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Angst vor Veränderung

от Dr. Hubert Gehring, Margarita Cuervo

Kolumbianer lehnen Friedensvertrag mit der FARC ab

Skeptiker hatten es befürchtet, die letzten Meinungsumfragen hatten es erahnen lassen und am Abend des 2. Oktober wurde es zur Gewissheit. In der Volksbefragung zu dem kürzlich ausgehandelten und von der Regierung und der FARC-Guerilla am 26. September unterschriebenen Friedensvertrag, sagte eine knappe Mehrheit von 50,25 Prozent der 12,8 Millionen teilnehmenden Kolumbianern „Nein“.

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Kolumbien steht in diesen Stunden unter Schock – die Befürworter des Friedensvertrages, vor allem Menschen in Städten und an der Küste reagieren apathisch, und selbst die Gegner des Abkommens, also die Befürworter des „nein“, können es nicht glauben. Eine Mehrheit der am Referendum teilnehmenden Kolumbianer lehnt den von Präsident Santos ausgehandelten Friedensvertrag ab. Selbst erfahrene Politiker und Journalisten im Land sind fassungslos. Ratlosigkeit allenthalben an diesem Abend des 2. Oktober 2016.

Aber diese Ratlosigkeit wird nicht andauern, in wenigen Stunden werden die Fragen nach dem „Warum“ und den Konsequenzen dieser Entscheidung beginnen, und es wird versucht werden offene politische Rechnungen zu begleichen – Kolumbien geht innenpolitisch als auch außen-und wirtschaftspolitisch schwierigen Zeiten entgegen. Zunächst aber der Versuch einer ersten Analyse nach dem „Warum“.

Warum hat eine Mehrheit gegen den Friedensvertrag mit der FARC gestimmt?

Ein nicht zu unterschätzender Grund für das „nein“ dürfte sein, dass die Entscheidung für viele Kolumbianer eine höchst emotionale und auch eher in Richtung der Vergangenheit orientierte Entscheidung als eine nach vorwärts in Richtung Zukunft gerichtete Entscheidung war. 270.000 Tote, sieben Millionen Vertriebene über zwei Generationen, sprich 50 Jahre lang, hat der sogenannte bewaffnete Konflikt bereits gedauert. Viele Ältere konnten sich wohl von dem Gram dieser Vergangenheit und dem Zorn auf die im Friedensvertrag gemachten Zugeständnisse an die FARC nicht freimachen. Gerechtigkeit – was immer dieser Begriff im Zusammenhang mit dem Abkommen mit der FARC bedeuten mag – für viele Kolumbianer kam dieser Begriff wohl zu kurz.

Eine Achillesferse des Abkommens war auch zweifelsohne, dass es versäumt wurde möglichst alle Kolumbianer einzubinden. Hier hat die Regierung und Präsident Santos die Unzufriedenheit im skeptischen Lager der Kritiker nicht auffangen können. Am Schluss war es in der Öffentlichkeit weniger eine Diskussion in einer 48 Millionen Menschen umfassenden Gesellschaft, sondern nur noch ein Schlagabtausch zwischen zwei Alpha - Politikern, dem aktuellen Präsidenten Santos und seinem Kontrahenten dem ehemaligen Präsidenten Uribe. Der eine zu ungeschickt einen Kompromiss erzielen zu können, der andere unwillig auch nur einen Schritt auf seinen Gegner zuzugehen. Im Ergebnis war dann auch beim Friedensabkommen der in Kolumbien traditionelle Personalismus ausschlaggebend. Man ordnete sich mehr einer Person, sprich Santos oder Uribe zu und vergaß wohl, dass es sich bei der Abstimmung nicht um Präsidentschaftswahlen sondern um eine Schicksalsabstimmung für das ganze Land, die ganze Gesellschaft, handelte.

Ein dritter ausschlaggebender Grund dürfte die völlig unzureichende Kommunikation und Information seitens der Regierung bezüglich des Friedensabkommens gewesen sein. Die Politik sollte sich möglichst schnell daran gewöhnen, dass im Zeitalter von Fa-cebook und Twitter im Jahr 2016 Entschei-dungen von solcher Tragweite auch in Ko-lumbien nicht mehr wie in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts von kleinen politischen Eliten in den Clubs von Bogota vorbereitet und vorentschieden werden können. Diese Zeiten sind vorbei. Auch in Kolumbien muss man Wähler inzwischen zunehmend mit Ar-gumenten/Informationen überzeugen und mitnehmen.

