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Bombenanschlag auf Oppositionspartei überschattet Lokalwahlen in Tansania

от Stefan Reith, Danja Bergmann

Vier Tote bei Wahlkampfveranstaltung in Arusha

Erneut erschütterte am 15. Juni ein Bombenanschlag die nordtansanische Tourismusmetropole Arusha. Der Anschlag ereignete sich während einer Wahlkampfveranstaltung am Vorabend der landesweiten Wahlen zur Nachbesetzung von 26 lokalen Mandaten für Stadt- und Gemeindevertreter und richtete sich gegen die größte tansanische Oppositionspartei CHADEMA. Vier Menschen, darunter drei Kinder, wurden getötet.

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Das Attentat ist der tragische Höhepunkt der nach Augenzeugenberichten zuvor von massiven Einschüchterungsversuchen begleiteten Wahlvorbereitungen und reiht sich ein in die seit Monaten zunehmende Spirale von politisch und religiös motivierter Gewalt.

Die Wahlen in Arusha, das als Hochburg von CHADEMA (Partei für Demokratie und Fortschritt) gilt, wurden nach dem Anschlag auf den 30. Juni verschoben. Hier stehen vier Mandate zur Wahl, die von der nationalen Regierungspartei CCM (Partei der Revolution) und der Opposition besonders stark umkämpft sind, weil dem Wahlausgang in der zweitgrößten Stadt Tansanias eine hohe symbolische Bedeutung für die politischen Kräfteverhältnisse auf nationaler Ebene zugemessen wird. Der jüngste Anschlag erfolgte nur sechs Wochen nach dem Bombenanschlag auf einen katholischen Gottesdienst am 5. Mai in Arusha.

Während der Abschlusskundgebung CHADEMAs am Samstag, den 15. Juni wurde um kurz vor 18.00 Uhr ein Sprengsatz in die Menschenmenge geworfen. Dieser explodierte unmittelbar vor der Rednerbühne, auf der der Parteivorsitzende Freeman Mbowe kurz zuvor seine Ansprache beendet hatte. In der Nähe des Podiums – das Dach eines Kastenwagens – waren auch die lokale Führungsriege und nationale Spitzenpolitiker platziert. Der Sprengkörper verfehlte jedoch sein mutmaßliches Ziel, Freeman Mbowe und der in Arusha äußerst populäre nationale Abgeordnete Godbless Lema blieben unverletzt. Die Explosion traf vor allem die Menschen in den vorderen Reihen, wo auch viele Kinder saßen: Drei Kinder sowie die Vorsitzende des CHADEMA-Frauenverbands in Arusha, Judith Moshi, wurden getötet und mehr als 60 Menschen zum Teil schwer verletzt, darunter einige enge Parteimitarbeiter.

Unkoordinierte Polizeikräfte

Die anwesenden Polizeieinheiten, die für die Absicherung des Veranstaltungsortes verantwortlich waren, reagierten nach Augenzeugenberichten unkoordiniert, feuerten ziellos in die Luft, und schleuderten, während Teilnehmer panisch flüchteten, in völliger Fehleinschätzung der Lage Tränengasgranaten in die Menge. Die Rettungsmaßnahmen wurden von den Teilnehmern selbst eingeleitet. Mangels Krankenwagen stellten CHADEMA-Mitglieder eigene Fahrzeuge zur Verfügung, um Schwerverletzte in Krankenhäuser zu transportieren. Der sichtlich geschockte Parteivorsitzende Mbowe besuchte nach am selben Abend Verletzte im Krankenhaus und rief zur Solidarität mit den Opfern des Anschlags auf. Die Versorgung der Opfer habe oberste Priorität. Anschließend zog sich die Parteispitze zu Beratungen zurück.

Offizielle Reaktionen

Der Inspector General of Police (IGP) Said Mwema kündigte am Sonntag landesweite intensive Ermittlungen an, um die Schuldigen festzunehmen. Es gebe zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung, denen man nachgehe. Den Anschlag bezeichnete IGP Mwema als einen “terroristischen Akt”, der von wenigen Menschen oder einer Gruppe durchgeführt worden sei, die den Frieden im Land untergraben wollten. Man werde alles tun, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Ermittlungsspezialisten aus Dar es Salaam seien bereits in Arusha und hätten ihre Arbeit aufgenommen.

