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Die Ukraine im Zentrum des Gaskonflikts

от Nico Lange
Seit der Neujahrsnacht 2008/2009 eskaliert der russisch-ukrainische Gaskonflikt erneut. In einer für beide Länder wirtschaftlich prekären Lage geht es um Gaslieferungen für die Ukraine, umstrittene Schulden und den Transit zu den europäischen Abnehmern. Die neuerlichen Auseinandersetzungen mit Russland im Energiebereich implizieren für die Ukraine politische und strategische Fragen von existenzieller Bedeutung. Auch wenn der Transit des Gases durch die Ukraine in Kürze wieder aufgenommen werden wird, ist mit einer Fortführung und Verschärfung der bilateralen Streitigkeiten zu rechnen. Die schnelle Lösung des Konflikts um die Lieferungen aus Russland aber auch grundlegende Reformen des Energiesektors der Ukraine sind zentrale Fragen für die nationale Sicherheit des Landes und die Energiesicherheit der Europäischen Union.

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Erneute Zuspitzung des russisch-ukrainischen Gaskonflikts

Zur gleichen Zeit als in der Neujahrsnacht Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko und Präsident Wiktor Juschtschenko ihre Ansprachen im ukrainischen Fernsehen hielten, war in Moskau das neue Jahr bereits eine Stunde alt. Der russische Nachrichtenkanal „Vesti“ sendete detaillierte Berichte über Kompressorstationen für Gas im Gebiet Kursk an der Grenze zur Ukraine und den technischen Ablauf der Abschaltung des Gases im Falle einer Anordnung aus Moskau. Was dann folgte, war eine Woche der schnellen Zuspitzung des Gaskonflikts mit der Einstellung der Gaslieferungen für die Ukraine, harschen rhetorischen Angriffen, beiderseitigen Schuldzuweisungen, Diskussionen um angeblichen Diebstahl und anhaltenden Versuchen der Internationalisierung des Konflikts von beiden Seiten. Schließlich wurde am Morgen des orthodoxen Weihnachtstages am 7. Januar durch die russische Seite die Lieferung des Gases vollständig eingestellt. Nach der aktiven Einschaltung der EU und der Aufstellung einer Beobachtermission für die Transitflüsse durch die Ukraine scheint es nun zumindest möglich, den Konflikt wieder auf den Stand des 1. Januar zurückzubringen. Eine schnelle Lösung der Frage der Gaslieferungen der russischen Gasprom an die ukrainische Naftohas ist bisher jedoch nicht abzusehen.

Intransparente und in Details ungeklärte Vertragsbeziehungen

Während dieser Tage besteht eine enorme Schwierigkeit für alle Beobachter darin, die genauen Liefer- und Transferregelungen, die sich gegenseitig ausschließenden Behauptungen der russischen und ukrainischen Seite und die Unzahl der medial verbreiteten Informationen zu überprüfen, nachzuvollziehen und zu bewerten. Die Situation der russisch-ukrainischen Energiebeziehungen ist 17 Jahre nach der Unabhängigkeit der Ukraine noch immer in vielen Punkten unklar und enthält überkommene Regelungen, die zum Teil noch auf die Sowjetzeit zurückgehen. Bestehende Verträge sind meist nicht zugänglich und enthalten zahlreiche unklare oder widersprüchliche Klauseln. Viele eigentlich elementare Regelungen sowie rechtliche Absicherungen sind häufig nicht einmal in den Verträgen enthalten. So ist nach jetzigem Stand beispielsweise ungeklärt, ob das Gas bei Grenzübertritt in die Ukraine oder bei Verbrauch bezahlt werden muss. Das Fehlen einer klaren Vereinbarung in dieser Frage führt zu Diskussionen um das unterirdisch gespeicherte Gas in der Ukraine. Sind dadurch bereits Schulden gegenüber Gasprom entstanden oder muss das Gas erst später beim Verbrauch bezahlt werden? Auch ist nach bisheriger Vertragslage offen, ob technisches Gas zum Betreiben der Kompressoren bei der Weiterleitung des Gases durch das ukrainische Unternehmen Naftohas bezahlt werden muss oder von Gasprom zusätzlich zur Verfügung gestellt wird. Die Auswirkungen solch unklarer Regelungen und undurchsichtiger Vertragsgestaltung werden im aktuellen Konflikt nur allzu deutlich sichtbar.

