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Die Rochade: Estlands Präsidentschaftswahlen im Spätsommer 2001

от Jörg-Dietrich Nackmayr
Die politisch entscheidende Frage ist nicht die, wer ist der geeignete Präsidentschaftskandidat, sondern die Frage, wie viele Spitzenfunktionen darf eine Partei in Estland besetzen, wenn sie lediglich über 18% der Mandate im Land verfügt?

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Die Rochade ist ein Spielzug aus dem Schachspiel. Sie ist ein Doppelzug, bei dem König und Turm bewegt werden, um den König zu schützen. Wesentliche politische Entscheidungen in Estland erinnern zur Zeit an diese taktische Spielfigur.

Aufgetaucht war diese taktische Variante zuerst während des quälenden Streits in der Tallinner Stadtregierung zum Jahresbeginn 2001. Die liberale Reformpartei begehrte gegen den der Isamaa angehörenden Bürgermeister Jüri Mõis auf. Er wurde schließlich fallengelassen und durch den zunächst parteilosen Unternehmer Tõnis Palts ersetzt. Palts trat erst kurz vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister der Isamaa bei. Die Isamaaliit behielt ihren Einfluss. Die seit den Wahlen 1999 bestehende Machtarithmetik im Land blieb bestehen. Die gewonnene Ruhe war aber nur von kurzer Dauer.

Denn seit Mart Laars Doppelspiel bei der Wiederwahl zum Parteivorsitzenden und der knappen Durchsetzung Peter Tulvistes als Kandidat der Vaterlandspartei (Isamaa) für die Wahl zum Präsidenten, geht nun ein Riss auch durch die Konservativen Estlands.

Dessen erstes Opfer wurde vor wenigen Tagen Laars Generalsekretär Andres Ammas. Ammas hatte die entscheidende Wahlrede für Tulviste gehalten und wurde deswegen kurz nach dem Parteitag zur Zielscheibe gesteuerter innerparteilicher Kritik. Diese Kritik gilt eigentlich Laar selbst. Ammas ist lediglich der Stein, mit dem man auf den Parteivorsitzenden zielt.

Die Familie Marie-Ann und der gegen Tulviste durchfallene Präsidentschaftskandidat Tunne Kelam ließen in den Wochen nach dem Nominierungsparteitag keinen Versuch ungenutzt, um Laars General zu demontieren. Obwohl Ammas im erweiterten Parteivorstand eine klare Mehrheit für seine Weiterarbeit erhielt, wechselte Mart Laar seinen Generalsekretär aus und beförderte ihn kürzlich zum Büroleiter im Ministerpräsidentenpalais. Die zweite Rochade war vollbracht.

Sein bisheriger Büroleiter Matti Maasikas hatte sich nach zweijähriger Arbeit für den Regierungschef einen Botschafterposten verdient. Sollte der amtierende Staatspräsident Meri seine Vorbehalte gegen den erst 34jährigen aufgeben, wird Maasikas schon bald Estland in Finnland repräsentieren.

Am 13. August wurde nun der neue Generalsekretär Leho Karjus auf Vorschlag des Parteivorsitzenden Laar mit 9 Stimmen im Vorstand gewählt. Er setzte sich gegen Sirje Kiin und Jüri Mõis durch. Die Pressesprecherin und Beraterin der Isamaaliit Fraktion erhielt wie auch der ehemalige Bankchef, Innenminister und kürzlich abgewählte Oberbürgermeister der Hauptstadt Tallinn 3 Stimmen.

Am 18. August hat die Vertreterversammlung dieses Ergebnis mit 25 Stimmen für Karjus zu 8 für Mõis bei 4 Enthaltungen bestätigt. Frau Kiin war nicht mehr angetreten. Dass es überhaupt Bedenken im Laar Lager gegeben hatte, ob der Kandidat des Vorsitzenden eine Mehrheit erhalten würde, wirft ein Schlaglicht auf die Stärke der innerparteilichen Opposition in der Vaterlandspartei.

Karjus, der in der Sowjetunion Mitglied der KPdSU gewesen war, vertritt den Typus des bisher öffentlich nicht in Erscheinung getretenen lokalen Parteiführers. Er hat sich kommunalpolitisch betätigt und kommt aus dem Osten des Landes. Er ist offensichtlich nicht erste Wahl. Mehrere politische Schwergewichte hatten vorher dankend die Ehre abgelehnt, Generalsekretär werden zu können.

