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Eneas De Troya / Wikimedia Commons / CC BY 2.0

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Mexiko vor der Superwahl 2021

Ein Land vor den umfangreichsten Wahlen seiner Geschichte

Vor dem Hintergrund einer tiefen Wirtschaftskrise, der nach wie vor grassierenden COVID-19-Pandemie und einer verheerenden Sicherheitslage finden am 6. Juni 2021 Wahlen in Mexiko statt. Diese markieren die Halbzeit der Präsidentschaft von Andrés Manuel López Obrador (AMLO). Als wichtigste und gegebenenfalls folgenreichste in der Geschichte des Landes werden diese Wahlen entscheiden, ob der Staatspräsident Unterstützung bei der Konsolidierung seiner sogenannten „Vierten Transformation“ bekommt oder ob die Opposition sich doch noch als glaubwürdiges Gegengewicht durchsetzen kann.

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Um was geht es?

Am 6. Juni 2021 wird Mexiko aufgrund der Anzahl der zu erneuernden Posten und der erwarteten Bürgerbeteiligung die umfangreichsten Wahlen in seiner Geschichte abhalten – und dies inmitten der Covid-19-Pandemie, die verheerende Folgen in Mexiko hinterlässt. Rund 20.000 Ämter stehen zur Wahl, nämlich 500 nationale Abgeordnete, 15 Gouverneure, gut 1.000 Landtagsabgeordnete (diputados locales) rund 1.900 Bürgermeisterämter, knapp 14.500 Stadträte und rund 2.000 sog. Sindicaturas (gewählte kommunale Rechtsbeistände), welche allesamt maßgeblich über die politische Weiter-entwicklung des Landes entscheiden werden.

Die Wahl markiert die Halbzeit von Präsident Andres Manuel López Obrador (AMLO) und wird allgemein als Referendum über seine ersten drei Amtsjahre betrachtet. Das Wahlergebnis wird bestimmen, inwiefern López Obrador seine Agenda und seine kontroversen nationalen Reformen weiter umsetzen kann. Angesichts einer schwachen und gespaltenen Opposition wird erwartet, dass die Regierungspartei Movimiento Regeneración Nacional (MORENA) von López Obrador die Kontrolle im Kongress behält. Die Superwahlen sind zudem erheblichen Risiken ausgesetzt wie den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie, polarisierenden politischen Diskursen und Polemiken sowie sozialer Unordnung und einer sich weiterhin verschlechternden inneren Sicherheitslage. Für die demokratische und rechtsstaatliche Zukunft des Landes steht somit viel auf dem Spiel.

 

Politische Ausgangslage

Zusehends zeichnet sich im Regierungsstil des Präsidenten ein immer deutlicherer Versuch ab, das institutionelle Gefüge des Staates zu zentralisieren, und auch in seiner Person selbst zu vereinen. AMLO verfolgt damit einen Ansatz, der die Demokratie und den Rechtsstaat aushöhlt und schwächt, indem er unabhängige Institutionen immer mehr in ihren Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten beschneidet sowie deren Existenz und Autonomie sogar bedroht. Auch die ohnehin fragile föderale Struktur des Landes wird durch die zunehmenden zentralistischen Eingriffe eingeengt. AMLO begründet dies damit, ineffiziente Strukturen reformieren und Korruption verhindern zu wollen und strebt einen Übergang zu einer „neuen, authentischeren“ Demokratie in Mexiko an. Dass solche Institutionen wie zum Beispiel das Nationale Wahlinstitut (Instituto Nacional Electoral, INE) oder das Bundeswahlgericht (Tribunal Electoral del Poder Judicial de la Federación, TEPJF), eine wichtige Kontrollfunktion in den Bereichen der Korruptionsbekämpfung, der Förderung von Transparenz oder auch der Meinungsfreiheit spielen, scheint nebensächlich zu sein. Vielmehr stehen diese Institutionen eben diesen  Zentralisierungsbestrebungen des Staatspräsidenten im Wege.

