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Konfliktherd Kaschmir: Neue Wege zum Dialog?

Aktuelle Herausforderungen an die indische Regierung

Die Medien bezeichneten die Situation der letzten Monate in Kaschmir als Indiens „Intifada“. Die beiden vergangenen Wochen markierten den vorläufigen Höhepunkt der gewalttätigen Aufstände, die seit Juni dieses Jahres mehr als 100 Todesopfer in dem Bundesstaat gefordert haben.

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Neben der innerindischen Konfliktkomponente sorgt Kaschmir seit Jahrzehnten für erhebliche Kontroversen in den Beziehungen zwischen Indien und Pakistan und steht - spätestens seit der Anerkennung Indiens und Pakistans als Atommächte 1998 - auch im Fokus der Weltpolitik. Nach mehr als 60 Jahren andauernder Konflikte, die Anlass zu drei Indisch-Pakistanischen Kriegen gaben und etliche Todesopfer auf beiden Seiten forderten, ist es trotz Interventionen der Vereinten Nationen nicht gelungen, zu einer Konfliktlösung zu kommen. Das Gebiet, das von Indien und Pakistan beansprucht wird und in dem die nationale Konfliktdimension eng mit der internationalen Konfliktebene verwoben ist, wird seit Jahresmitte von neuerlichen Gewaltausbrüchen erschüttert. Beobachter bewerten die aktuellen gewalttätigen Ausschreitungen als größte Herausforderung an die indische Regierung in Kaschmir seit 20 Jahren. Dies stellt die indischen Entscheidungsträger vor erhebliche Probleme der inneren und äußeren Sicherheit und macht die Notwendigkeit der Initiierung eines neuen Friedensprozesses deutlich.

Historischer Rückblick

Die Wurzeln des Kaschmirkonflikts liegen weit zurück. Nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 wurde der indische Subkontinent geteilt, und es entstanden zwei neue Staaten – Indien und Pakistan – auf der Grundlage der Zwei-Nationen-Theorie. Pakistan umfasste einen Westteil, in den Grenzen des heutigen Pakistans, und einen Ostteil (Ostpakistan), das heutige Bangladesch. Die über 500 Fürstenstaaten schlossen sich freiwillig dem einen oder anderen Staat an. Kaschmir stellte jedoch bereits damals eine Ausnahme dar, da es aufgrund seiner geographischen Lage zwischen den beiden neuen Staaten, der Größe seines Territoriums sowie seinen Ressourcen ein eigenständiger Staat hätte werden können. Maharadscha Hari Singh, der letzte regierende Maharadscha des Fürstentums Kaschmir, hatte sich erhofft, die Unabhängigkeit seines Fürstentums sichern zu können; er geriet durch Unruhen – ausgelöst von Freischärlern und paschtunischen Stammeskriegern – jedoch derart in Bedrängnis, dass er sich für den Beitritt zum indischen Unionsgebiet entschied. Pakistan hat den Beitritt Kaschmirs zu Indien bis zum heutigen Tag nicht akzeptiert und drängt weiterhin auf die Angliederung des muslimisch geprägten Gebiets an Pakistan.

