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Kiewer Machtkonflikt bricht wieder offen aus

от Nico Lange
Die ukrainische Premierministerin Julija Tymoschenko startete mit einem überraschenden politischen Frontalangriff auf den Präsidenten aus der parlamentarischen Sommerpause. Sie will durch Veränderungen im politischen System Handlungsspielraum gegenüber Juschtschenko gewinnen und ist dafür ein temporäres Bündnis mit ihrem Erzfeind Janukowytsch eingegangen. Ein Überleben der aktuellen Regierungskoalition ist dennoch wahrscheinlich. Mit der erneuten Eskalation der innenpolitischen Krise verspielt die Ukraine jedoch wichtige außenpolitische Chancen. Bis zu den Präsidentschaftswahlen Anfang 2010 wird mit politischer Stabilität in der Ukraine kaum zu rechnen sein.

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Tymoschenko greift an

Die erste Sitzung der Werchowna Rada nach der Sommerpause am 2. September 2008 begann mit einem in der Form überraschenden Frontalangriff von Premierministerin Julija Tymoschenko auf Präsident Wiktor Juschtschenko. Eigentlich sollten Resolutionen zur Lage in Georgien und die verschleppten Haushaltsprobleme im Vordergrund der parlamentarischen Woche stehen. Stattdessen wagte Tymoschenko den Coup, in koordinierten Abstimmungen mit der Partei der Regionen von Oppositionsführer Wiktor Janukowytsch zwei stellvertretende Parlamentspräsidenten ins Amt zu wählen und mit Änderungen zum „Gesetz über das Ministerkabinett“, zum „Gesetz über das Verfassungsgericht“ und zum „Gesetz über den Sicherheitsdienst der Ukraine“ die Kompetenzen des Präsidenten empfindlich einzuschränken.

Bisher war seit Dezember 2007 lediglich der Juschtschenko nahestehende Ex-Außenminister Arsenij Jazenjuk als Parlamentssprecher ohne Stellvertreter im Amt. Das Zustandekommen parlamentarischer Sitzungen hing allein von seiner Person ab. Nunmehr wurden mit dem ehemaligen Justizminister Oleksandr Lawrynowytsch aus der Partei der Regionen und dem langjährigen Tymoschenko-Vertrauten Mykola Tomenko aus dem Block Tymoschenko zwei stellvertretende Parlamentspräsidenten gewählt. Die in der Regierungskoalition befindliche Fraktion des Blocks Julija Tymoschenko und die oppositionelle Fraktion der Partei der Regionen stimmten dafür geschlossen gemeinsam ab.

Die mit 363 von 450 Stimmen beschlossenen Änderungen zum „Gesetz über das Ministerkabinett“ legen im Kern fest, dass Erlasse des Präsidenten von der Regierung nicht verbindlich auszuführen sind, dass der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat keine Weisungsbefugnis gegenüber dem Kabinett hat und dass der Präsident einen von der Mehrheit der Werchowna Rada vorgeschlagenen Kandidaten für das Amt des Premierministers nicht ablehnen kann. Die Änderungen zum „Gesetz über das Verfassungsgericht“ enthalten einen klaren Zeitrahmen für eine zügige Arbeit des Verfassungsgerichts in einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. Mit den Änderungen zum „Gesetz über den Sicherheitsdienst der Ukraine“ wurden dem Präsidenten die Möglichkeiten zur Ernennung des Geheimdienstchefs und seiner Stellvertreter entzogen.

Die Fraktionen von Tymoschenko und Janukowytsch wickelten das legislative Verfahren mit drei Lesungen innerhalb einer Sitzung ab. Die Gesetzesentwürfe wurden direkt angenommen. Die beschlossenen Gesetze bedürfen der Inkraftsetzung durch die Unterschrift des Präsidenten. Ein Veto Juschtschenkos hätte aber lediglich aufschiebende Wirkung, da die erwähnte Mehrheit von 363 Stimmen eine Zwei-Drittel-Mehrheit deutlich übersteigt und somit in diesem Fall zur Überstimmung des Vetos ausreicht.

Ferner wurden am ersten Sitzungstag Änderungen zu Gehältern und Privilegien von Bergleuten, Änderungen zum Staatshaushalt und zur Steuergesetzgebung beschlossen. Resolutionen zu Georgien wurden nicht angenommen.