Nach dem Wahlgang vom 6. Juni wird die MORENA-Fraktion tatsächlich eine Initiative vorlegen, um das INE – aufgrund von „mangelnder Objektivität und Unparteilichkeit“ im gegenwärtigen Wahlprozess – zu reformieren. Diese Anschuldigungen sind unter anderem auf Zurückweisungen etlicher Kandidaturen von MORENA (aber auch anderer Parteien) seitens des INE zurückzuführen, die jeweils formale rechtliche Bedingungen nicht erfüllten. Im Fokus standen dabei vor allem die Suspendierung der Kandidaturen von Félix Salgado Macedonio bzw. von Raúl Morón für die Gouverneursposten in Guerrero und Michoacán. In einem öffentlichen Spektakel drohte Salgado Macedonio, der mehrfach wegen Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch angeklagt wurde, den Präsidenten des INE, Lorenzo Córdova, umzubringen. Präsident Andrés Manuel López Obrador seinerseits verurteilte diese Drohungen nicht und stellte stattdessen erneut die Legitimität des autonomen Gremiums in Frage. Überraschenderweise trat kurze Zeit darauf Evelyn Salgado, Tochter des suspendierten Felix Salgado Macedonio, als MORENA-Kandidatin zum Gouverneursposten in Guerrero an.

Ein weiterer Konfliktfall, der die Unabhängigkeit der Justiz in Mexiko in Frage stellt, sind die jüngsten Reformen des Obersten Gerichtshofes SCJN (Suprema Corte de Justicia de la Nación). Im April 2021 hat die dominierende Regierungspartei MORENA samt Verbündeten im Senat einen Übergangsartikel zur Reform des obersten Gerichtshofes verabschiedet, in welchem genehmigt wurde, dass der Präsident des Gerichtshofs, Arturo Zaldívar, nicht wie von der Verfassung vorgesehen vier Jahre, sondern nun sechs Jahre im Amt bleiben kann. Das Gleiche gilt für die Mitglieder des Justizrates, die nun sieben statt fünf Jahre amtieren können. Dies erhöht, wie von den Oppositionsparteien angeprangert, die Spannungen in Bezug auf die Gewaltenteilung, was die bereits fragile mexikanische Demokratie in Zukunft noch weiter gefährden könnte.


Wer tritt an?

Die Wahlen 2021 sind geprägt von den im Vorfeld auf Seiten der Regierungs- und Oppositions-parteien vereinbarten Wahlbündnisse.

So schlossen sich im Dezember vergangenen Jahres die Oppositionsparteien PAN (Partido Acción Nacional), PRI (Partido Revolucionario Institucional) und PRD (Partido de la Revolución Democrática) zusammen und stellten ihr Wahlprogramm als Koalitionsbündnis Va por México vor. Mit weitreichenden Maßnahmen und Gesetzgebungsvorschlägen profiliert sich die Opposition mit einer traditionellen, umfassenden Liste an Wahlthemen: Von einer integrativeren Wirtschaft über mehr soziale Gerechtigkeit – nicht nur, aber mit einem besonderen Augenmerk für die Gleichstellung von Frauen – bis hin zur Bekämpfung von Korruption und einem umfangreicheren nationalen/inneren Sicherheitskonzept. Auch vor dem Hintergrund der Drohungen gegenüber autonomer Institutionen hat das Bündnis sich als klares Ziel gesetzt, die Unabhängigkeit dieser Institutionen zu verteidigen bzw. zu stärken.  Zwar treten die drei Parteien in vielen Wahlkreisen gemeinsam als Koalition auf, allerdings gibt es auch zahlreiche Ausnahmen. Man kann so von einer grundsätzlichen Koalition sprechen, wobei aber in jedem Wahlkreis entschieden wird, ob man sich tatsächlich auf nur einen Kandidaten verständigt. Auffallend ist auch, dass die 2018 recht erfolgreiche und relativ junge Oppositionspartei Movimiento Ciudadano (MC) es vorgezogen hat, sich diesem Bündnis diesmal nicht anzuschließen, sondern getrennt anzutreten.