Streit um Schulden, sprunghafte Preissteigerungen und Transitgebühren

Im Mittelpunkt der Streitigkeiten zum Jahreswechsel standen zunächst Schulden der ukrainischen Seite mit dem Staatsunternehmen Naftohas und dem Zwischenhändler RosUkrEnergo an Gasprom in Höhe von zwei Milliarden Dollar, die schließlich unter großen Mühen buchstäblich in letzter Minute vor Ablauf des alten Jahres beglichen wurden. Gasprom forderte daraufhin zusätzlich eine Vertragsstrafe von 600 Millionen Dollar, deren Bezahlung weiterhin aussteht. Für die Lieferungen von Gas in die Ukraine existiert seit dem 1. Januar 2009 kein gültiger Vertrag mehr. Russland forderte in den Verhandlungen zunächst die Erhöhung des Kaufpreises auf 250 Dollar je tausend Kubikmeter Gas von bisher 179,50 Dollar. Die Ukraine war bereit, bis zu 235 Dollar zu bezahlen, forderte jedoch auch eine Erhöhung der Durchleitungsgebühren. Im Zuge des Konflikts erhöhte Gasprom die Forderungen schlagartig auf astronomische 450 Dollar. Seitdem gibt es keinerlei Bewegung mehr in dieser Frage. Die russische Seite zeigt sich fest gewillt, der Ukraine nunmehr ab sofort sogenannte „europäische Marktpreise“ zu berechnen. Aufgrund der Monopolstellung von Gasprom ist es tatsächlich aber schwierig, von echten Marktpreisen zu sprechen.

Die ukrainische Seite stützt sich in ihrer Argumentation währenddessen vor allem auf Memoranden zwischen den Ministerpräsidenten Tymoschenko und Putin sowie zwischen Gasprom-Chef Miller und Naftohas-Direktor Dubyna vom Oktober 2008. In diesen Dokumenten erklärten beide Seiten grundsätzliche Übereinstimmung zum schrittweisen Übergang der Preise auf europäisches Niveau, die Vereinbarung langfristiger Lieferverträge und die Abschaffung des Zwischenhändlers RosUkrEnergo.

Der neue Konflikt unterscheidet sich von den vorangegangenen

Der russisch-ukrainische Konflikt war innerhalb der vergangenen Jahre immer wieder eskaliert. Zu Jahresbeginn 2006 wurde das Gas schon einmal kurzzeitig vollständig abgestellt, bis der Konflikt mit der Installation des mittlerweile notorischen Zwischenhändlers RosUkrEnergo gelöst wurde. Es ist der Ukraine, im Gegensatz zu Ländern wie Weißrussland und Bulgarien, bedauerlicherweise nicht gelungen, die sonst für Gaslieferungen international üblichen langfristigen Verträge abzuschließen. Nachdem der Preis für tausend Kubikmeter Gas im Jahr 2005 noch 50 Dollar betragen hatte, musste die Ukraine im Jahr 2006 bereits 95 Dollar zahlen. Zum Jahresende 2006 begannen aufgrund der kurzfristigen Vertragslage wiederum Verhandlungen in letzter Minute, die zu einem Gaspreis von 130 Dollar führten. In 2008 stieg das Preisniveau auf 179,50 Dollar, ohne dass dabei künftige Preisbildungsmechanismen und langfristige Regelungen vereinbart werden konnten.

Die immer wieder überraschenden Preisschübe von russischer Seite, z.B. vor dem NATO-Gipfel von Bukarest, oder auch das plötzliche Auftauchen von Schulden nach dem Wahlsieg Tymoschenkos im Jahr 2007 waren von Beobachtern immer wieder als klare politische Instrumentalisierung der Energieabhängigkeit der Ukraine in der Tradition der russischen Energie-Außenpolitik im postsowjetischen Raum verstanden worden. Der aktuelle Gaskonflikt beinhaltet dagegen klarer eine wirtschaftliche Dimension. Für die russische Seite ist es plausibel, der Ukraine keine bevorzugte Behandlung mehr zukommen zu lassen. Die internationale Finanzkrise führte zu Engpässen auch bei Gasprom und die Preise für die europäischen Großabnehmer werden aufgrund der niedrigeren Ölpreise weiter deutlich sinken. In Bezug auf die Ukraine besteht im Vergleich zum europäischen Preisniveau weiterer Spielraum für Erhöhungen, der Gasprom helfen könnte, den Rückgang anderer Einkünfte zu kompensieren und den Gewinnerwartungen der Aktionäre zu entsprechen. Außerdem wirken sich die Energiepreise auch auf die Konkurrenz zwischen ukrainischen und russischen Unternehmen vor allem in der Metallurgie und Chemieindustrie aus. Ein höherer Energiepreis für die ukrainischen Wettbewerber würde der russischen Industrie derzeit dringend nötige Unterstützung in Krisenzeiten geben.