Premierministerin will Handlungsspielraum gewinnen

Sowohl die Wahl der stellvertretenden Parlamentspräsidenten als auch die Modifikationen der erwähnten Gesetze verbessern den Handlungsspielraum der Ministerpräsidentin innerhalb des parlamentarisch-präsidentiellen politischen Systems der Ukraine.

Parlamentspräsident Jazenjuk war bisher in dieser Legislaturperiode als verlängerter Arm des Präsidenten alleiniger Herr über die Sitzungen der Werchowna Rada. Ohne ihn kam keine Sitzung zustande, was bereits mehrfach zu absurden Situationen führte. So wurde Jazenjuk einmal in seinem Büro eingesperrt, woraufhin keine Sitzung des Parlaments stattfinden konnte. Auch hatte Jazenjuk aus offensichtlich vorgeschobenen „Gesundheitsgründen“ Sitzungen nicht eröffnet oder das Plenum kurzerhand einmal geschlossen, um zu seinem Termin mit US-Präsident Bush zu eilen.

Der Machtkampf zwischen Präsident Juschtschenko und Ministerpräsidentin Tymoschenko war seit dem Amtsantritt der aktuellen Regierung im Dezember 2007 das bestimmende Element der ukrainischen Politik. Mit zahlreichen Erlassen auf allen Politikfeldern weit über seine Zuständigkeiten hinaus und Entscheidungen des Sicherheits- und Verteidigungsrats versuchten Juschtschenko und sein Präsidialamtschef Baloha, die Premierministerin in Schach zu halten und zu diskreditieren. Mit den Gesetzesänderungen vom 2. September werden dem Präsidenten diese fragwürdigen Instrumente genommen. Die Änderungen in Bezug auf das Verfassungsgericht machen den Weg zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten und seiner zügigen Durchführung frei. Die am Montag demonstrierten Mehrheitsverhältnisse einer Zwei-Drittel-Mehrheit gegen Juschtschenko bilden vor diesem Hintergrund eine wirksame Drohkulisse, die Tymoschenko für den Machtkampf aufgebaut hat. Auch der Geheimdienst war zuletzt vom Lager des Präsidenten häufig instrumentalisiert worden, um etwa im Zusammenspiel mit der Generalstaatsanwaltschaft an der Entlassung von Verfassungsrichtern mitzuwirken. Zuletzt war das im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den in Ungnade gefallenen ehemaligen Juschtschenko-Vertrauten David Schwanija und gegen Innenminister Luzenko offensichtlich. Das neue Gesetz macht den direkten Zugriff für Juschtschenko auf die Führung des Geheimdienstes künftig deutlich schwieriger.

Temporäre Interessensgemeinschaft von Tymoschenko und Janukowytsch

Wie bereits einmal im Jahr 2006 am immer wieder umstrittenen „Gesetz über das Ministerkabinett“ erprobt, war Tymoschenko die Änderung dieser Gesetze nur durch Schützenhilfe der Partei der Regionen möglich. In Bezug auf die Einhegung Juschtschenkos bestehen zwischen Tymoschenko und Janukowytsch gemeinsame Interessen. Eine dauerhafte Koalition zwischen den erklärten Erzfeinden ist jedoch nicht zu erwarten. Man kann davon ausgehen, dass die Wähler beider Seiten eine echte Kooperation des Blocks Julija Tymoschenko mit der Partei der Regionen bestrafen würden. Vor dem Hintergrund der geschilderten Probleme innerhalb der Regierungskoalition scheint es jedoch politisch logisch, dass Tymoschenko sich nach anderen Möglichkeiten für das Zustandekommen von Mehrheiten umsah. Letztlich führte Juschtschenko die Kooperation zwischen Tymoschenko und Janukowytsch durch sein autoritäres Gebaren und seine Verweigerung von Verhandlungen mit der Premierministerin zur Beilegung des Konflikts selbst herbei. Er musste damit rechnen, dass Julija Tymoschenko diesen einzig denkbaren Ausweg zumindest in Erwägung ziehen würde.

Die Regierungskoalition wird wahrscheinlich trotzdem überleben

Die Absicht der Premierministerin war offenkundig die Stärkung ihrer eigenen Position innerhalb der Regierungskoalition. Die Fraktion Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes beschloss jedoch umgehend nach den Abstimmungen über die besagten Gesetzesänderungen mit 39 von 62 Stimmen ihren Austritt aus der Regierungskoalition. Innerhalb von 10 Tagen muss das Ende der Koalition und damit der Regierung nun offiziell im Parlament verkündet werden. Auch wenn daraufhin im In- und Ausland sofort der Tod der Regierungskoalition verkündet worden ist, scheint ihr Überleben derzeit wahrscheinlich. Nascha Ukraina und der Block Tymoschenko werden die 10-Tages-Frist für intensive Verhandlungen nutzen. An Neuwahlen hat derzeit keine der großen Parteien Interesse, da die Zustimmung sowohl zu Nascha Ukraina als auch zum Block Julija Tymoschenko und zur Partei der Regionen im Verlauf der letzten Monate deutlich gesunken ist.

