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Ein Stern, der seinen Namen trägt

Автор: Dr. Nino Galetti, Nele Katharina Wissmann

Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron gründet mit "En Marche" eine neue politische Bewegung

Ein neuer Stern geht am politischen Himmel Frankreichs auf, seitdem Wirtschaftsminister Emmanuel Macron vor wenigen Tagen eine neue politische Formation gegründet hat. „En marche“, auf Deutsch „In Bewegung“, heißt die Initiative, die nicht zufällig seine Initialen „EM“ trägt.

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Der Shooting-Star der französischen Politik möchte diese Bewegung nicht als Partei verstanden wissen, sondern vielmehr als Bürgerforum oder Denkfabrik, die eine Debatte über die Zukunftsperspektiven der französischen Gesellschaft und Politik führen soll. Für seine Bewegung wünscht sich das Mitglied der sozialistischen Regierung ausdrücklich, dass sie auch im bürgerlich-konservativen Lager Anhänger finden möge.

Macron hatte seine Mitgliedschaft in der Parti socialiste zwar 2009 beendet. Er gehört aber seit vier Jahren der sozialistischen Regierung an – zunächst als stellvertretender Generalsekretär des Élysée, seit August 2014 als Wirtschaftsminister in der Regierung von Premierminister Manuel Valls. In den vergangenen zwei Jahren hat er bereits vielfach bewiesen, dass er sich am Lager-Denken in Rechts-Links-Schemata nicht beteiligt und dieses für überkommen hält.

Sein großes Ziel, die französische Gesellschaft sozial durchlässiger zu machen, könnte zwar auch im linken Lager Unterstützer finden. Gleichzeitig gilt sein Kampf für marktliberale Reformen und mehr Wettbewerb bei vielen Linken jedoch als rechts. Offen spricht sich der Wirtschaftsminister gegen die 35-Stunden-Woche aus und denkt laut über die Abschaffung des Beamtentums nach; in seiner Amtszeit wurde der Fernbusverkehr liberalisiert und die Sonntagsöffnungszeiten ausgedehnt.

Emmanuel Macron ist derzeit einer der wenigen populären Politiker und liegt in Umfragen deutlich vor Präsident Hollande oder Premierminister Valls. Letzterem hat er die Rolle des mutigen Reformers innerhalb der Regierung abgenommen, die Valls lange Zeit für sich beansprucht hat.

Paradoxerweise verkörpert Emmanuel Macron dabei genau den Politikertyp, den er für die Politikverdrossenheit der Franzosen verantwortlich macht: Er absolvierte die Kaderhochschule ENA, arbeitete einige Jahre im Leitungsbereich des Finanzministeriums, wechselte dann zu einer Investmentbank und wurde innerhalb kurzer Zeit zum Millionär. 2012 holte ihn Präsident François Hollande in den Élysée-Palast. Nach seiner Berufung zum Wirtschaftsminister stieg er in wenigen Monaten zu einem der wichtigsten politischen Akteure in Frankreich auf – ein Novum in einem Land, in dem Anciennität eine große Bedeutung hat.

Und ein weiteres Novum zeichnet sich ab: Der Wirtschaftsminister einer sozialistischen Regierung hat im linken Flügel der sozialistischen Partei seine größten Feinde, gleichzeitig aber viele Bewunderer im bürgerlich-konservativen Lager. Seine hohen Beliebt¬heits¬werte erklären sich deshalb auch eher durch die hohe Unterstützung von Sympathisanten des gegnerischen Lagers. 71% der Wähler der Républicains äußern sich positiv über den Wirtschaftsminister.

Macron selbst scheint inzwischen Geschmack an der aktiven Politik gefunden zu haben. Gab es zu Beginn seiner Amtszeit noch Hinweise, dass er alsbald in die freie Wirtschaft zurückkehren werde, ist der 38 jährige immer mehr in der französischen Politik angekommen und genießt seine öffentliche Beliebtheit sichtlich. Die Gründung seiner Bewegung „En marche“ wurde von einer Home-Story in der Illustrierten „Paris Match“ begleitet, in der seine 20 Jahre ältere Ehefrau Brigitte und er Einblicke in ihr Privatleben gewähren.

