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Schwarzer Oktober für Präsident Humala

Автор: Reinhard Willig

Politische Krise im Vorfeld der peruanischen Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr

Korruptionsvorwürfe gegen die First Lady Perus Nadine Heredia machen die peruanische Regierung handlungsunfähig und lassen die Umfragewerte von Präsident Ollanta Humala gut ein halbes Jahr vor der Präsidentschaftswahl im April 2016 weiter in den Keller stürzen. Davon profitiert vor allem die Opposition.

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Der Oktober des Jahres 2015 wird nicht nur dem Präsidenten Perus Ollanta Humala und seiner Gattin Nadine Heredia im Gedächtnis bleiben. Fortwährende politische Erdbeben erschüttern die Regierung in Lima in ihren Grundfesten, obwohl das Epizentrum der Beben – die First Lady – offiziell lediglich formal-protokollarische Funktionen ausfüllt. Während die Umfragewerte des ehemaligen Oberstleutnants Humala einen historischen Tiefstand nach dem anderen aufweisen und sich gegenwärtig auf den einstelligen Bereich zubewegen, ist die politische Handlungsfähigkeit seiner Regierung ein halbes Jahr vor den Präsidentschafts- und Kongresswahlen Anfang April 2016 und neun Monate vor Amtsübergabe an seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger weitgehend in den Händen der Opposition. Die Vergangenheit holt die Gattin des Präsidenten und gleichzeitige Präsidentin „seiner“ linksnationalistischen Partei (Partido Nacionalista Peruano / als Wahl- und Regierungsallianz Gana Perú im Kongress vertreten) in Gestalt verschiedener Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft ein. Währenddessen übernimmt die Opposition, die sich schon im Wahlkampf befindet, mit kräftiger Verstärkung durch die Medien die politische Initiative in einem unübersichtlichen Gewirr aus Anschuldigungen, Gegendarstellungen und persönlichen Angriffen.

Präsidentengattin im Fadenkreuz der Ermittler

Seit dem Amtsantritt ihres Mannes im Jahre 2011 wandelte Nadine Heredia konsequent die repräsentative Rolle der First Lady durch teilweise Bloßstellung ihres Mannes zu einer Art Amtsteilung aus. Für diese in der Verfassung nicht vorgesehene Amtsführung hat Präsident Humala persönlich die Losung der „Familienregierung“ ausgegeben. In der Praxis zog dies reale politische Auswirkungen nach sich. Mehrere Kabinettsumbildungen und Rücktritte einflussreicher Minister waren offensichtlich durch Einmischungen und Kontrollversuche der ambitionierten Präsidentengattin zu erklären.

Nun ist Nadine Heredia auch in das Fadenkreuz staatsanwaltlicher Ermittler geraten, was auf absehbare Zeit – zumindest bis zu den Wahlen – ihre politische Rolle belasten wird. Am 20. Oktober widerrief das Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional de Perú) ein Urteil, das Anschuldigungen gegen Heredia wegen Geldwäsche aus dem Jahr 2006 zu den Akten legte. Damit wurde der Weg für eine Wiederaufnahme staatsanwaltlicher Ermittlungen frei gemacht. Die Hábeas-Corpus-Rechte auf die sich Nadine Heredia beruft, wurden mit der Begründung für unzulässig erklärt, dass Leib und Leben der Präsidentengattin nicht unmittelbar bedroht seien.

Dies hat zur direkten Folge, dass neue Nachforschungen der Staatsanwaltschaft in Bezug auf nichtregistrierte Wahlkampfmittel aus Venezuela aus dem Jahr 2006 angestellt werden. Ollanta Humala, der sich 2011 in seinem zweiten, dann erfolgreichen Versuch die Präsidentschaft zu erlangen erst in der Stichwahl vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez abgrenzte, hatte eine Unterstützung aus dem Krisenstaat auch nie geleugnet.

Gegen Nadine Heredia werden fast alle im „politischen Geschäft“ Lateinamerikas gängigen Vorwürfe vorgebracht. Die Unterstützung aus Venezuela soll größtenteils unter Umgehung einer bankmäßigen Erfassung in Form von Bargeld, teilweise per Diplomatenpost ins Land und später zu ihrem Wohnsitz gebracht worden sein, um dann auf verschiedene Konten von Vertrauenspersonen verteilt zu werden. Auch der Wahlkampf 2011, der Ollanta Humala zum Präsidenten machte, erregt so viel Verdacht, dass die Unschuldsvermutung für die Beteiligten nur noch auf dem Papier gilt – die Öffentlichkeit hat sich längst ihre Meinung gebildet. Vier Tagebücher, die Notizen und Informationen zur Herkunft von $3,6 Millionen enthalten, werden mit der Handschrift der Präsidentengattin verknüpft, was aber mit Hilfe von Sachverständigen zur Schriftanalyse geklärt werden soll. Auch der Kontakt zu brasilianischen Geschäftsleuten, die inzwischen im Gefängnis sitzen und das Nichtversteuern (konkreter Vorwurf: Schmuggel) von in den Vereinigten Staaten gekauften Produkten, sind Teil der Ermittlungen, die bei Heredia zusammenlaufen.