Die Koalition mit der Partei der Regionen ist für Tymoschenko wie geschildert keine echte Option. Juschtschenko und seine Partei Nascha Ukraina stehen ohnehin ohne Wahlmöglichkeiten da. Daher ist es wahrscheinlich, dass nach den ersten emotionalen Reaktionen mit der üblichen apokalyptischen Rhetorik die aktuelle Koalition aus Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes und Block Julija Tymoschenko unter einigen Zugeständnissen fortgesetzt werden wird. Die Alternative wäre nach jetzigem Stand lediglich eine geschäftsführende Regierung ohne Regierungskoalition und ein System der flexiblen parlamentarischen Mehrheiten. Für die nötigen innenpolitischen Reformen und die Außenpolitik der Ukraine wäre das allerdings, insbesondere vor dem Hintergrund der schwach entwickelten parlamentarischen und politischen Kultur, eine vollkommen unverantwortliche Perspektive.

Die Eskalation erfolgt zum außenpolitisch denkbar schlechtesten Zeitpunkt

In den vergangenen Jahren wurde immer wieder deutlich, wie wenig das Bewusstsein der verantwortlichen ukrainischen Politiker für die Zusammenhänge zwischen innenpolitischem Handeln und außenpolitischen Ambitionen entwickelt ist. Die erneute Eskalation der seit Jahren schwelenden strukturellen Dauerkrise zwischen Präsident und Premierminister erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem in Europa durch die Ereignisse in Georgien politische Prozesse in Gang gesetzt wurden, die für die Ukraine von hoher Relevanz sind. In der neuen Lage in der östlichen Nachbarschaft der EU sind auch die EU- und NATO-Aspirationen der Ukraine neu zu bewerten. Mit den unüberlegten innenpolitischen Tumulten verbauen sich die ukrainischen Politiker jedoch viele Chancen. Die Kernbotschaften des NATO-Gipfels von Bukarest im April und auch von Seiten der EU in Bezug auf das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen und eine mögliche Assoziierung waren sehr deutlich: Die Grundvoraussetzung für eine Vertiefung der Kooperation ist politische Stabilität. Nun steht die Ukraine kurz vor dem wichtigen EU-Ukraine-Gipfel am 9. September in Evian mit politischen Repräsentanten da, deren politische Zukunft in Frage gestellt ist. Die Fürsprecher der Ukraine werden es ausgesprochen schwer haben, sich vor diesen Hintergrund in Berlin, Paris oder Brüssel, während des Gipfels in Evian und auch im Vorfeld des NATO-Außenministertreffens im Dezember Gehör zu verschaffen.

Politische Stabilität wird bis zu den Präsidentschaftswahlen 2010 kaum zu erwarten sein

Die aktuellen Ereignisse sind eine erneute Zuspitzung der strukturellen Dauerkrise der letzten Jahre. Es ist für die Ukraine fatal, dass persönliche Machtkämpfe zwischen Juschtschenko und Tymoschenko trotz einer parlamentarischen und öffentlichen Mehrheit für Reformorientierung und Anbindung an die EU zur politischen Blockade führen. Dies könnte die Stunde der vernünftigen demokratischen Politiker aus der zweiten Reihe sein. Die einstigen Anführer der demokratischen Bewegung der Orangen Revolution werden immer deutlicher zur Gefahr für die weitere demokratische Konsolidierung und eine erfolgreiche europäische Entwicklung der Ukraine. Die Fixierung der bestimmenden politischen Figuren Juschtschenko, Tymoschenko und Janukowytsch aufeinander und deren fortwährende machtpolitischen Spekulationen lassen die drängenden innen- und außenpolitischen Fragen in den Hintergrund treten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Krise bis zu den Präsidentschaftswahlen Anfang 2010 immer wieder eskalieren. Politische Stabilität und mittelfristig kontinuierliche inhaltliche Politikentwicklung sind in der Ukraine leider vorerst kaum zu erwarten.

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