Der Konflikt dehnte sich im weiteren Verlauf zum „Ersten Indisch-Pakistanischen Krieg“ aus, der erst Anfang 1949 durch den Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens unter der Federführung der Vereinten Nationen unter Kontrolle gebracht wurde. Die Teilung Kaschmirs wurde damit besiegelt. Zwei Drittel des gesamten Gebietes, darunter Jammu, Srinagar und die Ladakh-Region, wurden Indien zugesprochen, während ein Drittel, darunter die Region Gilgit-Baltistan im Norden und das sog. „Azad“-Kaschmir, unter Pakistans Kontrolle gestellt wurde. Pakistans Teil wird seitdem von Indien als „Pakistan occupied Kashmir“ (PoK) bezeichnet. Obwohl die UN-Waffenstillstandslinie, seit 1972 „Line of Control“ (LoC) genannt, von beiden Seiten nie als endgültige Grenzlinie anerkannt wurde, stellt sie doch die de-facto-Grenze zwischen Indien und Pakistan dar. Die vorgesehene Volksbefragung, die die Zugehörigkeit Kaschmirs zu einem der beiden Staaten endgültig klären sollte, wurde nie durchgeführt, da man sich nicht auf die Modalitäten zur Abhaltung eines solchen Plebiszits einigen konnte. Indien versuchte in den folgenden Jahren, die Integration Kaschmirs in das Unionsgebiet voranzutreiben. So fanden 1951 die ersten Wahlen statt und 1957 wurde der neugebildete Bundesstaat „Jammu und Kaschmir“ (J&K) in die indische Union aufgenommen.

Trotz des Waffenstillstandabkommens gab es weiterhin Spannungen, die Anlass für zwei weitere Kriege zwischen Indien und Pakistan gaben. Im Herbst 1965 breiteten sich die an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir beginnenden Auseinandersetzungen schnell auch auf andere Grenzgebiete aus und es kam zu großangelegten Kriegshandlungen beider Seiten. Unter dem Druck der USA und der damaligen Sowjetunion einigte man sich schließlich auf einen Waffenstillstand und im Januar 1966 unterzeichneten beide Parteien aufgrund der Vermittlung der Sowjetregierung das „Abkommen von Taschkent“, in dem man sich darauf verständigte, die Truppen abzuziehen und den Vorkriegsstatus wiederherzustellen. Die Sezessionsbewegung Ostpakistans führte 1971 zum dritten Krieg, der die Unabhängigkeit und die Entstehung von Bangladesch zur Folge hatte.

Kaschmir im Spannungsfeld zwischen Indien und Pakistan

Die Auseinandersetzungen um Kaschmir bilden den Kern der angespannten Beziehungen zwischen Indien und Pakistan. Von pakistanischer Seite werden Vorwürfe gegen die indischen Sicherheitskräfte im Kaschmirtal erhoben, dass diese die mehrheitlich muslimische Bevölkerung unterdrückten und mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen die Demonstranten vorgingen, während Indien den pakistanischen Militärgeheimdienst Inter Services Intelligence (ISI) beschuldigt, islamistische Extremisten in Kaschmir zu unterstützen. Pakistans Anspruch auf Kaschmir wird durch die Idee begründet, dass ein Gebiet mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung auf der Grundlage der Zwei-Nationen-Theorie nicht zum indischen Territorium (d.h. zu einem mehrheitlich hinduistisch bevölkerten Land) gehören könne.

Durch die erfolgreichen Atomwaffentests Indiens und Pakistans im Jahre 1998 hat der Kaschmirkonflikt eine neue Dimension erhalten. Dem sog. Kargilkrieg, einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen nunmehr zweier Atommächte um die Region Kaschmir im Jahre 1999, kam in der Folgezeit in beiden konfligierenden Ländern eine bedeutende innen- und außenpolitische Rolle zu.

Einen weiteren Tiefpunkt in den indisch-pakistanischen Beziehungen markierte das Attentat auf das indische Parlament in Neu-Delhi im Dezember 2001 durch militante Islamisten, denen Verbindungen nach Pakistan nachgewiesen werden konnten. Die indische Regierung reagierte mit einem massiven Truppenaufmarsch und der Platzierung von Mittelstreckenraketen entlang der Grenze zu Pakistan und drohte offen mit Krieg. Die Gefahr einer nuklearen Eskalation konnte erst „durch diplomatische Interventionen der USA und Großbritanniens im Sommer 2002 beigelegt werden“.

