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Italien wählt – aber die jungen Wähler sind desillusioniert

Автор: Silke Schmitt, Katja Christina Plate
Wen sie am Sonntag und Montag wählen sollen, wussten viele Italiener zwei Tage vor dem Öffnen der Wahllokale immer noch nicht. Vor allem junge Menschen tun sich schwer mit diesem Wahlkampf – und mit ihrem Land. Sie sind gründlich desillusioniert.

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Sie fordern Meritokratie – eine Gesellschaft, die Leistung anerkennt und danach urteilt – und finden die Familienmitglieder der Parteigranden in den aufgestellten Wahllisten. Sie sehnen sich nach „neuen Gesichtern“, einem „jungen Italien“ – und hören Silvio Berlusconi und Pier Luigi Bersani, die sich seit Jahren gegenseitig als Scharlatane beschimpfen. Sie wollen eine Zukunft. Und sehen nur einen Ausweg, ihr Land zu verlassen: „Ich hoffe, dass sich mir schnell die Möglichkeit bietet, im Ausland zu arbeiten“, schreibt Paola, Ende zwanzig.

(Die Konrad-Adenauer-Stiftung versendete per Email Fragen an Studierende und junge Erwachsene, die die Veranstaltungen des Auslandsbüros frequentieren und wertete diese aus.)

Sehnsucht nach einem Wahlprogramm

Paola arbeitet im Bereich Politik und kennt sie alle: „Es sind immer die gleichen“, sagt sie. Oscar Giannino, Spitzenkandidat der Kleinstpartei „Fare per Fermare il Declino“ was auf Deutsch soviel heißt wie „etwas tun, um den Niedergang aufzuhalten", war ihr Favorit – ihre Art, intellektuellen Protest zu wählen und sich gegen die bestehende Politiker-Kaste aufzulehnen. „Mir gefiel sein Wahlprogramm mit neuen, innovativen liberalen Ideen, weil es ein richtiges Programm war und nicht nur reine Propaganda“, so Paola. Nun ist sie enttäuscht: Giannino kündigte Mitte der Woche seinen Rücktritt als Parteivorsitzender an: Er hatte seinen Lebenslauf kurzerhand um zwei erfundene Doktortitel und einen Master an der Booth School of Business in Chicago bereichert.

Auch Sara, 24 Jahre alt, sieht in Italien derzeit wenig Perspektiven – „für Jugendliche generell und schon gar nicht für Frauen“, schreibt sie. Die Zeit zwischen den letzten mündlichen Prüfungen ihres Jura-Studiums nutzt sie, um Bewerbungen ins Ausland zu senden. Mit „gerümpfter Nase“ werde ich am Sonntag „das kleinere Übel“ wählen, so Sara. Der Wahlkampf hat ihr nichts gebracht: „Ich fühle mich überhaupt nicht informiert. Alle widersprechen sich und niemand bietet wirkliche und effiziente Lösungen“, klagt Sara.

Berlusconi auf Stimmenfang

Das dachte sich auch Silvio Berlusconi, der sein „Volk der Freiheit“ (PDL, Popolo della libertà) vor dem Aus rettete und in acht Wochen Wahlkampf kräftig aufholte. Sein Bündnis aus Lega Nord und mehreren Kleinparteien am rechten Rand, hievte er mit rund 30 Prozent nach Angaben der letzten Umfragen auf Platz zwei. Damit liegt er rund fünf Prozentpunkte hinter dem Favoriten Pier Luigi Bersani der demokratischen Partei „Partito Democratico“ (PD). Doch diese Angaben sind bereits zwei Woche alt, denn fünfzehn Tage vor der Wahl dürfen in Italien keine Erhebungen mehr veröffentlicht werden. Mit dem Versprechen, die bei den Italienern verhasste Immobiliensteuer IMU direkt nach der Wahl zurückzuerstatten, geht Berlusconi auf Stimmenfang. Neun Millionen italienische Haushalte erhielten einen Brief des „neuen Wirtschaftsministers“, der ihnen die Rückerstattung der Steuer erläuterte. Dass diese Prozedur – wenn überhaupt – dann erst mit einer gewonnenen Wahl in Kraft treten würde, hatten viele, vor allem ältere Menschen, nach dem Lesen des Briefes nicht verstanden und machten sich bereits diese Woche auf den Weg zum Postamt, um auf ihr „Recht“ zu pochen und ihr Geld abzuholen: „Das Haus ist heilig“ sagt Silvio Berlsuconi.