Präsident Kikwete verurteilte den Anschlag in einer vom state house veröffentlichten Erklärung und sandte seine Beileidsbekundungen an die Angehörigen der Toten und Verletzten. Er ordnete umgehend intensive Ermittlungen an, um die Verantwortlichen zu identifizieren und rief die Bevölkerung Arushas zur Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden auf. Auch der oberste Regierungsvertreter in der Region Arusha, Regional Commissioner Magesa Mulongo, erklärte, er habe die Nachricht vom Anschlag auf die CHADEMA-Veranstaltung mit „Schock und tiefer Trauer“ erhalten. Man fühle mit CHADEMA und den Opfern, betonte Mulongo, der in seinem Amt als Stellvertreter des Präsidenten in der Region Arusha auch die Leitung der Polizei- und Sicherheitskräfte verantwortet.

Die Entwicklungen am zweiten Tag nach dem Anschlag ließen diese ersten Erklärungen von Regierungsseite allerdings wie Lippenbekenntnisse erscheinen. Vertreter von Regierung und Opposition konfrontierten sich nun gegenseitig mit schweren Vorwürfen und machten jeweils die andere Seite für den Anschlag verantwortlich. Die Nationalen Abgeordneten von CHADEMA hatten bereits am Sonntag angekündigt, den Parlamentssitzungen in Dodoma für eine Woche fernzubleiben, um mit den Anschlagsopfern und ihren Familien zu trauern. Parlamentspräsidentin Makinda erklärte dann jedoch bei der Eröffnung der planmäßig durchgeführten Haushaltssitzung, sie wüsste nicht, warum die CHADEMA-Abgeordneten nicht anwesend seien und ging zur Tagesordnung über. In einer Regierungserklärung zu dem Anschlag in Arusha äußerte der für Polizei- und Parlamentsangelegenheiten zuständige Staatsminister beim Premierminister, William Lukufi, die Tendenz einiger politischer Parteien, die Bevölkerung gegen die Polizei aufzuhetzen, habe zu den jüngsten Vorfällen geführt.

Wenngleich keine Namen genannt wurden, richteten sich Lukuvis Vorwürfe klar gegen CHADEMA. Darüber hinaus erklärte er, CHADEMA-Anhänger hätten nach der Explosion die Sicherheitskräfte daran gehindert, zum Tatort vorzudringen und die Täter zu verfolgen. Man müsse sich fragen, ob die Behinderung der Polizei zufällig oder geplant gewesen sei, so Lukuvi im Parlament. Zudem sei die Polizei von CHADEMA-Anhängern angegriffen worden und hätte sich durch den Einsatz von Schusswaffen verteidigen müssen. Die Darstellung Lukuvis führte zu scharfer Kritik einiger Abgeordneter, die der Regierung im Zusammenhang mit den zunehmenden Gewaltexzessen im Land Untätigkeit vorwarfen.

Scharfe Vorwürfe und Gegenvorwürfe

Einen Schritt weiter und über vorausgegangene offizielle Verlautbarungen hinaus ging der stellvertretende Generalsekretär und Parteisprecher der Regierungspartei CCM, Nape Nnauye, mit seiner Behauptung, CHADEMA selbst habe den Anschlag begangen. Vor Journalisten erklärte er in Dodoma wörtlich, CHADEMA habe den Anschlag geplant, um die Lokalwahlen in Arusha zu sabotieren, als die Partei merkte, dass sie die Wahlen verlieren würde. Der Anschlag sei Teil einer Strategie von CHADEMA, um das Land unregierbar zu machen und daraus politisches Kapital zu schlagen, so Nnauye. Diese Äußerungen lösten einen Sturm der Kritik und Empörung auf Seiten der Opposition und regierungskritischen Zivilgesellschaft aus, der sich rapide über die Medien und Onlineforen ausbreitete.