Aktuell zeichnen sich vier Szenarien für die nähere politische Zukunft von Emmanuel Macron ab:

Zielgerade Matignon

Im April 2017 finden die Präsidentschaftswahlen statt. François Hollande plant seine Wiederwahl und hat die Gründung der neuen politischen Bewegung von Emmanuel Macron nicht öffentlich kritisiert. Denn diese könnte ihm im Wahlkampf sehr nützlich werden, um sein Wählerpotential zu vergrößern und Stimmen aus der Mitte zurückzugewinnen. Als Belohnung wäre Macron das Amt des Premierministers sicher; für den jungen Politiker würde sich eine Perspektive für den Einzug in den Élysée-Palast im Jahre 2022 eröffnen.

Auch wenn der Vorsitzende der Parti socialiste, Jean-Christophe Cambadélis dieser Option offen gegenübersteht, ist es unwahrscheinlich, dass der derzeitige Premierminister Manuel Valls seinem jungen Minister kampflos das Feld überlässt. Auch besteht die Gefahr, dass das Duo Hollande-Macron zu weiteren Reibungen innerhalb der Parti socialiste führen und das linke Lager noch stärker als bisher gegen die Regierung aufbringen könnte.

Zielgerade Élysée-Palast

Zwar ist François Hollande derzeit fest entschlossen, erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren. Angesichts seiner schlechten Umfragewerte und seiner geringen Erfolgs-aussichten ist es jedoch denkbar, dass der gegenwärtige Präsident auf eine erneute Kandidatur kurzfristig verzichten wird. In diesem Fall wäre die Plattform „En marche“ für Emmanuel Macron ein Sprungbrett, um selbst für das Amt zu kandidieren. Nicht umsonst trägt die Bewegung die beiden Initialen seines Namens. In diesem Fall müsste Macron jedoch frühzeitig den Absprung aus dem Kreis der loyalen Mitarbeiter des Präsidenten schaffen, um sich innerhalb der Parti socialiste oder als unabhängiger Kandidat glaubwürdig aufstellen zu können. Erste Anzeichen hierfür gibt es. So bestätigte Macron in einem Zeitungsinterview zwar seine Loyalität zu François Hollande, betonte jedoch gleichzeitig, dass er zu keinem politische „Clan“ gehöre; er sei dem französischen Präsidenten nichts schuldig. Später dementierte er diese Aussage; sie sei aus dem Kontext gerissen worden.

Aktuelle Umfragen des französischen Meinungsforschungsinstituts IFOP sehen derzeit jedoch sehr enttäuschende Ergebnisse für Emmanuel Macron voraus, sollte er kandidieren. Zwar sprechen sich 44% der Befragten dafür aus, dass Macron mehr Einfluss in der Politik haben sollte. Gleichzeitig würden nur 19% für ihn stimmen, wenn der Gegenkandidat im ersten Wahlgang Nicolas Sarkozy ist und sogar nur 14%, falls die Partei Les Républicains Alain Juppé als Gegenkandidat aufstellt.

Bezeichnenderweise würde auch die Linke nicht für den Kandidaten stimmen. So zeigte eine weitere Meinungsumfrage von IFOP, dass sogar der Vorsitzende der links von der PS stehenden Parti de Gauche (Linkspartei) Jean-Luc Mélenchon mehr Stimmen auf sich vereinigen könnte.

Trotz des Bewusstseins, dass die vergangenen vier Jahre von einem glücklos agierenden Präsidenten und einer nur mäßig erfolgreichen Regierung geprägt waren, ist die Mehrheit der Sozialisten nicht bereit, auf die sozialliberale Linie Macrons umzuschwenken. Im Gegenteil: Für viele Mitglieder der PS ist die Politik von Hollande und Valls nicht links genug. Die Partei verharrt in ihren traditionellen Positionen zur Rolle des Staates, den Status des öffentlichen Dienstes oder zur Wochenarbeitszeit. Emmanuel Macrons Positionen haben in der Partei keine Mehrheit. Eine Nominierung durch die Sozialisten erscheint unwahrscheinlich.

Brückenschlag zu den Républicains

Die französischen Medien zeichnen sehr deutlich die Berührungspunkte zwischen dem sozialliberalen Macron und dem möglichen Präsidentschaftskandidaten der konservativen Republikaner, Alain Juppé, nach. Juppé gilt als moderat und kompromissfähig und hat es sich zum Ziel gesetzt, Frankreich aus der Mitte heraus zu erneuern.