Die Regierungsparteien MORENA, die Partido del Trabajo (PT) und die Partido Verde Ecologista de México (PVEM) bildeten ihrerseits die Koalition Juntos Hacemos Historia. Im Vergleich zum Oppositionsbündnis gibt es hier keine wirkliche Allianz-Agenda, welche über die Beibehaltung der gesetzgebenden Mehrheit in der Abgeordnetenkammer hinausgeht, um die Agenda von Präsident López Obrador fort- und durchsetzen zu können. Vor dem INE präsentierte das Bündnis allerdings eine Art Wahlprogramm, welches jenem von López Obrador für seine Präsidentschaft im Jahr 2018 sehr ähnlich ist. AMLO trat sein Amt im Dezember 2018 mit dem Wahlversprechen an, Mexiko im Sinne der Cuarta Transformación (4T) zu reformieren und knüpfte seine politischen Prioritäten an die Bekämpfung der Korruption und die Umkehrung der konservativen Tendenzen, die laut ihm für soziale Ungleichheit, endemische Gewalt und Massenmigration aus Mexiko heraus verantwortlich sind. Das jetzige Koalitionsprogramm stellt eine Weiterführung dieser politischen Prioritäten in Aussicht.

Bei den Parlamentswahlen werden rund 500 Abgeordnete (300 nach dem Mehrheitsprinzip, in Wahlkreisen mit einem Mitglied und 200 nach proportionaler Vertretung) gewählt. Nennenswert ist, dass fast 90 Prozent der 500 derzeitigen Abgeordneten bei diesen Wahlen ihre Wiederwahl anstreben, ein Novum in der mexikanischen Politik, da dies bis dato explizit ausgeschlossen war.

Prognosen über den Ausgang der Parlamentswahl sind ausgesprochen schwierig und die aktuellen Umfragen (z.B. SIMO Mexico, 15.5.21[1]) weisen noch eine hohe Volatilität auf. Letztlich geht es um die Frage, ob MORENA allein die einfache Mehrheit wie bisher halten kann (derzeit 256 von 500) bzw.  inwieweit sie es schaffen könnte, im Koalitionsbündnis ggf. eine qualifizierte Mehrheit (> 333 Stimmen) zu erreichen, die Verfassungsänderungen möglich machen würde. Für die Opposition geht es im Gegenzug genau darum, diese qualifizierte Mehrheit unter allen Umständen zu verhindern und im Idealfall die einfache Mehrheit der Regierungskoalition zu brechen. Spannend dürfte auch das Kräfteverhältnis zwischen PRI und PAN werden, wobei derzeit die PRI die Nase vorn zu haben scheint. Die gängigen Umfragen lassen beide Wunschvorstellungen auf Seiten von Regierung und Opposition als eher unwahrscheinlich erscheinen.