Im Laufe des Tages trat schließlich der CHADEMA-Vorsitzende Freeman Mbowe mit einer offiziellen Stellungnahme in Arusha vor die Presse. Dabei wies der Oppositionsführer die Erklärungen der Regierungsvertreter scharf zurück und erhob schwerwiegende Vorwürfe gegen die Polizei- und Sicherheitskräfte. Mbowe erklärte, dass der Bombenanschlag von staatlichen Sicherheitsorganen geplant und durchgeführt worden sei. Man verfüge über Videomaterial und Fotos in hoher Auflösung, die das Attentat dokumentierten und auf denen der Täter, ein Mitglied der uniformierten Sicherheitskräfte, deutlich zu erkennen sei. Man habe die Person bereits identifiziert und werde den Namen in Kürze öffentlich machen. Nachdem die Person die Granate geschleudert habe, habe sie mehrfach mit einer Schusswaffe gefeuert, sei dann in ein Polizeiauto gestiegen und weggebracht worden, so Mbowe. Die entsprechenden Video- und Fotobeweise seien an sicheren Orten verwahrt und würden der Öffentlichkeit noch zugänglich gemacht. Mbowe betonte, dass nach der Sprengstoffexplosion auch mit Pistolen und Maschinenpistolen in die Menge gefeuert worden sei. Weiterhin seien Einschusslöcher am Tank des Kastenwagens, der als Rednerbühne fungiert habe, gefunden worden. Mehrere Menschen mit Schussverletzungen seien in die Krankenhäuser eingeliefert worden. Mbowe forderte Präsident Kikwete auf, eine unabhängige, mit Richtern besetzte Untersuchungskommission einzusetzen, der man die Beweise zur Verfügung stellen würde. Der Polizei traue man nicht, da diese selbst in Planung und Durchführung des Attentats verwickelt sei, so Mbowe.

Kampf um die Deutungshoheit

Auch in den Internetforen, z.B. dem populären Jamii-Forum – einer Art tansanisches Facebook in Kiswahili – sowie den Diskussionsforen der Onlinemedien tobt seither der Kampf um die Deutungshoheit zu dem Bombenanschlag. Die große Mehrheit der Diskussionsteilnehmer äußert sich dabei sehr regierungskritisch. Viele Beiträge kritisieren die Untätigkeit der Regierung, die CHADEMA als “Terroristen” bezeichne, selbst aber Gewalt gegen die Opposition stillschweigend dulde oder aktiv befördere. Ein Diskussionsbeitrag kritisierte beispielsweise, der Präsident nehme zwar sonst an „jeder Beerdigung im Lande“ teil und habe nach dem Anschlag auf die Kirche einen Staatsbesuch abgebrochen. Bei dem Terroranschlag auf die Opposition hielte er sich aber bedeckt. Viele Diskutanten formulieren ihre Sorge um ein Abgleiten Tansanias in Gewalt und Chaos, wenn die Regierung nicht konsequent handele und die Drahtzieher der Terroranschläge in Arusha zur Rechenschaft ziehe.

Ausschreitungen bei Trauerfeier

Am 18. Juni, drei Tage nach dem Anschlag, eskalierte die Lage in Arusha erneut. Die als Trauerfeier geplante Versammlung der Opposition am Ort des Anschlags wurde gewaltsam aufgelöst. Die Nutzung des Platzes war durch seinen Eigentümer, das der tansanischen Regierung unterstehende Arusha International Conference Center (AICC), untersagt worden. Als Oppositionsvertreter daraufhin die Menge aufforderten, den Platz zu verlassen und sich zu einem der Krankenhäuser zu begeben, um den Toten dort die letzte Ehre zu erweisen, begannen Polizei- und Sicherheitskräfte, die Menge mit Schlagstöcken und Tränengas auseinanderzutreiben.

Über Stunden herrschte Chaos in der Innenstadt Arushas, Tränengasschwaden lagen in den Straßen. Auch die Verbindungsstraße nach Nairobi, die zentrale Verkehrsader im Norden Tansanias, war zwischenzeitlich wegen der Tumulte unterbrochen. Insgesamt vier nationale Abgeordnete der Opposition wurden mit dem Vorwurf der Ansprache an eine illegale Versammlung festgenommen und erst am nächsten Tag wieder freigelassen. Gerüchte, dass einer der Abgeordneten, der parlamentarische Geschäftsführer CHADEMAs Tundu Lissu, bei dem Polizeieinsatz ums Leben gekommen sei, bewahrheiteten sich nicht. Lissu berichtete aber nach seiner Freilassung von Misshandlungen durch die Polizei. Auch Journalisten und Medienvertreter berichteten von Verfolgung und Repressalien durch die Polizeikräfte, die ihren Aussagen zufolge Digitalkameras, Laptops und Mobiltelefone beschlagnahmten.