Nach dieser Eskalation entspannte sich das Verhältnis zwischen beiden Ländern vorübergehend. Beide verständigten sich im Herbst 2003 auf einen erneuten Waffenstillstand und begannen im Februar 2004 einen Verbunddialog („composite dialogue“). Am Rande eines Gipfeltreffens der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) im Januar 2004 hatte bereits ein Treffen der Staatschefs stattgefunden und es wurde eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der Kaschmir als bilaterales Problem bezeichnet wurde, was eine Abkehr der bisherigen Position Pakistans signalisierte, das stets eine Internationalisierung der Kaschmirfrage befürwortet hatte. Die pakistanische Seite erklärte zudem, dass von ihrem Territorium aus keine terroristischen Aktivitäten gegen Indien geduldet werden würden . In den darauffolgenden fünf Verhandlungsrunden bis Mitte 2008 standen Themen wie Sicherheit und Frieden, Terrorismus, Drogenhandel, Wirtschaft und Handel im Fokus der Gespräche und es wurde der allgemeine Ausbau der Beziehungen zwischen beiden Staaten sowie vertrauensbildende Maßnahmen wie Reiseerleichterungen in Kaschmir und eine bessere wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Kooperation vereinbart.

Den Anzeichen auf größere Stabilität in der Region wurde mit den Anschlägen von Mumbai im November 2008 jedoch ein abruptes Ende bereitet. Der 2004 begonnene Dialogprozess beider Länder über Konfliktthemen einschließlich der Kaschmirfrage, in dessen Kontext bereits zahlreiche vertrauensbildende Maßnahmen initiiert werden konnten, wurde ausgesetzt. Wenn auch die Friedensgespräche mit Pakistan zwischenzeitlich auf Staatssekretärebene wieder aufgenommen worden sind, ist es weiterhin schwierig, sich auf gemeinsame Themen zu einigen. Während Delhi insbesondere den regionalen Terrorismus thematisieren möchte, will Pakistan vor allem über die Situation im indischen Kaschmir sprechen.

Der „composite dialogue“ mit Pakistan könne erst dann wieder aufgenommen werden, wenn sich die pakistanische Seite bereit erkläre, den regionalen Terrorismus als Thema in den Vordergrund der Gespräche zu stellen – so Indiens Außenminister S. M. Krishna. Der diesjährige SAARC-Gipfel in Bhutan markierte indes einen wichtigen Schritt im Hinblick auf die indisch-pakistanische Wiederannäherung. Von höchster Regierungsseite einigte man sich auf die Wiederaufnahme eines „umfassenden, substanziellen und ergebnisorientierten Dialogprozesses“ auf Außenministerebene. Letzteres ist vornehmlich der jahrelangen umsichtigen Pakistan-Politik des indischen Premiers Manmohan Singh zu verdanken, der – mancher Kritik auch aus den eigenen politischen Reihen und konträrer Forderungen der politischen Hardliner zum Trotz – seine gemäßigte Politikstrategie gegenüber Pakistan nicht aufgegeben und damit eine Eskalation der bilateralen Animositäten verhindert hat.

Die Rolle Chinas

Die Komplexität der Kaschmirfrage wurde in der Vergangenheit durch Chinas indirekte Ansprüche auf Teile des Gebiets weiter erhöht. Die territorialen Ansprüche waren besonders deutlich geworden, als China in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts den „Aksai Chin“ genannten Ostteil Kaschmirs nach und nach besetzte. Außerdem hat es sich 1963 ein „größeres Gebiet nördlich des Karakorum-Gebirges, das zu dem von Pakistan besetzten Teil Kaschmirs gehört, in einem Grenzvertrag abtreten lassen, dessen Gültigkeit Indien bestreitet“ . Aufgrund dieser Ereignisse gestalteten sich die Beziehungen zwischen Indien und China für einige Zeit problematisch, und so konnte erst 1993 ein Abkommen zwischen den beiden Ländern unterzeichnet werden, in dem sich beide Seiten gegenseitig zugesichert haben, „ihre „Line of Actual Control“ entlang ihrer gesamten gemeinsamen Grenze zu respektieren“ , jedoch ohne diese Linie genau zu definieren.