Zudem stehen in 15 Bundesstaaten Gouverneursposten zur Wahl. Umfragen zufolge liegt MORENA in 9 Bundestaaten vorn (Baja California, Colima, Guerrero, Michoacán, Nayarit, Sinaloa, Sonora, Tlaxcala und Zacatecas), womit die Regierungspartei nach dem 6. Juni rund 15 der 32 Gouverneursposten für sich entscheiden würde. Das Bündnis Va por México steht jeweils mit einem PAN-Kandidaten in zwei Bundesstaaten an der Spitze (Baja California Sur und San Luis Potosí). Die Mitte/Mitte-Links Partei Movimiento Ciudadano genießt in zwei Bundesstaaten einen eindeutigen Vorsprung (Campeche und Nuevo León); die PAN in einem (Querétaro) und die PAN-PRD-Koalition ebenfalls in einem (Chihuahua), wobei sich hier momentan ein sehr enges Rennen zwischen den beiden Spitzenkandidaten abzeichnet. Insgesamt würde MORENA als Sieger aus den Wahlen hervorgehen und würde keine Gouverneursposten verlieren. Auch die MC wäre verlustfrei und würde zwei zusätzliche Gouverneursmandate für sich gewinnen. Als wahrscheinlich größter Verlierer der Regionalwahlen würde die PRI aus diesen Wahlen gehen, mit rund 6 verlorenen Gouverneursmandaten, welche alle an MORENA gehen würden. Für die PAN stehen die Aussichten gut, die PAN-Hochburg Querétaro mit Mauricio Kuri zu halten und San Luis Potosí in Koalition mit der PRI hinzuzugewinnen. Damit würden im wirtschaftlich enorm wichtigen Zentrum des Landes, in der sog. Alianza Centro Bajío Occidente (ACBO) vier der fünf Bundesstaaten in dieser Region von der PAN regiert (Aguascalientes, Guanajuato, San Luis Potosí und Querétaro). Wenn die PAN zudem Chihuahua mit Maria Eugenia Campos und Baja California Sur mit Francisco Pelayo halten könnte, wäre dies aus der Sicht der PAN auf Gouverneursebene ein optimales Ergebnis.

Nicht zuletzt - jedoch zumindest auf internationaler Ebene weit weniger im Fokus – stehen die Landtagswahlen, also die Wahl von 1.055 Abgeordneten für lokale Parlamente sowie für Bürgermeisterämter und Stadträte an. Mit rund 1.900 Bürgermeisterämtern und Kommunalpräsidentschaften, rund 2.000 Síndicos und knapp 14.500 Stadträten in 30 Bundesstaaten werden die Resultate dieser Wahlen auf lokaler Ebene voraussichtlich die Leistungen der lokalen Regierungen (Bürgermeister, Gouverneure und Landtage) über die letzten Monate und Jahre reflektieren. Diesbezüglich sind die Aussichten für MORENA eher ungünstig, da die Regierungspartei an vielen Orten eine eher schlechte Bilanz aufweist. Die Wählerschaft konzentriert sich auf lokaler Ebene im Wesentlichen auf Ansehen und Eigenschaften der Kandidaten, insbesondere derjenigen, die für den Gouverneurs- oder Bürgermeisterposten kandidieren. Ein wichtiger Faktor gegen MORENA auf dieser Verwaltungsebene wird erwartungsgemäß die Oppositionskoalition zwischen PAN, PRI und PRD sein, die in 219 von 300 Distrikten zusammen antreten wird.

 

Der Wahlkampf

Die am 4. April 2021 offiziell gestartete Wahlkampagne verlief bisher trotz der aktuellen Situation rund um die Covid-19-Pandemie weitestgehend störungsfrei. Angesichts des Ausmaßes der Gesundheitskrise im Land, hätte man erwartetet, dass der Wahlkampf vor allem im virtuellen Raum stattfindet. Dennoch gab es Treffen mit mehr als 50 Personen im Freien, jedoch ohne ausreichende Distanzierung. Solche Besuche von Kandidaten in deren Wahlkreisen unter Missachtung der sanitären Vorsichtsmaßnahmen waren die Norm. Zudem hat die Regierungspartei ganz klar versucht, das Impfprogramm im Wahlkampf zur Steigerung der eigenen Popularität zu instrumentalisieren. In diesem Zusammenhang hat TEPJF vor einigen Wochen bestätigt, dass MORENA die Impfkampagne zu politischen Zwecken missbraucht und damit gegen die Anweisung des INE verstoßen hat, keinen Wahlkampf mit der Impfkampagne zu betreiben. Dass dies den Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem INE weiter angeheizt hat, war eine fast logische Konsequenz.