Die jetzt auf der Tagesordnung stehende Präsidentenwahl wird Auswirkungen auf die Zukunft der regierenden Koalition und die innerparteilichen Konflikte innerhalb der Isamaa haben.

Die 3. Wahl zum Staatspräsidenten der Republik Estlands seit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit vor genau 10 Jahren ist das politische Thema seit mehreren Wochen. Schließlich genießt der amtierende Präsident Meri im Vergleich zu der politischen Klasse überdurchschnittlich große Sympathie. Der Präsident in Estland verfügt über eine nicht in der Verfassung, sondern in seiner Persönlichkeit verankerte Autorität.

Zunächst sicherte die aufsehenerregende Entscheidung der Isamaaliit für den ehemaligen Universitätsrektor und Psychologieprofessor Tulviste aus Tartu gegen den stellvertretenden Parlamentspräsidenten Tunne Kelam dem Thema hohe Einschalt- und Leserquoten. Die nun von den Medien als ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Tulviste und dem ebenfalls populären Parlamentspräsidenten und liberalen Spitzenpolitiker Toomas Savi vorausgesagte Wahl in mindestens vier Wahlgängen versprechen ein mediales Großereignis für die kleine Ostseerepublik zu werden.

Wenn nicht alles ganz anders kommt und eine erneute politische Rochade die politische Landschaft Estlands radikal verändert. Denn die politisch entscheidende Frage ist nicht die, wer ist der geeignete Präsidentschaftskandidat, sondern die Frage, wie viele Spitzenfunktionen darf eine Partei in Estland besetzen, wenn sie lediglich über 18% der Mandate im Land verfügt? Exakt dieses Problem steckt hinter dem verbissenen Zweikampf zwischen Tulviste und Savi, deren Parteien ja seit zwei Jahren erfolgreich das Land in einer großen Koalition zusammen mit den Moderaten (Sozialdemokraten) regieren.

Dieser Kampf um die Spitzenämter zwischen der liberalen Reformpartei und der konservativen Isamaa wurde am Beginn des Jahres in der Hauptstadt Tallinn ausgetragen, wo die Reformpartei zwar den zwiespältigen Bürgermeister aus den Reihen der Isamaa zum Rücktritt bewegen konnte, aber einen ebenfalls der Isamaa angehörenden neuen Bürgermeister akzeptieren musste. Aus der zweitgrößten Stadt Tartu hört man, dass die Reformpartei den Isamaa Präsidentschaftskandidaten Tulviste am 6. September als Vorsitzenden des Stadtrates abwählen will. Dies soll mit den Stimmen der populistischen Zentralpartei geschehen und ist ein leicht zu durchschauendes taktisches Manöver, das die Chancen für Tulviste bei der entscheidenden Wahlrunde in der Bundesversammlung mindern soll.

Aber dahinter kann auch der feste Wille gesehen werden, der Isamaa, die den Ministerpräsidenten und den Bürgermeister von Tallinn stellt, das dritte wesentliche Amt im Staat, nicht kampflos zu überlassen. Wie Ernst es der liberalen Partei dabei ist, konnte man seit Monaten auch in der regierenden Koalition beobachten, wo Kleinigkeiten und Nuancen zu Glaubensfragen stilisiert worden waren.

Aber auch in der Isamaa wird diese Wahl mit sehr viel Energie betrieben. Schließlich kommt der amtierende Präsident aus den Reihen der Isamaaliit und haben sich in der Partei 2 Lager um die beiden Kandidaten Tulviste und Kelam gebildet, die so leicht nicht von ihren Positionen ablassen können. Wie statisch diese Lager innerhalb der Isamaa sind, haben die ersten drei Wahlgänge im Riigikogu am 27. und 28. August gezeigt. Familie Kelam, beide gehören dem Parlament an, und zwei weitere Abweichler aus der 18 Köpfe starken Isamaaliit Fraktion haben gegenüber den Medien immer wieder erklärt, dass sie nicht für Tulviste stimmen werden. Obwohl die Abstimmung geheim ist, spricht das Wahlergebnis aus den ersten Abstimmungsrunden und die fehlende Unterschrift in der Unterstützerliste dafür, dass die Kelams und ihre beiden Gefolgsleute Ernst machen.

