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Krise der rechtsprechenden Gewalt

Am 25. Mai reichte die letzte noch amtierende Richterin des bolivianischen Verfassungsgerichtes, Silvia Salame, ihr Rücktrittsgesuch ein. In ihrer Begründung denunzierte sie wiederholte Angriffe aus Kreisen der Regierung auf die Institutionalität des Verfassungsgerichtes.

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Experten sehen in dem Rücktritt Salames den Gipfel eines sich bereits lange im Gang befindenden Prozesses des Niedergangs der rechtsprechenden Gewalt. Seit dem Amtsantritt der Regierung von Evo Morales wurde gegen vier Verfassungsrichter auf Anregung der Regierung hin gerichtlich wegen Vergehen im Rahmen der Ausübung der Richtertätigkeit prozessiert. Die Opposition wirft der Regierung vor, sie habe lediglich Vorwände gesucht, um sich der nicht MAS-treuen Richter zu entledigen. Weiterhin kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Drohungen gegen Richter und deren Angehörige, um diese zum Rücktritt zu bewegen. Nach und nach schieden alle Richter bis auf Silvia Salame aus.

Das Verfassungsgericht ist seit November 2007 ohne Quorum und beschränkte sich in den vergangenen 19 Monaten auf die Annahme von neuen Fällen und Verwaltungstätigkeiten. Bis heute haben sich bereits 4247 unbearbeitete Fälle angehäuft. Seit Mitte Mai befindet sich ebenfalls der Oberste Gerichtshof ohne Quorum, weil die Fraktion des MAS im Kongress den Beginn eines Gerichtsverfahrens gegen den bis dahin amtierenden vorsitzenden Richter des Obersten Gerichtshofes, Eddy Fernández, autorisierte und dieser deswegen von seinem Amt suspendiert wurde. Ihm wird vorgeworfen, das Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada und Minister seines Kabinetts im Zusammenhang mit den Aufständen im Oktober 2003 hinausgezögert zu haben. Der Oberste Gerichtshof ist somit nur noch mit 7 von 12 Richtern besetzt, Quorum besteht bei 8 Richtern.

Als Grund für ihren Rücktritt führt Frau Salame die kürzlich vom Justizrat beschlossene Kürzung des Budgets des Verfassungsgerichtes an. Das letztes Jahr verabschiedete Jahresbudget des Verfassungsgerichtes von 14 Millionen Bolivianos (ca. 1 435 500 Euro) wurde laut Beschluss um 85% gekürzt. Daraus entsteht die Notwendigkeit, einen Großteil der Angestellten zu entlassen. Frau Salame betonte, dass unter diesen Umständen keinerlei Arbeit möglich sei und sie sich nicht dafür hergeben wolle, den Schein eines existierenden Verfassungsgerichtes aufrecht zu erhalten und sich so zur Komplizin der Regierung zu machen.

Obwohl in den letzten 19 Monaten kein Quorum mehr bestand, übernahm das Verfassungsgericht weiterhin administrative Aufgaben, nahm neue Prozesse an und veröffentlichte Publikationen über die neue Verfassung. Es leistete ebenfalls pädagogische Arbeit mit der Vermittlung von Inhalten der neuen Verfassung. Richterin Salame äußerte wiederholt ihre juristische Meinung über Normen, die ihr zufolge gegen die Verfassung verstoßen.

Nach der alten Verfassung werden die Verfassungsrichter vom Kongress ernannt. Dieser konnte allerdings in den letzten Jahren zu keiner Einigung gelangen, obwohl nach Artikel 21des Verfassungsgerichtsgesetzes innerhalb von 30 Tagen nach dem Ausscheiden eines Verfassungsrichters sein Nachfolger benannt werden müsste. Im Moment befindet sich Bolivien in einem gewissen Vakuum zwischen der alten und der neuen Verfassung. Obwohl die neue Verfassung schon in Kraft ist, kann sie erst nach Erlassung der Ausführungsgesetze ihre Wirkung entfalten. Diese Gesetze sollen allerdings erst von der im Dezember zu wählenden Plurinationalen Legislativen Versammlung (Asamblea Legislativa Plurinacional) erlassen werden. Nach der neuen Verfassung werden die Verfassungsrichter vom Volk gewählt.