Im Allgemeinen zeichnet sich der aktuelle Wahlkampf vor allem dadurch aus, dass es vorrangig um Kandidaten und Personen und weniger um Inhalte geht. So stehen vielmehr folgende Aspekte im Mittelpunkt:  Einmischung der Regierung zur Diskreditierung der Opposition; Gewalt, Ermordung oder Drohungen gegen Kandidaten und Journalisten; Untersuchungen, Anklagen und Sanktionen seitens des Wahlinstituts und des Wahlgerichts sowie (bisher nur verbale) Angriffe auf autonome Organismen wie das INE und TEPJF. Eine gesonderte Rolle spielt dabei Präsident López Obrador selbst, dem laut Wahlgesetz eigentlich jegliche Einmischung in den Wahlkampf untersagt ist, der dies aber in konsequenter Regelmäßigkeit in seinen morgendlichen Pressekonferenzen (mañaneras) ignoriert und sich dabei auf seinen Status als „einfacher Bürger“ beruft, der das Recht habe, frei seine Meinung zu äußern.

Nicht zuletzt berichtete der Präsident des INE, dass die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Einladung angenommen habe, ein Team von Wahlbeobachtern für den Urnengang am 6. Juni zu entsenden. Dieser internationale Beobachtungsprozess wird seit den Wahlen 2009 in Mexiko durchgeführt.

 

Aktuelle Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf Politik und Wahlen

Die tiefe Wirtschaftskrise, die nach wie vor grassierende Covid-19-Pandemie und eine verheerende Sicherheitslage erschweren den Verlauf des Wahlkampfes.

Dabei hat sich die ohnehin prekäre innere Sicherheitslage in den letzten Monaten sogar noch verschärft: Menschenrechtsverletzungen – einschließlich Folter, Verschwinden lassen, außergerichtliche Hinrichtungen und Angriffe auf Journalisten und Menschenrechtsverteidiger – kommen auch unter der Präsidentschaft López Obradors weiterhin vor und werden fast nie aufgeklärt. Straflosigkeit bleibt die Norm. Angesichts der Wahlen erkennt man – wie schon bei der Wahl 2018 – eine besorgniserregende Zunahme von politisch motivierten Übergriffen. Vor diesem Hintergrund präsentierte Rosa Icela Rodríguez Velázquez, Ministerin für Sicherheit und Schutz der Bürger, eine sogenannte Schutzstrategie im Wahlkontext (Estrategia de Protección en Contexto Electoral). Letztere soll den Kandidaten Vorkehrungs- und Schutzmaß-nahmen bieten. Dies ist ein zaghafter Versuch, Bedrohungen gegen Kandidaten durch das organisierte Verbrechen zu reduzieren. Doch trotzdem wurden bisher seit Anfang des Jahres insgesamt 139 Politiker und Beamte ermordet. Jüngstes Beispiel hierfür ist Ivonne Gallegos, die ein Bürgermeisteramt für die „Va por Oaxaca“-Koalition in der Munizipalität Ocotlán anstrebte und erschossen wurde. Zusätzlich wurden bisher 234 Fälle von Bedrohungen oder Übergriffen an Kandidaten verzeichnet. Bis zum Wahltag könnten noch etliche weitere hinzukommen.

Infolge der Pandemie wird geschätzt, dass die Zahl der Armen im vergangenen Jahr um etwa 9,8 Millionen gestiegen ist. Die heftigen Verluste und Rückschläge in der sozialen Entwicklung des Landes werden keinesfalls durch die von der Regierung erstellten Sozialprogramme zum Abbau der sozialen Ungleichheiten aufgefangen. Die Investitionsrate liegt momentan in Mexiko ca. 10 Prozent unter dem Wert, der vor der Pandemie verzeichnet wurde. In diesem Jahr liegt die durchschnittliche Wachstumserwartung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) laut Experten zwischen 3,9% und 4,7%. Schätzungen zufolge ist eine wirtschaftliche Erholung auf ein Prä-Pandemie-Niveau allerdings frühestens zwischen den Jahren 2023 und 2026 zu erreichen.