Das Verhältnis zwischen Indien und China hat sich in den letzten Jahren normalisiert; die akute Gefahr einer Eskalation besteht derzeit nicht. Abgesehen von kleineren Grenzstreitigkeiten bemühen sich beide Seiten, ihre Beziehungen auszubauen und auf eine gutnachbarschaftliche Grundlage zu stellen.

Doch diese Entwicklung wurde gerade in jüngster Zeit gestört, als am 28. August ein Artikel in der New York Times über die Verlegung chinesischer Truppen in den von Pakistan kontrollierten Teil Kaschmirs veröffentlicht wurde. Demnach sollen sich bis zu 11.000 Soldaten der People´s Liberation Army (PLA) in der Region Gilgit-Baltistan befinden, woraufhin die indische Armee ihre Truppenpräsenz in den Grenzgebieten verstärkt hat. Sowohl Pakistan als auch China streiten die Berichte über eine Verlegung chinesischer Truppen in den pakistanischen Teil Kaschmirs ab. Pakistans Botschafter in Peking erklärte lediglich, dass ein humanitäres Team aus China in der Region sei, um den Opfern der Flutkatastrophe zu helfen.

Des Weiteren berichtete das US-Verteidigungsministerium in seinem jährlichen Gutachten über die Militär- und Sicherheitsentwicklung Chinas von einem weiteren Aufrüsten Chinas, das hochmoderne Raketen mit großer Reichweite entwickeln und seine Aktivitäten entlang der Grenze zu Indien intensivieren würde, was das Risiko militärischer Auseinandersetzungen erhöhe. Außerdem registrierten indische Behörden gestiegene chinesische Aktivitäten im Indischen Ozean, was auf indischer Seite verstärkt misstrauisch beäugt wird.

Die aktuelle Situation in Kaschmir – der innerindische Konflikt

Neben dieser internationalen Konfliktkomponente um Kaschmir gibt es seit 1947 immer wieder mehr oder weniger gewalttätige Auseinandersetzungen um die Frage einer etwaigen Autonomie von Jammu & Kaschmir. Außerdem gibt es nach wie vor in der Region auch Verfechter einer politischen Unabhängigkeit sowohl von Indien als auch von Pakistan.

Im Bundesstaat J&K herrscht seit Juni dieses Jahres ein bürgerkriegsähnlicher Zustand. Am 11. Juni wurde ein 17-jähriger Demonstrant von einer Tränengasrakete der Sicherheitskräfte getötet, woraufhin eine Welle der Empörung durch die Bevölkerung ging. Seitdem gibt es beinahe täglich neue Todesfälle im Kaschmirtal. Dabei scheint Kaschmir in einer Spirale der Gewalt zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gefangen zu sein, die seit Jahresmitte bereits mehr als hundert Todesopfer und über tausend Verletzte forderte. Der Konflikt wird zumeist zwischen militanten islamistischen Gruppierungen und der Polizei ausgetragen, während die einfache Bevölkerung zu den Hauptleidtragenden der Auseinandersetzung gehört. Die Sicherheitsbehörden verhängen in vielen Distrikten Ausgangssperren, so dass das gesamte öffentliche Leben in Kaschmir zum Erliegen gekommen ist. Geschäfte, Behörden und Schulen bleiben an den meisten Tagen geschlossen und der öffentliche Nahverkehr ist lahmgelegt. Die Ausgangssperren zeigen jedoch nur teilweise ihre Wirkung, da sich die Demonstranten oftmals über das Verbot hinwegsetzen.