Die gegenseitigen Schuldzuweisungen eskalierten infolge der erneuten Ausschreitungen weiter. CCM-Vertreter warfen der Opposition vor, die Bevölkerung gegen die Polizei aufzuwiegeln und politisches Kapital aus dem Attentat schlagen zu wollen. Vertreter der Opposition prangerten dagegen die unangemessene Polizeigewalt gegen eine friedliche Versammlung an und warfen den Sicherheitskräften vor, die wahren Hintergründe des Anschlags vertuschen zu wollen.

„Mit aller Härte“

Im nationalen Parlament sorgte die Entwicklung in Arusha für weitere Aufregung. Einer öffentlichen Erklärung des Premierministers Mizengo Pinda folgte in den Medien eine Welle der Empörung: Auf die Frage eines Abgeordneten, was die Regierung gegen die zunehmende Gewalt in Tansania unternehme, hatte Pinda geantwortet, man müsse die Verursacher des Chaos niederprügeln. Zur Wahrung von Frieden und Sicherheit im Land werde die Regierung alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. Wenn die Regierung dazu gezwungen werde, Gewalt einzusetzen, würden Menschen leiden, so die eindeutige Warnung des Premierministers.

Die Ursache der aktuellen Entwicklungen könne laut Pinda in der Drohung CHADEMAs liegen, das Land unregierbar zu machen. Dem Einwand eines Abgeordneten der oppositionellen CUF-Partei (Civic United Front), diese Äußerungen verstießen gegen die Verfassung und die Unschuldvermutung, entgegnete Pinda, dass sich die Verfassung nur auf gesetzestreue Personen beziehe, nicht auf solche, die sich den legalen Anweisungen des Staates widersetzten. Die öffentlich im Parlament vorgetragenen Äußerungen des Premierministers wurden von unabhängigen Beobachtern als unverhohlene Drohung an CHADEMA sowie als Aufforderung an die Polizei- und Sicherheitskräfte interpretiert, künftig mit aller Härte gegen Proteste von Opposition und Regierungskritikern vorzugehen.

Vorfälle bei den Lokalwahlen

Wenngleich die Lokalwahlen in den vier Wahlbezirken Arushas aus Sicherheitsgründen auf den 30. Juni 2013 verschoben wurden, fanden die Lokalwahlen an den anderen Orten am 15. Juni wie geplant statt. Der Bombenanschlag in Arusha überschattete dabei die zahlreichen weiteren Zwischenfälle, von denen Augenzeugen und Betroffene berichteten. Der Leiter der Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit CHADEMAs und nationaler Abgeordneter, John Mnyika, erklärte in einer öffentlichen Stellungnahme, dass die Regierungspartei CCM ihre Anhänger an praktisch allen Wahlorten zur Gewalt gegen CHADEMA angestachelt und die Bevölkerung durch die Polizei eingeschüchtert habe. CHADEMA-Vertreter seien vor den Wahlen entführt und zusammengeschlagen worden. Viele seien schwer verletzt worden; die Täter seien allgemein bekannt, aber von der Polizei nicht belangt worden. CHADEMA veröffentlichte eine Liste, in der die Vorfälle bis ins Detail - bis hin zur Autonummer der beteiligten Polizeifahrzeuge – dokumentiert wurden. In Monduli wurde ein nationaler CHADEMA-Abgeordneter, Joshua Nassari, schwer verwundet, als er beim Verlassen des Wahllokals von einer Gruppe von 30 vermeintlichen CCM-Anhängern angegriffen und zusammengeschlagen wurde. Nassari erklärte später im Krankenhaus, er hätte sich zu seinem Auto retten können, wo seine Pistole lag. Mit dieser hätte er die Angreifer zurückgehalten, sonst wäre er wohl zu Tode geprügelt worden, so Nassari.

Offenbar kam es an vielen Orten auch zu versuchten oder tatsächlichen Wahlmanipulationen. In Arusha wird einem hochrangigen CCM-Politiker vorgeworfen, er habe versucht, die Wahlbehörden zu bestechen. In Mbagala, einem Vorort Dar es Salaams, waren mehr Wähler im Wahlverzeichnis eingetragen als im nationalen Wahlregister. An anderen Orten fanden registrierte Wähler beim Wahlgang ihren Namen nicht mehr auf der Liste. Opposition und lokale Medien berichteten von zahlreichen Unregelmäßigkeiten. Bei unabhängigen Beobachtern sowie in der breiten Bevölkerung verstärkt sich angesichts dieser Berichte der Eindruck, dass die Regierungspartei die Wahlen landesweit zu manipulieren versuchte.