Nach ihrem Rücktritt forderte Frau Salame den Nationalkongress auf, Richter für ein Übergangsgericht zu benennen, das so lange in Kraft wäre, bis das in der neuen Verfassung vorgesehene Plurinationale Verfassungsgericht einberufen würde. Vizepräsident Alvaro García Linera gab am 27. Mai bekannt, dass er in seiner Funktion als Präsident des Nationalkongresses diesen nicht mehr zur Ernennung neuer Richter einberufen wird. Da die neue Verfassung bereits in Kraft sei, müssten die Verfassungsrichter vom Volk gewählt werden. Verfassungsrechtlern zufolge würde somit das neue Verfassungsgericht erst Mitte 2011 funktionsfähig sein. Nach ihrer Einberufung voraussichtlich im Januar 2010 verfügt die Plurinationale Legislative Versammlung über sechs Monate, um das neue Verfassungsgerichtsgesetz und das Gesetz über die Wahlmodalitäten zu verabschieden. Im Anschluss muss zuerst das Oberste Wahlgericht gebildet werden, das den Wahlkalender für die Wahlen der Autoritäten festlegt. Die Verfassungsrichterwahlen könnten voraussichtlich also nicht vor Beginn des Jahres 2011 stattfinden. Im Anschluss findet die Phase der Verabschiedung der internen Verfahrensvorschriften und der Geschäftsordnung statt und realistisch gesehen könnte das Verfassungsgericht somit erst Mitte 2011 seine Tätigkeit aufnehmen.

Experten weisen auf die verheerenden Folgen der de facto Auflösung des Verfassungsgerichtes für den bolivianischen Rechtsstaat hin. Ein wahrer Rechtsstaat könne nicht existieren ohne ein Organ, das Verfassungskontrolle ausübt und darüber wacht, dass verabschiedete Normen der Verfassung entsprechen. Die Opposition gibt der Regierung die Schuld für die Krise. Der MAS wolle keinen Wächter über die Verfassungsmäßigkeit ihrer Handlungen zulassen. Er respektiere weder seine eigene Verfassung, noch die in ihr verankerten Grundrechte, noch die Vielfalt politischer Meinungen.

Enteignung von Terroristen?

Am 20. Mai erließ die Regierung das Dekret 0138, das die Beschlagnahmung des gesamten Vermögens von Personen zulässt, die verdächtigt werden, an terroristischen Aktivitäten teilzunehmen oder diese zu unterstützen. Alle Fälle dieser Art sollen in La Paz verhandelt werden. Auf Antrag des Staatsanwaltes kann ein Richter bereits aufgrund eines bloßen Verdachts die Beschlagnahmung veranlassen. Ein Gerichtsverfahren muss zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeleitet sein. Sollte der Verdächtige in einem anschließend stattfindenden Verfahren schuldig gesprochen werden, so werden die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte ohne Entschädigung enteignet. Nur für den persönlichen Gebrauch unerlässliche Güter können nicht beschlagnahmt und enteignet werden. Die Beschlagnahmung kann selbst dann statt finden, wenn das zu beschlagnahmende Vermögen nicht direkt zur Unterstützung von terroristischen Aktivitäten eingesetzt wurde oder wenn terroristische Aktivitäten nur geplant, aber nie vollzogen wurden.

Bisher war die Beschlagnahmung von Vermögensgegenständen in Bolivien nur im Zusammenhang mit Drogendelikten und in einem sehr viel geringeren Umfang möglich. Enteignungen von Grundbesitz und Immobilien konnte nur im Rahmen der Agrarreform und gegen Entschädigungen erfolgen. Beide Figuren sind per Gesetz geregelt.

Laut Juristen verstößt das Dekret sowohl gegen die Verfassung, als auch gegen das Strafgesetzbuch. In der Verfassung sind sowohl der Schutz des Privateigentums als auch die Unschuldsvermutung für den Verdächtigen verankert. Im Strafgesetzbuch ist die Figur der Beschlagnahmung geregelt und laut Experten setze sich das Dekret über dieses Gesetz hinweg. Weiterhin bestimmt das Dekret richterliche Kompetenzen, die nach Auffassung von Verfassungsrechtlern nur per Gesetz festgelegt werden können. Sollte die Regierung vorhaben, das Dekret rückwirkend auf Personen anzuwenden, die mit dem Fall des „Terrorismus“ in Santa Cruz (siehe Länderbericht vom 8. Mai 2009) in Zusammenhang stehen, so würde Bolivien gegen internationales Recht verstoßen, da Normen, die bei der Rechtssprechung angewandt werden im Moment der Straftat bereits bestehen müssen.