Berlusconis Spiel mit dem Möglichen

„Berlusconi spielt bewusst mit dem Möglichen“ so Christian Ruggiero, Soziologe an Universität „La Sapienza“ und Mitarbeiter im „Osservatorio Mediamonitor Politica“. „Er verkauft eine einfache Dosensuppe als Festmahl“. Mit der Briefaktion versuchte er in letzter Minute das Ruder umzureißen – ähnlich wie im Jahr 2006, als er den Wählern die Abschaffung der Immobiliensteuer – damals hieß sie noch ICI – versprach und sein Versprechen nach dem Wahlerfolg auch einlöste. „Daran erinnern sich die Wähler“, sagt Ruggiero. Berlusconi habe mit seinen Ankündigungen und seiner aggressiven Rhetorik die Themen des Wahlkampfes bestimmt, so der Soziologe. Kritische Nachfragen von Seiten der Journalisten, wie diese Maßnahme bezahlt werden könne, blockte er ab mit Verweis auf ein schnelles Steuerabkommen mit der Schweiz als Finanzierungsquelle. Erst am Freitag, 24 Stunden vor Wahlbeginn, konkretisierte der Schweizer Finanzminister nach Angaben der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“, dass eine solche Vereinbarung nicht so schnell zu treffen sei und wenn überhaupt, dann erst 2015 in Kraft treten könne.

Keine Themen für junge Menschen

Neben der Immobiliensteuer bestimmten nach Einschätzung des Soziologen die Skandale um Finmecchanica oder die Bank „Monte dei Paschi di Siena“ den Wahlkampf. „Aber sie wurden im Wahlkampf nicht zur Waffe, da alle - rechts wie links - irgendwie beteiligt waren“, so Ruggiero. Der Spitzenkandidat der demokratischen Partei PD, Pierluigi Bersani, arbeitete sich nach Einschätzung des Soziologen an dem Thema Arbeit ab: „Viel zu vage und unverständlich für junge Leute“, urteilt Ruggiero. Dabei hätte dieses Thema die jungen Menschen interessiert. „Die meisten Erstwähler werden sich aus diesem Grund wahrscheinlich enthalten oder gar nicht erst zur Wahl gehen“, sagt Ruggiero.

Fünf Sterne gegen 12: Grillo und Europa

Dass hauptsächlich junge Menschen die Fünf-Sterne Protestbewegung des Komikers Beppe Grillo, „Movimento 5 stelle“ (M5S), wählen, hält er für ein „Märchen der Generation der 1968er“. Beppe Grillo hat sich mit seiner Tsunami-Tour die Gunst von rund 20 Prozent der Wähler lauthals erschrien. Aber an sein Versprechen von 1000 Euro Grundeinkommen, glauben junge Wähler nach Einschätzung des Soziologen nicht. Da er Interviewanfragen während des Wahlkampfes stets abgelehnt hatte, stellte er sich keiner kritischen Auseinandersetzung. Seine Wahlauftritte blieben ein einziger lautstarker Monolog auf der Bühne. Sein Protest-Aufruf bohrte sich ins Trommelfell vieler unzufriedener Bürger – aber nicht in die Herzen überzeugter Europäer. „Politiker müssen die Fähigkeit besitzen, mit anderen Staaten auf europäischer Ebene zu interagieren“, sagt Gabriella, Master-Studentin an der Universität LUMSA in Rom. „Von der neuen Regierung erwarte ich, dass sie das Gefühl der Italiener, zu Europa zu gehören, stärkt und in der Bevölkerung verankert“, so Garbriella. Dazu sei Grillo, der wie Berlusconi antieuropäische Positionen propagiere, nicht in der Lage.