Sollte sich Alain Juppé bei den Vorwahlen des bürgerlich-konservativen Lagers im November 2016 durchsetzen und die Präsidentschaftswahlen im Mai 2017 gewinnen, könnte er an Emmanuel Macron als Premierminister interessiert sein. Denn als Zeichen seiner politischen Offenheit wäre die Nominierung eines Akteurs aus der linken Mitte ein sinnvoller Schachzug. Die Option wird offen vom ehemaligen Premierminister Jean-Pierre Raffarin vertreten, der dafür wiederum vom Vorsitzenden der PS, Jean-Christophe Cambadélis, kritisiert wird. Dieser diagnostizierte eine Vereinnahmung der Debatte durch die Konservativen, die unter dem „Deckmantel der nationalen Einheit“ ehemalige Minister von den Linken abwerben.

Auch bei diesem Szenario ist es wahrscheinlich, dass Emmanuel Macron am Ende zwischen allen Stühlen landen wird, da eine Mehrheit der Konservativen kategorisch einen Schulterschuss mit dem linken Lager ausschließt.

Fehlanalyse des „politischen Bedarfs“

Der innovative Charakter der Formation „En marche“ wird von Kritikern deutlich angezweifelt. In der Tat gab es in der politischen Geschichte der Fünften Republik bereits zahlreiche Kampfansagen an die Links-Rechts-Spaltung. Viele vermuten daher, dass die Bewegung Macron lediglich als Kommunikationsstrategie dient und nur wenig neue Inhalte bieten wird.

Fraglich ist darüber hinaus, ob der französische Wähler sich tatsächlich „weder links noch rechts“ (Ni à gauche, ni à droite) einordnen will. Die politische Landschaft in Frankreich ist traditionell in rechts und links aufgeteilt. Zwar wurden Parteien, die sich klar in der Mitte positionieren, durchaus respektiert, bei Wahlen waren sie jedoch nie erfolgreich. Emmanuel Macron könnte also mit seiner Strategie des „Weder-links-noch-rechts“ ein ähnliches politisches Schicksal erleiden wie der Vorsitzende der Zentrumspartei „Demokratische Bewegung“ (Mouvement démocratique, MoDem), François Bayrou, der nach drei erfolglosen Präsidentschaftswahlen als „ewiger“ Präsidentschaftskandidat belächelt wird.

Auch Macrons Versprechen „Politik anders zu machen“ (faire la politique autrement) findet sich in der Fünften Republik regelmäßig wieder. Der Überdruss an der bisherigen Art, Politik zu machen, ist eine Ursache dafür, dass jeder vierte Franzose der rechtspopulistischen Front National seine Stimme gibt. Unter diesem Aspekt könnte die Plattform „En marche“ eine sinnvolle Alternative bieten, um den Aufstieg der Rechtspopulisten auszubremsen. In der Tat spiegelt der „Weder-links-noch rechts-Diskurs“ Macrons den Diskurs des Front National und von Marine Le Pen. Macron stellt die Quintessenz von all dem, was Marine Le Pen ablehnt, angefangen bei ihrem Verhältnis zur Globalisierung.

Beachtet man gleichzeitig, dass mehr als die Hälfte aller Franzosen bekunden, dass sie zu Opfern bereit wären, um die sklerotische Politik und Wirtschaft Frankreichs zu erneuern, ergeben sich für die Bewegung „En marche“ neue Perspektiven. Ob es Macron jedoch gelingen wird, Protestwähler hinter sich zu sammeln, ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund fragwürdig, dass er die Politik von Präsident Hollande und seiner sozialistischen Regierung in den vergangenen vier Jahren mitverantwortet.

Sollte der Wunsch der Wähler nach mehr Kompromissen und Konsens im politischen Betrieb in der Tat bestätigt werden, hätte Emmanuel Macron ein gutes Gespür für die derzeitige Stimmung in der französischen Gesellschaft bewiesen. Ob Macrons Bewegung ein funkelnder Stern am politischen Firmament Frankreichs wird, oder – um die Worte eines bayerischen Spitzenpolitikers zu bemühen – sich am Ende als Glühwürmchen in der Dunkelheit entpuppt, bleibt abzuwarten.

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