Mit Blick auf die sinkende Beteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament schlug Ahtisaari ein Trainingsprogramm für alle europäischen Bürger vor, um sie mit der Bedeutung und den Aufgaben der Europa-Politiker vertraut zu machen. „Viele Menschen sind sich nicht des Einflusses bewusst, den die europäische Politik auf ihr tägliches Leben hat“, glaubt Ahtisaari.
Bei der Frage der „Weltregierung“ geht er von einem weiter wachsenden Einfluss der regionalen Verbände wie EU, ASEAN oder Afrikanische Union aus. Sehr skeptisch zeigte sich der 71-jährige bei der Reformfähigkeit der Vereinten Nationen. „Seit Jahren wird über eine Reform diskutiert, aber es zeigt sich nur sehr wenig Fortschritt. Die etablierten Mächte halten zu sehr an ihrem Einfluss fest.“ Statt dessen aber müssten in einem globalen „New Deal“ auch die neuen Schlüsselstaaten wie Indien einbezogen werden.
In der durch die Globalisierung zusammengewachsenen Welt macht Ahtisaari zwei große Ängste aus: Die Furcht vor dem Kampf der Kulturen ist das eine Extrem, die Furcht vor der „McDonaldisierung“ und dem verschwinden der kulturellen Identität ist das andere. Der Nobelpreisträger ist optimistisch, dass beides nicht Realität wird, und vertraut auf die integrierende Wirkung des technologischen Fortschritts und der zunehmenden Mobilität: „Immer mehr Menschen auf der Welt haben die Möglichkeit zu reisen. Das hilft, andere Kulturen kennenzulernen und zu respektieren.“
In die Verantwortung für informierte und aktive Bürger zog Ahtisaari auch die Medien mit ein. „Außenpolitische Berichterstattung wird zu oft auf Konflikte reduziert“, sagte er. Um verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können, müssten die Bürger aber Zugang zu umfassenden Informationen haben. „Wir leben in turbulenten Zeiten, in denen Wachsamkeit gegenüber der Politik und dem Geschehen auf der Welt unerlässlich ist“, so Ahtisaari abschließend.
In seinem rechtspolitischen Kommentar zum Vortrag des Nobelpreisträgers bezeichnete Prof. Matthias Herdegen von der Universität Bonn die Übertragung der Währungshoheit der Nationalstaaten auf die Europäische Union als „Segnung“. Schwieriger aber sei eine echte Integration der Sicherheits- und Außenpolitik. „Dafür muss Klarheit über die zukünftige Gestalt der EU gewonnen werden“, so Prof. Herdegen. Gleichzeitig erscheine der Abgesang auf die Souveränität der Staaten reichlich verfrüht.
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