Auch auf der ukrainischen Seite zeigt die Finanz- und Wirtschaftskrise erhebliche Auswirkungen. Aus Kiewer Sicht ist es zwingend nötig, die Energiepreise möglichst niedrig zu halten und einen schrittweisen Übergang auf europäisches Niveau zu vereinbaren, um eine Schockwirkung auf die angeschlagene Wirtschaft zu vermeiden. Der ökonomische Druck ist enorm. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 15 Prozent während der letzten Monate des Jahres 2008 in der Ukraine kommt einem Zusammenbruch nahe. Trotz eines IWF-Notkredits und Hilfen von der Weltbank steht die Ukraine noch immer am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Die Prognosen für das Jahr 2009 gehen derzeit von etwa 10 Prozent Rückgang der Wirtschaft bei über 20 Prozent Inflation aus. Sprunghaft ansteigende Energiepreise hätten fatale negative Auswirkungen sowohl auf die energieintensive Wirtschaft als auch auf die Inflation.

Im Unterschied zu den bisherigen Gaskonflikten scheinen beide Seiten zudem noch entschlossener und besser vorbereitet zu sein. Russland startete seit der Neujahrsnacht eine intensive Medienkampagne, aktive öffentliche Diplomatie und suchte den Kontakt zur EU. Die Ukraine hatte im Voraus die umfangreichen unterirdischen Speicher mit 35 Milliarden Kubikmetern Gas gefüllt, das entspricht etwa 40 Prozent des deutschen Jahresbedarfs. Durch diese enormen Gasspeicher war die Ukraine nicht nur dazu in der Lage, für Lieferausfälle in der Republik Moldau und Bulgarien einzuspringen, sondern könnte einen russischen Lieferstopp trotz kalter Temperaturen noch bis März oder April durchstehen.

Für die Ukraine geht es um strategische Fragen von existenzieller Bedeutung

Die politischen und strategischen Obertöne der Auseinandersetzungen machen deutlich, warum die ukrainische Seite möglicherweise tatsächlich gewillt ist, Verhandlungen und Blockade sehr lange durchzuhalten. Die in den letzten Tagen unverhüllt geäußerten weitergehenden Interessen der russischen Seite lösen bei Politik und Bürgern im Land große Besorgnis aus. Vermutlich versucht Russland mit der extremen Zuspitzung des Gaskonflikts die Kontrolle über das umfangreiche ukrainische Gasleitungs- und Gasspeichersystem zu erlangen und einen Machtwechsel in Kiew zugunsten von Oppositionsführer Janukowytsch oder anderen russlandfreundlich gesinnten Kräften zu fördern.

In den russischen Medien, die auch in der Ukraine empfangen werden, wird diese Zielrichtung kaum missverständlich zum Ausdruck gebracht. In Gesprächen zwischen Putin und Medwedjew vor der Kamera analysierten beide mehrfach die ukrainische Wirtschaftskrise, den Energiebedarf der ukrainischen Haushalte und Industrie sowie die finanziell stark angespannte finanzielle Situation des Landes. Tatsächlich arbeitet das ukrainische Staatsunternehmen Naftohas höchst unwirtschaftlich. Die erhöhten Gaspreise werden nicht an die Verbraucher weitergegeben. Es entstehen chronische Verluste, die bisher durch regelmäßige staatliche Rettungsmaßnahmen ausgeglichen wurden. Die verbliebenen Werte des Unternehmens sind Leitungssysteme, Pumpstationen und unterirdische Speicher. Einzig potenzieller Käufer wäre das marktdominante russische Unternehmen Gasprom. Die erhöhten Forderungen der russischen Seite und die drohende Zahlungsunfähigkeit des ukrainischen Staates könnten letztlich darauf hinauslaufen, dass Naftohas seine Infrastrukturen als Kompensation für künftige Gaslieferungen anbieten muss. Der russische Ministerpräsident Putin sprach in den letzten Tagen bereits sehr offen davon, dass Gasprom sich an „Privatisierungen“ des ukrainischen Leitungs- und Speichersystems beteiligen könnte.

Auch in Bezug auf einen Regierungswechsel äußert sich die russische Seite nunmehr sehr deutlich. In den Aussagen der politischen Führung und der Gasprom-Spitze wird die aktuelle ukrainische Führung als „Diebe“ und „verbrecherisches Regime“ bezeichnet, von „Verlogenheit“ und „Ausbeutung der ukrainischen Bürger“ ist die Rede. In russischer Öffentlichkeitsarbeit und in den Medien wird offen versucht, die ukrainische Führung gegenüber der EU und den ukrainischen Bürgern zu diskreditieren.