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation des umstrittenen Bundesstaates wird das Dilemma Kaschmirs deutlich. Die Arbeitslosenrate im Bundesstaat Jammu und Kaschmir ist höher als in den üblichen Landesteilen, während das jährliche Wirtschaftswachstum und das Pro-Kopf-Einkommen deutlich niedriger sind. Die demographische Entwicklung in Kaschmir spielt auch eine nicht unerhebliche Rolle; nach aktuellen Schätzungen sind über 70 Prozent der Bevölkerung in dem Bundesstaat unter 35 Jahre alt. Der Mangel an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen macht die arbeitslosen Jugendlichen empfänglicher für die Ideen extremistischer Gruppierungen.

Die Auseinandersetzung zwischen den Separatisten und der Polizei gleicht einem Katz-und-Maus Spiel, in dem beide Seiten „Erfolge“ erzielen. Die Aufständischen machen dabei nicht vor Attentaten auf Politiker halt. Auf der anderen Seite gelingt es der Polizei zunehmend, Separatistenführer zu verhaften, so wie z.B. am 29. August Mohammed Shafi Reshi. Reshi wird als Hauptakteur hinter der Veröffentlichung der sog. „protest calendars“, in denen die Separatisten ihr Programm für weitere Proteste ankündigen, vermutet. Außerdem wird spekuliert, dass er der Hauptkoordinator zwischen der von Pakistan aus operierenden Terrorgruppe Laschkar e-Taiba und den kaschmirischen Separatisten sei.

Zentral- und Regionalregierung machtlos

Die Regierung in Delhi hat bisher keine dauerhafte Konfliktlösung gefunden und steht dem andauernden Konflikt mehr oder weniger machtlos gegenüber. “J&K is now caught in a vicious circle of stone-pelting, lathicharge, teargassing and firing, leading to casualties and resulting in more stone-pelting. We are concerned that we have not been able to stop the vicious circle in which that state is caught”, so der indische Innenminister Chidambaram zur aktuellen Lage in Kaschmir.

Im Dezember 2008 war in Kaschmir ein neues Regionalparlament gewählt worden. Trotz eines Boykottaufrufs der Separatisten ging die Bevölkerung an die Wahlurnen und verhalf der pro-indischen National Conference zum Sieg. Zweitstärkste Partei wurde die People´s Democratic Party (PDP), gefolgt von der Kongresspartei. Die National Conference und die Kongresspartei bildeten daraufhin eine Koalition. Neuer Chiefminister wurde Omar Abdullah, dem es bislang nicht gelungen ist, die zerstrittenen Gruppen in einen Dialog zu involvieren. Seine Position wurde seit seinem Amtsantritt zunehmend geschwächt; so fanden seine Forderungen nach einem „political package“ für Kaschmir im CCS (Cabinet Comittee on Security) zunächst kein Gehör. Er läuft Gefahr zum politischen Spielball zwischen den Interessen der Zentralregierung und den Forderungen der konfligierenden Parteien in Kaschmir zu werden.

Von der Zentralregierung aus Neu-Delhi wurden jüngst kompromissbereite Töne bezüglich Kaschmir laut. Premierminister Manmohan Singh erklärte am 10. August vor einer Gruppe von Repräsentanten verschiedener politischer Parteien aus Kaschmir, dass er eine Autonomie des Bundesstaates im verfassungsrechtlichen Rahmen für möglich halte. Außerdem rief er einen Ausschuss unter seinem Vorsitz ins Leben, der das weitere Vorgehen in Bezug auf Kaschmir ausloten solle. Die in Aussicht gestellte Autonomie Kaschmirs rief jedoch gemischte Reaktionen unter den verschiedenen Parteien bzw. Akteuren hervor. So begrüßten die National Conference und die Communist Party of India (Marxist), CPI(M), die Initiative, während die Bharatiya Janata Party (BJP) eine Autonomie ablehnt. Die Peoples Democratic Party (PDP), die stärkste Oppositionspartei in Kaschmir, und die Separatisten lehnten den Vorschlag mit der Begründung ab, dass dies keine politische Lösung sei. Die Regierung machte jedenfalls deutlich, dass sie in den Dialog mit allen involvierten Gruppierungen, die der Gewalt abschwören, eintreten und so zu einer Lösung kommen möchte.