Und ein letzter möglicher Grund für das Ergebnis war wohl, dass viele Kolumbianer die Gefahr einer Mehrheit für das „nein“ unterschätzt haben – wohl auch wegen der seitens der Medien am Schluss sehr eindeutigen Positionierung für das „si“. Sehr oft war dann im Gespräch zu hören „das si gewinnt ja eh, dann kann ich ja auch mit no stimmen“. Dieses „no“ war dann wohl in einigen Fällen auch nicht nur auf die FARC-Themen bezogen, sondern auf die ebenfalls im Friedensvertrag enthalten Politikreformen sei es im Bereich der Landwirtschaftspolitik, der Rückgabe von Land an Binnenvertriebene etc. Nicht wenige Kolumbianer dürften mit ihrem „no“ also auch gegen (dringend notwendige) Reformen und Veränderungen gestimmt haben.

Wie geht es nun weiter im Land des „realismo magico“?

Die Ernüchterung, wohl verbunden mit stärkeren Kopfschmerzen, dürfte im Land des „realismo magico“ nicht lange auf sich warten lassen. Und die schmerzhaften mittel- und langfristigen Folgen der Nein-Entscheidung von heute werden wohl noch gravierender sein als sich viele momentan vorstellen können.

Ohne Zweifel wird nun die schon während der Verhandlungsphase zu beobachtende Polarisierung in der kolumbianischen Gesellschaft zunehmen. Experten sehen ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotential. Bleibt nur zu hoffen, dass die politischen Eliten, allen voran die Präsidenten Santos, Uribe, Pastrana, Gaviria sich ihrer Verantwortung bewusst werden und aufeinander zugehen. Zweifel an einem solchen aufeinander zugehen sind jedoch angebracht - es werden jetzt zunächst wohl eher einige politische Rechnungen beglichen werden.

Einen großen Rückschlag wird es auch bezüglich der Stellung Kolumbiens in der internationalen Politik geben. Das Land war bisher auf einem guten Weg, sei es der Weg in Richtung OECD Mitgliedschaft oder die Beteiligung/Einbindung in internationale Missionen der UNO. Von heute an wird Kolumbien mit dem Ruf leben müssen das Land zu sein, das den Frieden ablehnte. Das wird sich aller Voraussicht nach auch auf die Investitionen aus dem Ausland auswirken. Investoren dürften zunehmend nach Peru oder die anderen Länder der Pazifikallianz, sprich Mexiko und Chile ausweichen. Und auch Argentinien nach dem Machtwechsel dürfte zunehmend ein Konkurrent werden, wenn es um zukünftige Investitionen geht.

Aber am schlimmsten dürfte das Ergebnis wohl für die jüngere Generation und die gesellschaftlichen Gruppen in Kolumbien sein, die das Friedensabkommen mit der FARC auch mit Reformen zur Modernisierung des Landes verbunden haben. Chancengerechtigkeit, Inklusion, Entwicklung der ländlichen Regionen, Rückgabe von Land an Millionen von Binnenvertriebenen – das alles wird jetzt wahrscheinlich wieder auf die lange Bank geschoben werden.

Und die FARC? Diese wird sich mittelfristig wohl so oder so auflösen. Die Führer dürften sich ins „Exil“ in Drittländer absetzen, die mittlere Kommandoebene und die Soldaten unter anderem Namen, sei es bei bandas criminales, ELN, oder Mafia weitermachen – im Drogenhandel, dem illegalen Minengeschäft und im Bereich von Schutzgelderpressungen.

Was bleibt?

Es bleibt ein schaler Geschmack und Frustration. Ja, es war eine demokratische Entscheidung, die so respektiert werden muss. Aber es war eine Entscheidung die vor allem auf Emotionen und Ängsten beruht hat. Eine Entscheidung über die Zukunft eines Landes, bei der die verschiedenen politischen Führer nicht an einem Strang gezogen ha-ben sondern so agiert haben, als ginge es um eine Präsidentschaftswahl – das ganze Repertoire an egozentrischen Verhaltensmustern einbezogen. Aus heutiger Sicht und auf Kolumbien bezogen muss man sagen - Chance vertan!

Bleibt noch eine Möglichkeit im Land des realismo magico, sozusagen eine Art Ausweg á la „colombiana“. Nämlich, dass die Anführer des „si“, der Präsident Juan Manuel Santos und der Anführer des „no“ , der Ex-Präsident Alvaro Uribe Velez nach diesem Ergebnis aufeinander zugehen und einen Kompromiss untereinander und dann mit der FARC aushandeln. Ausgeschlossen ist das nicht. Bliebe in diesem Fall dann nur die Frage: Warum nicht vorher?

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