Der desolate Zustand des ukrainischen Energiesektors fördert die Krise zusätzlich

Der ukrainische Energiesektor ist dabei in einem Zustand, der die aktuelle Krise und ihre Verschärfung leider in hohem Maße begünstigt. Ein echter Übergang zu Marktwirtschaft hat insbesondere im Gasgeschäft nie stattgefunden, es mangelt an Investitionen, die Geschäfte im gesamten Sektor sind undurchsichtig und ermöglichen Korruption in großen Dimensionen. Das Staatsunternehmen Naftohas ist politisiert, schlecht geführt und mit zahlreichen Interessenkonflikten beladen. Undurchsichtige Strukturen, auch um den dubiosen Zwischenhändler RosUkrEnergo zwischen der ukrainischen Naftohas und der russischen Gasprom, führten bereits mehrfach zu bezeichnenden und peinlichen Situationen, in denen die ukrainische Regierung nicht wusste, ob und in welcher Höhe Schulden aufgelaufen waren oder ob Rechnungen tatsächlich bezahlt wurden. Viele der politischen Eliten profitieren von Verstrickungen ins Gasgeschäft, von Verkäufen auf dem grauen Markt, von attraktiven Zwischenhändlerpositionen, Re-Exporten und verzerrter Preispolitik. Der weiterhin unreformierte Zustand des Energiesektors steht geradezu symptomatisch für die nicht eingelösten Versprechen der Orangen Revolution des Jahres 2004.

Hinzu kommt, dass die Ukraine zu den am wenigsten effizienten Nutzern von Energie auf der Welt überhaupt gehört. Das Land verbraucht allein in etwa soviel Gas wie Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei gemeinsam, während das Bruttoinlandsprodukt knapp unter dem Tschechiens liegt. Aufgrund der weiterhin subventionierten Energie aus Russland hat die Ukraine in den vergangenen Jahren einfach verschwenderisch weitergelebt und steht nun möglicherweise vor einem existenzgefährdenden Preisschock. Der Energiesektor der Ukraine wurde nicht strategisch gemeinsam mit den europäischen und euroatlantischen Ambitionen des Landes weiterentwickelt und könnte sich nun in dieser Beziehung als Achillesferse erweisen.

Eine Lösung muss Reformen im ukrainischen Energiesektor nach sich ziehen

Vor dem geschilderten Hintergrund wird deutlich, dass eine Einigung zwischen Russland und der Ukraine im aktuellen Gaskonflikt möglicherweise noch in weiter Ferne liegt und beide Seiten noch einige Zeit ohne Wiederaufnahme der Lieferungen hart weiter verhandeln werden. Es bleibt dabei ein zentrales Problem, dass auch jetzt wieder nur über einen einjährigen Liefervertrag verhandelt wird. Ende 2009 oder Anfang 2010 werden in der Ukraine Präsidentschaftswahlen stattfinden. Ein erneuter Gaskonflikt während der Wahlkampagne könnte enorme politische Auswirkungen haben.

Die internationale Gemeinschaft und vor allem die Europäische Union sollten aus eigenem Interesse darauf drängen, dass Naftohas und Gasprom mehrjährige Lieferverträge mit schrittweisem Übergang zu Marktpreisen abschließen und auch die Durchleitungsgebühren auf in Europa übliches Niveau anheben, um künftige Konflikte auszuschließen. Zwischenhändler sollten in jedem Fall ausgeschaltet werden. Vor allem aber sollte die EU die ukrainische Führung drängen, Naftohas Ukrainy zu einem echten, nach wirtschaftlichen Regeln arbeitenden Unternehmen zu entwickeln und wirksame Anreize zum Energiesparen zu schaffen. Auch die Diversifizierung der Energielieferungen und die Ausbeutung der in der Ukraine und im Schwarzen Meer vorhandenen Gasvorkommen durch die Ukraine sollten dringend angeregt werden.

Mit Einbeziehung schneller und wirkungsvoller Reformen des Energiesektors in die Konditionalitäten der EU-Annäherung sowie mit Technologietransfer und Investitionen im Bereich der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien könnten Deutschland und die EU essenzielle Hilfestellungen leisten. Der Umbau des Energiesektors der Ukraine ist eine Kernfrage der nationalen Sicherheit des Landes aber auch der Energiesicherheit der Europäischen Union.

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