Die Beschuldigte, die sich selbst nur als Aktivistin der Partei sieht, gibt sich enttäuscht ob der Schnelligkeit und Oberflächlichkeit mit der ihr Fall vom Obersten Verfassungsgericht behandelt wurde. Dem Präsidentenpalast zufolge ist die Behandlung Heredias Ausdruck der Schutzlosigkeit und rechtlichen Willkür in Peru. Daher will man die Anrufung internationaler Instanzen wie die Interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (Comisión Interamericana de Derechos Humanos de la Organización de Estados Americanos) nicht ausschließen.

Doch nicht nur die Staatsanwaltschaft, auch der Kongress befasst sich mit den Gebaren der First Lady, wobei mit Sicherheit weitaus Wichtigeres auf der Tagesordnung stehen könnte. Eine Kommission untersucht ebenfalls aufgetauchte Tagebücher, als deren Verfasserin Nadine Heredia gilt. Diese Tagebücher umfassen den Zeitraum von 2006 bis 2011 und können aufgrund der enthaltenen Auflistungen von finanziellen Transaktionen und Bankverbindungen von strafrechtlicher Relevanz sein.

Darüber hinaus wurde bereits Ende 2014 eine vom Parlament berufene Sonderkommission unter Leitung der christdemokratischen Kongressabgeordneten Marisol Pérez Tello mit der Untersuchung der Aktivitäten des staatsnahen Geschäftsmannes Martín Belaúnde Lossio beauftragt. Wegen Verdachts auf Geldwäsche, widersprüchlicher Aussagen und verdächtiger Finanzbewegungen im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge empfahl die Kommission in ihrem Abschlussbericht u.a. die Aufnahme von Ermittlungen gegen Nadine Heredia. Fast überflüssig zu erwähnen, dass Martín Belaúnde Lossio inzwischen ebenfalls inhaftiert ist.

Zunehmende Instabilität der Regierung

Die schwere Regierungskrise Perus lässt sich jedoch nicht ausschließlich auf die Person der Präsidentengattin beschränken. Der schwarze Oktober führte außerdem zum Austritt Marisol Espinozas aus der Partei und später der Kongressfraktion der Regierungsallianz. Marisol Espinoza, die als Vizepräsidentin gemeinsam mit Ollanta Humala 2011 ins Amt gewählt wurde und deren schnell vollzogener Rückzug aus den Sphären der Partei hohe Wellen schlägt, erklärt ihren Schritt mit ideologischen Differenzen zur Nationalistischen Partei, die Nadine Heredia präsidiert. Ein Zusammenhang ist unübersehbar, Marisol Espinoza handelt offensichtlich aus politischem Kalkül und will sich schnellstmöglich von dem politischen Flächenbrand entfernen, der Präsident Humala umgibt. Die Regierungsfraktion im Kongress ist zwischenzeitlich von 47 auf 27 Abgeordnete geschrumpft. Als Folge wird das für die politische Agenda des Kongresses zuständige Kongresspräsidium seit Juli des Jahres von der Opposition dominiert.

Mit Julia Príncipe entlässt der Präsident nach tagelangen Spekulationen außerdem ausgerechnet die Prozessbevollmächtigte des Staates für Geldwäsche, die sich in öffentlichem Streit mit dem ihr vorgesetzten Justizminister Gustavo Adrianzén befunden hatte. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Präsidentengattin soll der Justizminister bereits seit Juni versucht haben, die Ermittlungen und öffentliche Äußerungen von Príncipe zu unterbinden. Diese hatte sich ohne Erlaubnis des Ministers zu nicht bestätigten Schweizer Konten Nadine Heredias geäußert.

Der Minister interpretierte das Vorgehen von Julia Principe als nicht den Normen entsprechend und maßregelte sie, die Prozessbevollmächtigte wiederum verstand dies mit öffentlicher Unterstützung als Zensur. Die Entlassung wurde dementsprechend in den Medien scharf kritisiert, etwa als politische Repressalie oder als „Schuss in die Füße der Unabhängigkeit der Justiz“ tituliert. Um die verworrene Gemengelage zu komplettieren reichte im direkten Anschluss daran der Justizminister seinen Rücktritt ein. Erst im April dieses Jahres als Teil des siebten Kabinetts Präsident Humalas ins Amt eingeführt, kam er damit seiner Amtsenthebung durch den Kongress wegen der Entlassung Principes zuvor, die sehr wahrscheinlich per Misstrauensvotum zwei Tage später herbeigeführt worden wäre.

Rangeleien um die Ausgangspositionen für die Wahlen 2016

Die Situation würde nun auch ohne die anstehenden Wahlen genug Stoff für mehrere Regierungskrisen bieten, die Rangelei um die besten Ausgangspositionen für die im April 2016 stattfindende Neuverteilung der Regierungsmacht treibt den gesamten Konflikt jedoch auf die Spitze.