Ein weiterer wichtiger Akteur im Kaschmirkonflikt ist Syed Ali Shah Geelani, der Führer der Gruppe der Hardliner in der „All Parties Hurriyat Conference“, dem Sammelbecken aller muslimischen Gruppierungen in Kaschmir. Seine Bedingungen, bevor Gespräche zwischen der Zentralregierung und den Separatisten beginnen könnten, lauten u.a.: Anerkennung des Kaschmirkonflikts als internationale Auseinandersetzung, eine vollständige Demilitarisierung des Gebiets, Suspendierung des „Armed Forces Special Powers Act“ und die Freilassung von politischen Gefangenen.

Die jüngsten Auseinandersetzungen eskalierten erneut am 13. September. Nachdem der iranische Fernsehsender Press TV von angeblichen Koran-Verbrennungen in den USA berichtet hatte, brachen neue Unruhen aus, die an einem einzigen Tag 17 Todesopfer und 131 Verletzte forderten. Neben einer christlichen Missionsschule wurden mehrere Regierungsgebäude in Brand gesetzt, was die Sicherheitskräfte dazu bewegte, das Feuer auf die Demonstranten zu eröffnen, um die gewaltbereite Menge zu stoppen. Sowohl der iranische Fernsehsender als auch der gesamte Flugverkehr nach Kaschmir wurden daraufhin für einige Tage ausgesetzt.

Neue Wege zum Dialog?

Am 15. September wurde ein All-Parteien-Treffen in Neu-Delhi einberufen, an dem die Parteiführer der wichtigsten politischen Gruppierungen teilnahmen, um über die Lage in Kaschmir zu diskutieren und neue Wege aus der Krise zu suchen; dabei kam es jedoch zu keinen nennenswerten Ergebnissen. Besonders die Frage, ob man den umstrittenen „Armed Forces Special Powers Act“ (AFSPA) abschwächen soll, blieb ungeklärt. Der AFSPA bietet den Sicherheitskräften in Kaschmir Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung und gibt den Soldaten außerdem weitreichende Befugnisse im Kampf gegen Demonstranten und Separatisten, was in der Vergangenheit zu heftiger Kritik geführt hat, da den Sicherheitskräften oftmaliger Missbrauch des Gesetzes und damit verbundene unverhältnismäßige Gewaltanwendung bzw. Menschenrechtsverletzungen gegenüber Demonstranten vorgeworfen wird. Während eine Abschwächung des „Armed Forces Special Powers Act“ von der Regierungskoalition und dem Chief Minister von Jammu und Kaschmir, Omar Abdullah, gewünscht wird, lehnt die BJP diese entschieden ab.

Dem All-Parteien-Treffen folgte am 19. September eine Delegationsreise, der Politiker aller Parteien angehörten, nach Kaschmir. Die Delegation hatte es sich während des zweitägigen Besuchs in Srinagar und Jammu zum Ziel gesetzt, alle an der Krise beteiligten Akteure in den Dialogprozess einzubeziehen - so auch den Dialog mit den drei wichtigsten Hurriyat-Führern Mirwaiz Umar Farooq (Führer der moderaten Fraktion der Hurriyat Conference), Yasin Malik (Chef der „Jammu Kashmir Liberation Front“) und Geelani. Dies wird als wichtiges Signal angesehen. Während Geelani abermals erklärte, dass es erst zu neuen Gesprächen kommen könne, wenn die Regierung auf seine Bedingungen einginge, machten Farooq und Malik den Vorschlag, ein „Kashmir Committee“ sowohl in Indien als auch in Pakistan einzurichten, das aus Vertretern der großen Parteien zusammengesetzt sein solle. In diesem Rahmen könne man in einen nachhaltigen Dialog mit allen beteiligten Akteuren eintreten.