Besonders Medien und Opposition kritisieren das Dekret scharf. Senatspräsident Oscar Ortiz spricht von dem Eintritt in eine große Grauzone und von Staatsterrorismus, um jegliche Opposition zu verhindern. In Bolivien existiert keine öffentliche Finanzierung politischer Aktivität mehr. Die Angst der Opposition ist groß, dass sich das Dekret gegen diejenigen richten könnte, die Kampagnen von Gegenkandidaten finanzieren. Auch die Medien sind betroffen, da die Regierung bereits geäußert hat, evtl. auch Kommunikationsmedien zu beschlagnahmen. Die Angst ist deshalb groß, da im Fall Terrorismus bereits gegen den einflussreichen Präfekten von Santa Cruz, Rubén Costas, ermittelt wird.

Kriminalisierung der Politik

Im Mai begann der Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Sánchez de Lozada, sein Kabinett und hohe Militärs wegen Völkermordes. Ihnen wird vorgeworfen, für den Tod von 68 Menschen im Oktober 2003 verantwortlich zu sein: Bei Demonstrationen in El Alto gegen den Export bolivianischen Erdgases über einen chilenischen Hafen war es damals zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Militärs und Demonstranten gekommen, bei denen es über 400 Verletzte und 68 Tote gab.

Die derzeitige Parteivorsitzende des MNR und ehemalige Ministerin des Kabinetts von Sánchez de Lozada für Volksbeteiligung (Participacion Popular) Mirtha Quevedo und der ehemalige Gesundheitsminister Javier Torres Goitia baten Anfang Mai in Peru um Asyl, da sie ihrer Meinung nach in Bolivien kein fairer Prozess erwarten würde. Peru, das bereits dem ehemaligen Minister für Wirtschaftliche Entwicklung, Jorge Torres Obleas Asyl gewährt, gestand den beiden Antragstellern den Status politischer Flüchtlinge zu und sorgte damit für eine weitere Krise in den bolivianisch-peruanischen Beziehungen.

Bolivien fordert die Auslieferung der ehemaligen Minister, wozu Peru nicht bereit ist. Der peruanische Außenminister José Antonio García Belaúnde betonte Ende Mai, dass die ehemaligen Minister wohl kaum mit einem fairen und unabhängigen Prozess in Bolivien rechnen könnten. Morales brachte die Situation fast zum eskalieren, als er seinen peruanischen Kontrapart Alán García als „chabacano“ (unseriös, geschmacklos) bezeichnete. Im März hatte das bolivianische Staatsoberhaupt bereits für Aufsehen gesorgt, da er öffentlich bekannt gab, der Körperumfang von Alan García würde scheinbar dessen Denkvermögen beeinträchtigen. Besorgniserregend ist, dass der Bund der Nachbarschaftsvereinigungen aus El Alto nun die Auslieferung der drei ehemaligen Minister aus Peru fordert und der peruanischen Regierung ein Ultimatum von 15 Tagen gesetzt hat. Sollte diese die Forderung nicht erfüllen, so würde man sowohl das peruanische Konsulat als auch alle peruanischen Bürger aus El Alto entfernen.

Nur drei der angeklagten ehemaligen Minister und die Militärs befinden sich im Land. Die anderen Angeklagten halten sich in den USA, Peru, und Europa auf.

Momentan müssen wohl sämtliche oppositionelle Politiker mit Gerichtsverfahren rechnen. Die Regierung hat Anfang Juni bekannt gegeben, den Expräsidenten Jorge Quiroga anklagen zu wollen, der ein möglicher Präsidentschaftskandidat ist. In seiner Amtszeit von 2001 bis 2002 hätte er direkte Befehle der us-amerikanischen Regierung befolgt, insbesondere im Bereich Drogenbekämpfung. Somit sei er mitverantwortlich für einen Konflikt zwischen Polizei, Militär und Kokabauern in Sacamba im Jahr 2002, bei dem es 10 Tote gegeben hatte.

Die politischen Entwicklungen in Bolivien sind als besorgniserregend zu bezeichnen, da demokratische Freiheiten immer mehr eingeschränkt werden.

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