Politisches Angebot minderwertig

„Das politische Angebot als Ganzes ist tatsächlich minderwertig: die Linke möchte ich nicht wählen, Berlusconi auch nicht und Grillo – ach lassen wir das. Was bleibt? Eine tiefe Niedergeschlagenheit“, schreibt Antonio. Die Entscheidung Mario Montis, Spitzenkandidat des Bündnisses „Lista civica“ sowie der christdemokratischen Zentrumspartei „Unione di Centro“ (UDC) und der von Kammerpräsident Gianfranco Fini geführten Partei „Futuro e libertà per l’Italia (FlI) zu werden, schien zu Beginn des Wahlkampfes für viele die perfekte Lösung zu sein. Der Soziologe Renato Mannheimer räumte dem Bündnis aus dem Stand Chancen um die 20 Prozent ein. Am Ende des Wahlkampfes lag die reformorientierte Bürgerliste bei knapp 15 Prozent der Wählerstimmen. Viel zu wenig, um alleine regieren zu können. Eine Koalition mit der PD schlossen jedoch sowohl Mario Monti als auch Pier Luigi Bersani vehement aus. Laut Ruggiero liegt hier das Problem des Bündnisses: „Monti möchte bis zum Schluss um jede Stimme kämpfen, da er Angst hat, ansonsten konservative Wähler zu verprellen“, sagt der Soziologe. Dabei sei den Wählern längst bewusst, dass Monti und Bersani nach der Wahl womöglich koalieren müssen, um eine Regierung bilden zu können. Da Bersanis Bündnis auch aus kleinen weit links stehenden Parteien besteht, sind Spannungen mit dem christdemokratischen Monti-Lager – zum Beispiel beim Thema Lebensschutz oder der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften – vorprogrammiert. Um eine Mehrheit im Senat sicher zu stellen, wird Bersani jedoch die Stimmen des Monti-Lagers benötigen. Daher wäre es besser, so der Soziologe, Monti und Bersani würden offensiv mit dieser Realität umgehen, anstatt krampfhaft so zu tun, als ob man den anderen nicht bräuchte.

Dem Land nicht noch mehr schaden, bitte!

Folgender Wahlausgang scheint nach Einschätzung des Soziologen derzeit am wahrscheinlichsten: Ein Sieg der linken Partei, PD, den das Berlusconi-Bündnis PDL und die Bewegung Beppe Grillos gleich zu Beginn „in eine Krise stürzen“. Die Linke koaliert mit Mario Monti und es ergäbe sich eine „schwache“ und äußerst pluripolare Regierung. Auf der anderen Seite stünde eine, auch zahlenmäßig starke, antieuropäische Opposition aus PDL und M5.

Und was erwarten sich die Italiener von der neuen Regierung? Die Antworten sind durchweg ernüchternd: „Nulla“ – nichts, schreibt Paola. „Noch nicht einmal, dass sie bis zum Ende der Legislaturperiode regiert, denn das wird sie nicht schaffen. Antonio hat seine Erwartungen auf ein Minimum zurückgeschraubt: „Von der neuen Regierung erwarte ich nur, dass sie so wenig Schaden anrichtet wie möglich“, schreibt er. Auch Sara erhofft sich „nicht viel“. Und das ist das „eigentlich Traurige“.

Nur Martina will ihren Traum von einem „neuen Italien“ nicht ganz aufgeben: „Ich wünsche mir, dass Italien zu dem schönsten Land auf Erden wird – wo die Wirtschaft floriert und die Menschen Arbeit finden. „Ich weiß sogar die Lösung“, schreibt sie: „La S. meritocrazia!“ – das Leistungsprinzip!

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Caroline Kanter

Portrait von Caroline Kanter

Stellv. Leiterin der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit

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