Die Zukunft der Opposition

In ihren offiziellen Verlautbarungen proklamieren sowohl Regierung wie auch Opposition die Wahlergebnisse als Erfolg. Von den 22 zur Wahl stehenden Mandaten konnte die Regierungspartei 15 Sitze und CHADEMA 7 verbuchen. Während seitens der CCM auf das ungebrochene Vertrauen der Bevölkerungsmehrheit in die Regierungspartei hingewiesen wird, verweisen CHADEMA-Vertreter auf die starken Zugewinne. Von den 22 zur Wahl stehenden Mandaten habe die Partei vorher nur eines besetzt. Dieses habe man behauptet und sechs weitere hinzugewonnen. Angesichts der zahlreichen Einschüchterungs- und Manipulationsversuche sei dies ein sehr gutes Ergebnis, zumal am 30. Juni noch vier Mandate in Arusha zu besetzen seien. Ein Parteisprecher wies darauf hin, dass CHADEMA (ca. 18.000 Stimmen) bei der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen sogar deutlich vor der CCM (ca. 17.000 Stimmen) liege.

Unabhängige Beobachter sehen die Wahlen als Beleg dafür, dass sich CHADEMA im politischen Wettbewerb inzwischen auf Augenhöhe mit der Regierung bewegt und gestehen der Partei bei den Lokalwahlen 2014 sowie den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2015 durchaus Chancen auf einen Wahlsieg zu. Die grundlegende Voraussetzung dafür wäre allerdings ein weitgehend transparenter und fairer Verlauf der Wahlen. Dies scheint angesichts der aktuellen Entwicklungen wenig realistisch. Die wachsende Popularität der Opposition auch außerhalb der urbanen Zentren des Landes seit dem Wahlerfolg bei den letzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2010, korreliert mit einem signifikanten Anstieg staatlicher Repression gegen Opposition und Regierungskritiker. Diese Entwicklung ist in verschiedenen unabhängigen Berichten eindeutig belegt.

Religiös motivierte Gewaltspirale

Die wachsende politische Spannung wird zudem von einem Anstieg religiös begründeter Gewalttaten und Auseinandersetzungen begleitet. Höhepunkt dieser Entwicklung bildet der Bombenanschlag bei der Einweihung einer katholischen Kirche in Arusha am 5. Mai 2013. Ein Sprengsatz wurde kurz vor Beginn des Feiergottesdienstes, der von dem Erzbischof von Arusha, Josaphat Lebulu, und dem vatikanischen Nuntius in Tansania, Francisco Padillo, geleitet werden sollte, in die Menge der dort versammelten Gläubigen geworfen. Drei Menschen wurden getötet, mehr als 60 teilweise schwer verletzt. Auch hier waren zahlreiche Kinder unter den Toten und Verletzten.

Präsident Jakaya Kikwete brach seinen Staatsbesuch in Kuwait unmittelbar nach Bekanntwerden des Anschlages ab. Er und weitere hohe Regierungsvertreter, u.a. Vizepräsident Mohamed Gharib Bilal und Premierminister Mizengo Pinda, trafen in Arusha ein, um Verletzte zu besuchen und der Öffentlichkeit zu versichern, dass alle erdenklichen Maßnahmen zur Aufdeckung der Hintergründe und zur Erfassung der Täter ergriffen würden. Die Einsatzkräfte der tansanischen Polizei wurden, wie bereits im Fall der Ermordung eines Priesters Anfang 2013 auf Sansibar, durch das FBI verstärkt, um mögliche Zusammenhänge zu den religiös motivierten Anschlägen auf christliche und muslimische Kleriker sowie zu den zunehmenden interreligiösen Auseinandersetzungen im Land zu untersuchen. Nach Aussage des Regional Commissioner von Arusha wurden mindestens neun verdächtige Personen festgenommen und zu dem Bombenattentat des 5. Mai befragt. Vier saudiarabische Touristen wurden unmittelbar wieder freigelassen, zum Verbleib eines in Haft genommenen Tansaniers liegen keine Informationen vor. Damit ist der offizielle Stand der Ermittlungen erschöpft.