Nicht zuletzt ist die durch Covid-19 verursachte Lage in Mexiko ernüchternd und auf die schlicht desolate Handhabung der Pandemie seitens der mexikanischen Regierung zurückzuführen. Schaut man sich die Todeszahlen an, so liegt Mexiko (mit offiziell 2.368.393 Fällen und 219.323 Toten) weltweit an 4. Stelle, nach den Vereinigten Staaten, Brasilien und Indien.  In der Auswertung der Krise sollte man auch differenziert an die Glaubwürdigkeit der offiziellen Fakten und Zahlen herangehen: Die Informationslage ist unzuverlässig und die Dunkelziffer der Covid-19- Infizierten und -Toten wird teilweise auf ein 3-fach höheres geschätzt, was v.a. auf die extrem niedrige Testrate in Mexiko zurückzuführen ist. Im globalen und regionalen Vergleich geht die Impfkampagne in Mexiko ebenfalls nur sehr schleppend voran. Auch dies schmälert die Hoffnung auf eine rasche wirtschaftliche Erholung in den kommenden Monaten sehr stark. Zwar war Mexiko eines der ersten Länder, welches im Dezember 2020 seine Impfkampagne gestartet hatte, und dennoch ist Mexiko mit bis Dato knappen 9 Prozent der Bevölkerung, die eine Zweitimpfung erhalten haben (Stand 18. Mai 2021[2]), weit von einer Herdenimmunität entfernt. Der Weg aus der Krise wird langwierig und beschwerlich werden.

 

Ausblick: Was steht in Mexiko auf dem Spiel?

Diese Wahl ist die wichtigste und gegebenenfalls folgenreichste in der relativ kurzen demokratischen Geschichte Mexikos. Sie ist zur Machtfrage schlechthin geworden: Am 6. Juni wird es darum gehen, ob López Obrador noch mehr Unterstützung bei der Konsolidierung seiner vierten Transformation (4T) durch die Abgeordnetenkammer erhalten wird oder nicht.  Der institutionelle Verfall und die demokratische Rückentwicklung sind für die derzeitige Regierung als Teil des Übergangs zu der von ihr propagierten „neuen, authentischeren“ (mit einer direkten, unmittelbaren Beziehung zwischen Präsident und Volk) Demokratie in Mexiko zu verstehen. Öffentliche Anschuldigungen und Drohungen, autonome Institutionen wie das INE oder TEPJF vollständig zu reformieren oder zu ersetzen, geben einen bitteren Vorgeschmack auf das, was passieren könnte, sollte die Regierungspartei eine relative oder absolute Mehrheit erhalten: Dies könnte nämlich münden in eine graduelle Erosion der Gewaltenteilung mit einer sich stets erweiterten Machtkonzentration in der Person des Präsidenten selbst.

Somit wird klar, wieviel vom Ergebnis dieser Wahlen v.a. in der Abgeordnetenkammer, aber auch bei der neuen Gewichtung der Macht-verhältnisse bei den Gouverneuren abhängt.

Von den weiter oben schon skizzierten Szenarien über die möglichen Mehrheitsverhältnisse in der Abgeordnetenkammer wird es abhängen, wie ungehindert oder limitiert López Obrador in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit regieren kann. Seine Zustimmungswerte sind nach wie vor hoch, ein echter Gegenspieler ist derzeit nicht in Sicht. Allerdings sind die Erwartungen in der Bevölkerung durch die Pandemie-Auswirkungen nicht geringer geworden, ganz im Gegenteil. Ob und wann eine „Entzauberung“ des Phänomens AMLO bis 2024 stattfinden wird, hängt damit sowohl von seiner Problemlösungskapazität aber auch von der Fähigkeit der Opposition ab, echte, auch personelle Alternativen aufzuzeigen.

 


 

[1] Siehe: https://elpais.com/mexico/2021-05-17/morena-pierde-la-mayoria-absoluta-y-necesita-de-aliados-para-controlar-el-congreso.html

[2] https://www.bloomberg.com/graphics/covid-vaccine-tracker-global-distribution/

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Ing. Hans-Hartwig Blomeier

Hans Blomeier

Leiter des Auslandsbüros Mexiko

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