chronische Unterfinanzierung der Counties durch die nationale Ebene thematisiert. Laut Verfassung fließen nicht mehr als fünfzehn Prozent der Staatseinnahmen an die sub-nationale Ebene. Neben mangelnder Transparenz des gesamten „Auszahlungs-Verfahrens“ wird bemängelt, dass dieser Anteil zu niedrig ist und die Counties aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen ihren Aufgaben nicht vollumfänglich nachgehen können. Wenig hilfreich, dass etliche Counties im Anfangsstadium Firmen und externe Dienstleister (zum Beispiel für den Bau von Infrastrukturprojekten) beauftragt haben, die sie am Ende nicht oder nur teilweise bezahlen konnten. Um einer (weiteren) Verschuldung der Counties entgegenzuwirken, hat die Opposition im November 2015 einen Gesetzesentwurf vorbereitet, der den Anteil der Gelder an die Counties von den erwähnten fünfzehn Prozent auf insgesamt 45 Prozent der Staatseinnahmen erhöhen soll. Ob die populistische Forderung „gebt den Counties mehr Geld!“ allerdings die Probleme lösen würde, sei dahingestellt. Auch darf nicht übersehen werden, dass gemäß der Verfassung den Counties das Privileg zusteht, eigene Steuern zu generieren (hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die Erhebung von Vermögenssteuern). Doch auch hier zeigt sich in der Realität ein anderes Bild: viele Counties verfügen (noch) nicht über ein effizientes Verwaltungssystem, um Steuern ordnungsgemäß einzutreiben. Oder viel banaler: insbesondere in den marginalisierten Counties des Landes – vor allem diejenigen ohne Einnahmen aus Tourismus oder einem stabilen Industriesektor – gilt schlichtweg der Satz „Wo nichts ist, kann auch nichts besteuert werden“. In diesen Fällen würden die Verwaltungskosten für das Erheben von Steuern deren geplanten Einnahmen deutlich übersteigen. Das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Counties wird auf unübersehbare Zeit ein Hindernis für einen erfolgreichen Dezentralisierungsprozess darstellen. Eine Art „kenianischen Finanzausgleich“ zwischen den Counties wäre ein denkbarer Lösungsweg, derzeit aber noch Utopie.

Ausblick: alles wird gut?

Man muss sich stets vor Augen führen, dass in Kenia dezentrale Strukturen nicht historisch gewachsen sind, sondern vielmehr durch die neue Verfassung (aus politischen Gründen) eine teilweise Aufgabendelegation „von oben nach unten“ erfolgte. Bis County-Regierungen als (weitestgehend autonome) „policy-maker“ agieren können und nicht nur auf die Rolle des Umsetzers nationaler Politik reduziert werden, ist es noch ein langer Weg. Doch steht außer Frage, dass die Umsetzung der neuen Verfassung einen entscheidenden Faktor für den Fortschritt und die Stabilisierung der Demokratie in Kenia, aber auch im gesamten ostafrikanischen Raum, darstellt. Nur durch das Zusammenwirken aller Akteure - vor allem der Zivilgesellschaft und der Bürger Kenias, der Entscheidungsträger auf nationaler und County-Ebene sowie der politischen Parteien - wird die Implementierung der neuen Verfassung mit deren Kernstück „Dezentralisierung“ zum Erfolg führen.

Es gilt als Lichtblick am afrikanischen Horizont, dass Kenia (im Vergleich zu anderen Ländern des Kontinents) über eine durchaus lebendige und engagierte Zivilgesellschaft sowie über eine vielfältige Presselandschaft verfügt. Es ist folglich für die weitere Entwicklung des Dezentralisierungsprozesses von entscheidender Bedeutung, dass vor allem die aktive Zivilgesellschaft zukünftig besser informiert ist (und zwar keine einseitig gesteuerte Information) und somit auch mit den politischen Zusammenhängen (möglichst in objektiver Weise) vertraut wird. Dies bildet die Grundlage dafür, dass alle Akteure in einem föderalen Staatsaufbau ihre Rechte und Pflichten wirkungsvoll wahrnehmen können.

Der Prozess der Dezentralisierung stellt eine derart komplexe Reformagenda dar, dass eine erfolgreiche Umsetzung noch viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, in Anspruch nehmen wird. „Gut Ding will Weile haben“ – in Kenia heißt dies frei übersetzt „Pole Pole“. Wenn das Land den Willen und das Durchhaltevermögen besitzt, diesen Reformprozess schrittweise und wohldurchdacht weiter umzusetzen (und sich auch von etwaigen Rückschlägen nicht entmutigen lässt), kann Kenia am Ende tatsächlich ein afrikanisches Musterland in Sachen „erfolgreiche Umsetzung eines Dezentralisierungsprozesses“ werden. Es ist der Bevölkerung, aber auch dem gesamten Kontinent, zu gönnen.

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Thomas Tödtling

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Leiter des KAS-Büros New York

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