Seit Oktober 2012 haben Friktionen zwischen christlichen und muslimischen Bevölkerungsteilen sowie Protesthandlungen von islamistischen Gruppierungen gegen den Staat oder Vertreter der christlichen Kirchen deutlich zugenommen. Für Schlagzeilen sorgten zuvor mehrere, bislang ungeklärte Brandanschläge auf Kirchen in Sansibar aber auch in Dar es Salaam durch eine Menge aufgebrachter Muslime infolge der Schändung des Koran durch einen 14jährigen Christen. Mehrere Protestwellen radikal islamischer Vertreter der UAMSHO Bewegung, die für die Sezession Sansibars vom Festland Tansanias eintritt, versetzten die sansibarische Hauptstadt Stonetown wiederholt in Ausnahmezustand und forder-ten das Leben eines Polizisten.

Hintergrund war das bislang ungeklärte, dreitägige Verschwinden eines religiösen Führers der Bewegung. Anhänger riefen auf der UAMSHO-Facebookseite zu Attacken gegen Christen auf. Auch Dar es Salaam wurde Ende letzten Jahres von Protestwellen gegen die Inhaftierung des radikal islamischen Sheiks Ponda Issa Ponda wiederholt in Unruhe versetzt. In die Kette religiös motivierter Gewalt reiht sich auch der Anschlag auf den Sekretär des Muftis von Sansibar im November 2012 ein. Sheikh Soraga, ein prominenter Befürworter des interreligiösen Dialogs, wurde beim Joggen von zwei Unbekannten mit Säure attackiert, Gesicht und Oberkörper wurden dabei schwer verletzt.

Zwei Attentate mit Schusswaffen wurden im Dezember 2012 und im Februar 2013 auf katholische Priester verübt, jeweils auf Sansibar. Zu den Ermittlungen um die Erschießung des katholischen Priesters Evarist Mushi wurde sogar das US Federal Bureau of Investigations (FBI) herangezogen, Ergebnisse wurden bislang keine öffentlich gemacht. In der Region Geita, südlich des Viktoriasees, wurde im Februar dieses Jahres ein katholischer Priester im Rahmen christlich-muslimischer Auseinandersetzungen enthauptet. Die aufgebrachte christliche Gegenseite konnte daran gehindert werden, im Gegenzug die Moschee mit den geflüchteten Muslimen in Brand zu setzen.

Mit dem neuerlichen und, wenn man die Indizien zusammenfügt, klar politisch motivierten Bombenanschlag auf die CHADEMA-Wahlveranstaltung am 15. Juni, richten sich die Blicke auch wieder auf die Umstände des Anschlags am 5. Mai in Arusha. Beob-achter stellen die Frage nach einem möglichen Zusammenhang beider Anschläge sowie der politischen und religiösen Gewaltexzesse generell.

Drohender Machtverlust und Eskalation der Gewalt

In Anbetracht der Entwicklungen der letzten Monate – die stetig wachsende Zustimmung zur Opposition, der zunehmende Ansehensverlust der Regierung, bislang noch lokal begrenzte Massenproteste der Bevölkerung und der laufende Verfassungsreformprozess – sieht die Regierungspartei CCM ihr bisheriges Machtmonopol in Frage gestellt. Von der Unabhängigkeit Tanganjikas im Jahr 1961 bis zur Einführung des Mehrparteiensystems 1992 führte die aktuelle Regierungspartei das Land als Staatspartei im Einparteiensystem. Sie dominierte auch die erste Dekade des 1992 eingeführten und 1995 im Zuge der Präsidentschaftswahlen erstmals angewandten Mehrparteiensystems. Doch bei den Wahlen 2010 gelang es der Opposition, sich als sichtbare Alternative zu etablieren. Zahlreiche Experten innerhalb und außerhalb des Landes halten einen demokratischen Regierungswechsel in den nächsten Jahren inzwischen für realistisch, befürchten aber, dass die regierenden Eliten dieses unter Einsatz aller Mittel zu verhindern suchen.