Um im 101 Köpfe starken Parlament als Kandidat zum Präsidenten antreten zu können, benötigt man zunächst 21 Unterstützerunterschriften. Dies erreichten der letzte kommunistische Parteiführer Arnold Rüütel, der Enkelsohn des letzten demokratisch gewählten Präsidenten aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, Matti Päts, der stellvertretende Parlamentspräsident Kreitzberg (Zentralpartei), Toomas Savi und Peter Tulviste. Präsident wird, wer 68 Stimmen auf sich vereinigt. Im stark zersplitterten Riigikogu mit folgender Sitzverteilung ist dies aber praktisch unmöglich.

Zentralpartei 27 Sitze (Opposition)
Isamaaliit 18 (Regierungsfraktion)
Reformpartei 18 (Regierungsfraktion)
Moderaten 17 (Regierungsfraktion)
Koalitionspartei 6 (Opposition)
Volksunion 7 (Opposition)
Vereinigte Volkspartei 5 (Opposition)
Unabhängig 3 (wechselnde Unterstützung)


Im ersten Wahlgang traten aus taktischen Gründen der Kandidat der Zentralpartei und Volksunion, Kreitzberg, gegen den gemeinsamen taktischen Kandidaten der Moderaten und Isamaa, Andres Tarrand an. Dem Vorsitzenden der Moderaten folgte in der zweiten und dritten Wahlrunde dann Peter Tulviste. Während sich die Isamaa mit den Moderaten einigen konnte, blieb die liberale Reformpartei in dieser Phase in Deckung und präsentierte weder einen eigenen noch unterstützte sie einen der angetretenen Kandidaten.

Die Ergebnisse in den ersten drei Wahlgängen:

Kreitzberg Tarrand Tulviste
1. Wahl 40 Stimmen 38 Stimmen 0 Stimmen 13 ungültig
2. Wahl 36 Stimmen 0 Stimmen 35 Stimmen 20 ungültig
33 Stimmen 0 Stimmen 33 Stimmen 24 ungültig


Die entscheidenden Wahlrunden findet nun in der 367 Köpfe starken Bundesversammlung am 21. September im Theater Estonia in Tallinn statt. Antreten kann, wer mindesten 21 Unterstützenunterschriften vorlegt. Sieger der ersten Runde sind die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen oder der Kandidat, der 185 Stimmer erreicht. Dies ist unwahrscheinlich, da selbst die großen Parteien mit einer sicheren Unterstützung von lediglich 40 bis 50 Stimmen rechnen können. In der zweiten Runde müssen erneut mindestens 185 Stimmen erzielt werden. Ist dies nicht der Fall gibt es keine dritte Wahlrunde, sondern die Wahl muss erneut im Riigikogu stattfinden. Das Prozedere beginnt von Neuem.

Sicher ist, das Rüütel und Kreizberg aus dem Lager der Opposition antreten werden. Für die Regierungsparteien sind Savi und Tulviste gesetzt. Noch unübersichtlicher würde die Lage werden, wenn auch Päts und Tunne Kelam antreten. Beide halten sich das ausdrücklich offen. Während man die Mehrheitsverhältnisse im Parlament einigermaßen genau vorhersagen kann, sind die 266 Vertreter der 266 Gemeinden Estlands parteipolitisch nicht klar zuzuordnen. Insbesondere auf dem flachen Land genießen die populistischen Oppositionsparteien mit ihren rückwärtsgewandten Kandidaten und Parolen großen Rückhalt. Wie sich das auf das Abstimmungsergebnis auswirken wird, kann niemand vorhersagen.

Immer wieder allerdings taucht eine taktische Variante in den gut unterrichtetet Kreisen auf, die einem Kandidaten der regierenden großen Koalition die Mehrheit sichern könnte: Die Rochade des Ministerpräsidenten.

Damit Tulviste gewählt werden könnte, müsste die Isamaa der Reformpartei das Ministerpräsidentenpalais überlassen. Die im Stimmungstief arbeitende Regierung unter Laar könnte so 18 Monate vor den Parlamentswahlen eine Regierung Savi werden. Taktisches Ziel dieser Rochade wäre, die Isamaa zu den Parlamentswahlen mit einem unbelasteten Kandidaten antreten zu lassen und so das Wahldebakel von 1995 zu verhindern. Ob diese Rochade mehr als ein Denkmodell ist, werden wir frühestens nach dem nächsten Wahlgang am 21. September erfahren.

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