Vor allem Keiko Fujimori, Tochter des ehemaligen Präsidenten und Gesicht der Partei Fuerza Popular, wirft Nadine Heredia vor, die verfassungsmäßige Ordnung des Staates zu torpedieren. Als vermeintliche Führerin der Opposition und tatsächlich Führende in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl geht vor allem sie gestärkt aus den Turbulenzen hervor. Ihre Provokationen werden zum Vorteil Keiko Fujimoris von Nadine Heredia aufgenommen, die sich etwa in Pressekonferenzen direkt an Keiko richtet und dieser damit den Gefallen erweist, sich gegen die schwächelnde Regierung profilieren zu können.

Auch Alan García von der sozialdemokratischen APRA will die Schwächen der Regierung politisch nutzen. Der zweifache Präsident greift zum dritten Mal nach dem Regierungsamt. Für den Moment halten sich die Kandidaten bei Angriffen untereinander zurück: ein zu perfektes Ziel bietet das Präsidentenehepaar. Die Frage lautet nur: wie lange reichen Angriffe auf einen historisch schwachen und in seiner politischen Handlungsfähigkeit eingeschränkten Präsidenten und seine mit zahlreichen Anzeigen und Untersuchungen beschäftigte Frau zur persönlichen Profilierung? Und wann werden sich die Anwärter und die verschiedenen, wenig kohärenten Parteien gegenseitig ins Visier nehmen? Die Situation kann sich zeitnah ändern.

Ausblick

Ein Ausblick, auf das was kommen mag, erweist sich zu diesem Zeitpunkt als spekulativ. Aktuell könnte jeder Tag auf der politischen Bühne eine neue Wende bringen. Konstatieren lässt sich jedoch bereits ein Prozess der Auflösung der politischen Basis Präsident Humalas, der schon seit seinem Amtsantritt wenig dafür getan hat, stabile politische Allianzen zu schmieden. Im Gegenteil wurden wohl auf Geheiß Nadine Heredias unzählige Alliierte verprellt und Türen zugeschlagen. Zahlreiche Abgeordnete haben die Regierungsfraktion bereits verlassen, weitere werden folgen. Die Partei hat in dieser Form kaum eine Zukunft. Die gegenwärtige Situation der Regierungspartei in Verbindung mit notwendigen Mehrheiten zur Durchsetzung von Gesetzesvorhaben machen Ollanta Humala faktisch zu einem Präsidenten ohne Macht, vergleichbar mit einer lame duck in den USA. Nur die weitgehend wahlpolitisch motivierte Uneinigkeit der Opposition verhindert eine vollständige Blockade der politischen Handlungsfähigkeit der Regierung.

Eine „Entnadinisierung“ der Regierungsarbeit scheint für den Präsidenten jedoch keine Alternative zu sein, gar vorgezogene Wahlen, wie von den Medien vorgeschlagen, sind unwahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt.

Die Auseinandersetzung um die Prozessbevollmächtigte Julia Príncipe und den Justizminister Gustavo Adrianzén verschärfte die politische Instabilität der Regierung und sorgt zusätzlich für denkbar schlechte Voraussetzungen zu Beginn eines wichtigen Wahlkampfes. In den Medien wird die Möglichkeit eines institutionellen Bruchs angedeutet, wenn auch nur als schlechteste unter vielen denkbaren Folgen der Turbulenzen der vergangenen Monate. In Verbindung mit der immer stärker wahrgenommenen bürgerlichen Unsicherheit, einer lahmenden Wirtschaft, die soziale Spannungen provoziert und dem unkalkulierbaren Natur-Phänomen eines El Niño vor der Tür, sind viele Variablen der politischen Gleichung ungeklärt bzw. unkontrollierbar. Andererseits ist das Land an viele Formen von Krisen gewöhnt, die es in Bewegung halten.

Als Beispiel, wie weit die Sorge der Bürger Perus reicht, lassen sich aktuelle Umfragen zu Rate ziehen, die die Unsicherheit im Land als Hauptgrund der Unzufriedenheit ausgeben. Das fehlende Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz, in das politische System generell und in die Zuverlässigkeit der Zentralregierung sorgen für eine – gegenüber anderen staatlichen Institutionen - äußerst positive Perzeption des Militärs. Im Oktober gaben etwa bis zu 60% der Befragten in empirisch belastbaren Umfragen an, Militärpräsenz in den Straßen als Kampf gegen die gegenwärtige Gefahr zu befürworten. Auch verspricht man sich dadurch mehr Sicherheit vor Übergriffen der Ordnungshüter auf die Zivilbevölkerung. Von solchen Reflexen besorgter und konsternierter Einwohner gleich auf baldige Eingriffe in die verfassungsmäßige Ordnung zu schließen, wäre allerdings nach Meinung politischer Beobachter zu hoch gegriffen. Stattdessen macht sich eine Stimmung breit, in der der anstehende Wahlgang und Regierungswechsel von Freund und Feind herbeigesehnt wird.

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