Gleichzeitig wird von Seiten der indischen Regierung weitere Kompromissbereitschaft gezeigt; so gibt es Anzeichen, dass der umstrittene „Armed Forces Special Powers Act“ in einigen ruhigeren Gebieten, einschließlich der Hauptstadt Srinagar, ausgesetzt werden soll. Das von Premierminister Singh geleitete „Cabinet Committee on Security“ (CCS) hat über das Wochenende einen 8-Punkte-Plan für Kaschmir beschlossen, der unter anderem den Beginn eines nachhaltigen Dialogprozesses mit allen Konfliktparteien und zusätzliche finanzielle Unterstützung seitens der Zentralregierung für den Ausbildungssektor in J&K beinhaltet. Darüber hinaus soll ein Plan zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Kaschmir erarbeitet werden.

Fazit und Ausblick

Die jüngste Eskalation in Kaschmir stellt die indische Regierung vor neue Herausforderungen und ist eine Bedrohung für die innere und zugleich äußere Sicherheit des Landes. Ungeachtet der internationalen Konfliktdimension um Kaschmir handelt es sich bei den aktuellen Ausschreitungen zunächst um die innerindische Konfliktebene. Wenn auch kritische Analysten, Beobachter und die Medien den jüngst initiierten Dialogprozess zwischen den Vertretern unterschiedlicher politischer Parteien und den konfligierenden Gruppierungen in Kaschmir größtenteils als ergebnislos und fehlgeschlagen interpretieren, so deutet sich mit den Beschlüssen des Kabinettkomittees, CCS, doch möglicherweise ein Paradigmenwechsel in der Politik der Zentralregierung gegenüber Kaschmir an.

Nach vielen Jahren ist es erstmals wieder zu Gesprächen auch mit den Separatistenführern gekommen. Dies bedeutet keine unmittelbare Konfliktlösung und wird auch die Rufe nach Selbstbestimmung nicht verstummen lassen. Vielmehr stehen die Zentralregierung und die Regionalregierung unter Führung von Chiefminister Omar Abdullah vor der Herausforderung, diese Gespräche zu institutionalisieren und somit einen dauerhaften und nachhaltigen Dialog zwischen den Konfliktparteien herzustellen.

Hinzu kommt, dass der Konflikt um Kaschmir seit Jahrzehnten das Verhältnis zwischen den beiden Nachbarn Indien und Pakistan belastet und spätestens seit 1998 ein erhebliches Sicherheitsrisiko für den gesamten südasiatischen Raum darstellt. Die indirekte Involvierung von China erhöht die Komplexität des Konflikts.

Alle Konfliktdimensionen – national wie bilateral bzw. international – sind eng miteinander verwoben. Der jüngste Wortwechsel zwischen indischen und pakistanischen Entscheidungsträgern bringt dies zum Ausdruck. Während Indiens Außenminister in der vergangenen Woche auf einer Auslandreise in New York erklärte, dass Jammu und Kaschmir eine „interne Angelegenheit Indiens“ sei und Pakistan aufforderte, die „illegale Besetzung“ einiger Gebiete des Bundesstaates zu beenden, erklärte Pakistan, dass es keine ergebnisorientierte Diskussion mit Indien geben können, solange Indien Kaschmir als integralen Bestandteil seines Territoriums betrachte.

Die Sicherheit Südasiens sowie die soziale und politische Kohäsion Indiens stehen mit der Auseinandersetzung über die Frage der regionalen Autonomie auf dem Spiel. Ein institutionalisierter Dialog der Konfliktparteien in Kaschmir mit der indischen Zentralregierung sowie die Wiederaufnahme eines konstruktiven, themenorientierten Dialogs zwischen Indien und Pakistan würden die Chancen auf eine dauerhafte Konfliktregelung erhöhen.

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