Die zunehmend repressiven Reaktionen des Polizei- und Sicherheitsapparates auf legitime Proteste und Kritik von der Bevölkerung werden als Vorgeschmack auf die kommenden zwei Jahre bis zu den nächsten Wahlen interpretiert. Die Liste der Fälle von Bedrohungen, Drangsalierungen und Verfolgungen von Oppositionellen und Regierungskritikern wächst ständig. Dabei wechseln sich subtile Formen der Einschüchterung und Manipulation immer häufiger mit der Anwendung offener Gewalt ab. Die Urheber bleiben in der Regel unbekannt oder ihre Identitäten werden verschleiert. Die Täter werden von den staatlichen Strafverfolgungsbehörden nicht zur Rechenschaft gezogen. Selbst von den Sicherheitskräften nachweislich verübte Tötungen bleiben straffrei und werden gedeckt. Kriminalisiert werden dagegen die Opfer, denen „Volksverhetzung, Anstiftung zu öffentlichem Aufruhr und Terrorismus“ vorgeworfen wird. Die Umdeutung der Opfer zu Tätern durch höchste Regierungsstellen hat System. Während der Premierminister im Parlament offen davon sprach, Proteste niederknüppeln zu lassen, behauptete der Parteisprecher der Regierungspartei nach dem jüngsten Anschlag in Arusha, die Opposition habe das Sprengstoffattentat auf die eigene Wahlveranstaltung verübt, um Mitleid und Unterstützung zu kreieren. Diese Aussagen sprechen für sich selbst.

Neue Dimensionen von Gewalt

Die Eskalation der Sprache ist symptomatisch für die sich immer schneller drehende Spirale religiöser und politischer Gewalt. Ob und wie beides zusammenhängt, ist für Außenstehende nicht seriös nachvollziehbar. Das gilt auch für die beiden Bombenanschläge im Mai und Juni in Arusha. In beiden Fällen handelt es sich jedenfalls um eine völlig neue Dimension von Gewalt. Sowohl bei dem Anschlag auf die Kirche als auch bei dem Anschlag auf die CHADEMA-Veranstaltung waren unter den Toten und Verletzten viele Kinder. Auch deswegen sprachen viele Kommentatoren von einem terroristischen Akt. Gemeinsam ist beiden Fällen zudem, dass von konkreten Ermittlungsfortschritten in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt wird. Auch wenn beide Anschläge mit einer Handgranate verübt worden sein sollen und die kenianische Grenze in Arusha nicht weit ist, gibt es aus Sicher-heitskreisen keine Hinweise auf mögliche Verbindungen zur Al-Shabaab, die in Kenia bereits nach ähnlichem Muster Anschläge verübt hat. Während die tansanische Regierung nach dem Anschlag auf den Gottesdienst über die amerikanische Botschaft das FBI um Unterstützung bei den Ermittlungen bat, blieb eine solche Anfrage im jüngsten Fall aus. Kritiker bewerten dies als Beleg dafür, dass die Regierung kein echtes Interesse an einer Aufklärung des Anschlags auf die Opposition habe. Während Augenzeugenberichte von Verletzten in den Medien auftauchen, die die Polizei schwer belasten, beschuldigen Vertreter der Regierungspartei weiterhin die Opposition selbst. Allerdings hat CHADEMA bis zum Abschluss des vorliegenden Länderberichts (25.6.) auch noch keinen der angekündigten Foto- und Videobeweise öffentlich gemacht.

Ein Abklingen der Spannungen ist derzeit nicht in Sicht; die unmissverständlichen öffentlichen Drohungen von Regierungsvertretern lassen im Gegenteil eine weitere Eskalation befürchten. Die nachzuholenden Wahlen von vier Stadtvertretern am 30. Juni in Arusha bergen vor diesem Hintergrund erneut großes Konfliktpotential.

Die Tatsache, dass selbst lokale Nachwahlen einzelner kommunaler Mandate zu massiver Gewalt in faktisch allen Wahlbezirken und einem Bombenanschlag in Arusha führen konnten, verleitet Kommentatoren in den Medien zu der These, dass die kommenden Urnengänge 2014 und 2015 das Land in Gewalt und Chaos stürzen könnten, wenn die Verantwortlichen nicht umgehend einlenken. Pessimistische Stimmen bezweifeln sogar, dass die gegenwärtigen politischen, religiösen und sozialen Spannungen sich überhaupt noch so lange kanalisieren lassen.

Die Vertreter der internationalen Gemeinschaft vor Ort mahnen die tansanischen Behörden vor diesem Hintergrund zum Handeln. In einem Zeitungsinterview mit der größten englischsprachigen Tageszeitung in Tansania „The Citizen“ erklärte der Leiter der EU-Delegation im Land, Filiberto Sebregondi, dass ausbleibende Ermittlungsergebnisse und anhaltende Straffreiheit für die Urheber der letzten Vorfälle von Gewalt den demokratischen Prozess und die Zukunft des Landes bedrohten. Mit dieser Einschätzung steht Sebregondi nicht alleine.

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